Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 27.01.2019 19:19

Christoph Burkhard in Hollenbach: Karriereende nebenan

Auf seine Freistöße   kommt es heute besonders an: Christoph Burkhard.	Foto: Horst Kramer (Foto: Horst Kramer)
Auf seine Freistöße kommt es heute besonders an: Christoph Burkhard. Foto: Horst Kramer (Foto: Horst Kramer)
Auf seine Freistöße kommt es heute besonders an: Christoph Burkhard. Foto: Horst Kramer (Foto: Horst Kramer)
Auf seine Freistöße kommt es heute besonders an: Christoph Burkhard. Foto: Horst Kramer (Foto: Horst Kramer)
Auf seine Freistöße kommt es heute besonders an: Christoph Burkhard. Foto: Horst Kramer (Foto: Horst Kramer)

Etwas Besonderes, nennt Burkhard das. „Super, dass es mit Hollenbach funktioniert hat”, schiebt er hinterher. Bereits vor eineinhalb Jahren, als sich andeutete, dass Burkhard Wacker Burghausen verlassen würde, versuchte der TSV, ihn heimzuholen. Damals war er 32, Kapitän und Publikumsliebling bei Wacker. Es fühlte sich zu früh an, zurückzukehren. „Ich wollte noch so hoch wie möglich spielen und das war mit Pipinsried möglich, deshalb hat es noch eineinhalb Jahre gedauert”, sagt Burkhard.

Es sei damals ja ohnehin „fußballerisch ein Riesenschritt” gewesen, von Burghausen nach Pipinsried zu gehen. „Ich habe gewusst: Das mit dem Profifußball ist vorbei”, erinnert er sich. „Ich wusste, Fußball wird jetzt nur noch Nebensache.”

Ein merkwürdiges Gefühl muss das sein für einen, der sein Leben dem Fußball verschrieben hat. Für einen, der so nahe dran war, Karriere zu machen. Wie so viele aus der Nachwuchsabteilung des TSV 1860 München, in die Burkhard im Jahr 2000 aufgenommen wurde. 14 Zweitligaspiele machte er schließlich für die Löwen. Dass es nicht zu mehr reichte, bezeichnet er als „Genickschlag meiner Karriere”.

Das Warum zu erklären, fällt Burkhard schwer. Hat er sich nicht ausreichend entwickelt? Wollte ihn der neue Trainer nicht? Seine Einsätze bekam er unter Walter Schachner, nachdem Marco Kurz übernahm, machte der Jungprofi kein einziges Spiel mehr. „Ich habe ihn oft gefragt, was muss ich anders machen?”, erzählt Burkhard. „Er hat gesagt, ich kann dir keine Gründe sagen.”

Freilich denke er manchmal an seine ehemaligen Mitspieler. An Daniel Baier, Sven Bender oder Benjamin Lauth. Immer dann, wenn er sie kicken sieht in der Bundesliga, im Europapokal. Burkhard seufzt. Das seien die Momente, in denen er denkt: „Das hätte man auch schaffen können.”

Statt Liverpool oder Bilbao hießen seine Gegner ab 2009 Wuppertaler SV oder Carl Zeiss Jena. Für Burkhard war der Wechsel nach Burghausen zunächst strategisch. Die dritte ist schließlich immer noch eine Profi-Liga, die als Sprungbrett zurück nach oben dienen konnte. Obwohl der Plan nicht aufging, erwies sich der Schritt als Glücksfall: „Ich habe mich mit meiner Frau in Burghausen einfach pudelwohl gefühlt.” Noch heute sind er und seine Frau Tina regelmäßig dort, Freundschaften sind entstanden, Burkhard spricht von einer speziellen Verbindung, „die immer bleiben wird”. Acht Jahre verbrachte er bei Wacker, absolvierte 247 Pflichtspiele, schoss 31 Tore.

Umso verletzter fühlte sich der 34-Jährige, als er ausgerechnet das Gastspiel des FC Pipinsried Anfang November komplett von der Bank aus verfolgen musste. „Das hat mir richtig gestunken”, sagt er, gerade, weil er trotz weniger Einsätze nie Stress gemacht habe: „Schade, wie der FCP am Ende mit mir umgegangen ist.”

Sein erstes Jahr beim Dorfklub sei ein besonderes gewesen. „Jeder ist davon ausgegangen, dass wir der erste Absteiger sind.” Doch der FCP blieb drin, Burkhard war Stammspieler, einige Male Kapitän. Das gab wohl den Ausschlag dafür, dass Burkhard im Sommer das Angebot des Vereins annahm, um ein weiteres Jahr zu verlängern. „Bei mir gab es bereits da die Überlegung, nach Hollenbach zu gehen”, erzählt der Mittelfeldspieler. „Nach der Vorbereitung hat der Verein plötzlich gefragt, ob ich eventuell einen anderen Verein habe. Das ist mir spanisch vorgekommen”, berichtet Burkhard.

Den Großteil der laufenden Spielzeit verbrachte er auf der Bank. Burkhard blieb dennoch ruhig. „Für mich war bald klar, dass ich nach Hollenbach gehe im Winter. Ich habe auch gemerkt, dass andere Sachen wichtiger sind.” Seine Frau Tina, sein zweijähriger Sohn Valentin. Die Gespräche mit den Geistlichen in seinem Job als Fahrer des Bistums Augsburg („Die meisten sind Bayern-Fans). Die Zeit, um aus den Balken eines alten Stadels ein Bett zu fertigen (Burkhard machte während seiner Zeit in der Jugend des TSV 1860 die Ausbildung zum Schreiner).

Nun kickt er also nebenan, auf dem Platz, den er von seinem Wohnzimmer aus sehen kann. Für den Verein, bei dem sein Vater Platzwart ist. Für den TSV, dessen Abteilungsleiter Maximilian Golling einst Artikel über Burkhards Karriere aus Zeitungen schnitt und archivierte. Die Begeisterung ist jedoch nicht einseitig. „Was Max, Bernhard Fischer und Stephan Haas in Hollenbach entwickelt haben, ist großartig und für mich sehr reizvoll”, lobt der Ex-Profi. Seine Aussagen werden nun von merklich mehr Gesten begleitet.

Er freue sich drauf, „einfach wieder Spaß am Kicken” zu haben und „den Leuten im Verein etwas zurückzugeben”. Dass er neben Frederik Meissner Assistenztrainer von Christian Adrianowytsch wird, ist für ihn spannendes Neuland. Die Mannschaft hat er in dieser Saison schon ein paarmal gesehen. Burkhard ist angetan vom schnellen Konterspiel über die Außen. Die Gegner werden sich aber darauf einstellen, warnt er. „Wir müssen Lösungen dafür finden, wenn andere Mannschaften uns den Ball geben.” Während er über das Coaching spricht, seine eigene Rolle im zentralen Mittelfeld und Trainingspläne, fährt er mit der Hand über den Tisch, als würde er an einer Taktiktafel Figuren verschieben.

Ob das letztlich etwas Langfristiges wird, das mit dem Trainersein, wisse er noch nicht. „Es ist interessant, mit jungen Spielern zu arbeiten. Aber eine Mannschaft zu trainieren und zu organisieren ist noch einmal etwas anderes. Ich habe außerdem Respekt davor, Ansprachen zu halten”, verrät Burkhard. Gut, dass er zum Einstand nicht - wie vielerorts üblich - ein Lied vortragen muss. Ein Kasten Bier reicht beim TSV. „Solange ich nicht singen muss, stell ich auch zwei hin”, kommentiert Burkhard und muss laut lachen.

Dass zu einer Aufstiegsfeier am Saisonende in Hollenbach noch der eine oder andere Kasten mehr geleert wird, glaubt Burkhard nicht. Der TSV steht auf Platz drei der Bezirksliga, hat sich mit Burkhard und dem Rückkehrer aus der FCA-Jugend, Jonas Ruisinger, namhaft verstärkt. „Klar stellt sich die Frage, was hat der Verein vor? Aber den Erfolg hat ja keiner erwartet vor der Saison. Über einen Aufstieg müssen wir nicht sprechen”, kommentiert Burkhard. „Mein Ziel ist, die Mannschaft weiterzuentwickeln.”

Zum Beispiel Jonas Ruisinger. Dessen Entschluss, von der A-Jugend-Bundesliga in die Bezirksliga zu wechseln, sieht der Ex-Profi „keinesfalls als Schritt zurück”, spricht vom „richtigen Weg”. Ruisinger könne mit seinen Brüdern und Freunden richtig Spaß auf dem Platz haben. Vielleicht, mutmaßt Burkhard, gebe das sogar einen Entwicklungsschub.

Während der 18-Jährige seine Karriere noch vor sich hat, neigt sich Burkhards Laufbahn dem Ende zu. Zwei, drei Jahre werde er noch spielen. So lange, bis sein Körper ihm sage, dass es gut ist. Wehmut verspüre er keine. Ich bin jetzt 34, und hatte eine schöne Fußballerzeit. Was ich erleben durfte, das war ganz besonders.” Wenn er sich seinen Abtritt bildlich vorstellt, „ist das für mich in Ordnung. Wobei ich nicht weiß, was passiert, wenn der Moment dann wirklich da ist.”


Von David Libossek
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