Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 14.04.2021 10:01

Olympia 2021 in Tokio: Aichacher Physiotherapeut Andreas Geißlinger wäre dabei

Andreas Geißlinger   ist Physiotherapeut am Stützpunkt des deutschen Kanuverbands in Augsburg. Sei 2003 arbeitet der 41-Jährige im Therapie- und Trainingszentrum Aichach, zu dessen Leitung er seit 2018 gehört. 	Foto: David Libossek (Foto: David Libossek)
Andreas Geißlinger ist Physiotherapeut am Stützpunkt des deutschen Kanuverbands in Augsburg. Sei 2003 arbeitet der 41-Jährige im Therapie- und Trainingszentrum Aichach, zu dessen Leitung er seit 2018 gehört. Foto: David Libossek (Foto: David Libossek)
Andreas Geißlinger ist Physiotherapeut am Stützpunkt des deutschen Kanuverbands in Augsburg. Sei 2003 arbeitet der 41-Jährige im Therapie- und Trainingszentrum Aichach, zu dessen Leitung er seit 2018 gehört. Foto: David Libossek (Foto: David Libossek)
Andreas Geißlinger ist Physiotherapeut am Stützpunkt des deutschen Kanuverbands in Augsburg. Sei 2003 arbeitet der 41-Jährige im Therapie- und Trainingszentrum Aichach, zu dessen Leitung er seit 2018 gehört. Foto: David Libossek (Foto: David Libossek)
Andreas Geißlinger ist Physiotherapeut am Stützpunkt des deutschen Kanuverbands in Augsburg. Sei 2003 arbeitet der 41-Jährige im Therapie- und Trainingszentrum Aichach, zu dessen Leitung er seit 2018 gehört. Foto: David Libossek (Foto: David Libossek)

Denn genau dafür ist der 41-Jährige zuständig. Geißlinger ist Physiotherapeut, einer der Leiter des Therapiezentrums Aichach und betreut am Stützpunkt des deutschen Kanuverbands am Augsburger Eiskanal zwei bis dreimal pro Woche nachmittags die Kaderathleten, die dort trainieren. Heute bittet er aber nicht auf seine Behandlungsliege, sondern in die Aula des Leistungszentrums, wo er sich in einen roten Kunstledersessel fallen lässt. Ein bisschen Restbräune ist in seinem Gesicht noch zu erkennen, erst vor kurzem ist Geißlinger aus dem Trainingslager mit den Kanuten von der Insel La Réunion zurückgekehrt. Noch vor der ersten Nachfrage wundert sich der Physio erst einmal über das Zustandekommen des Gesprächs. Die Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, dem DOSB, existiere ja bereits eine Weile. „Die Leute, die in Aichach zu uns in die Praxis kommen, wissen davon. Aber sonst ist es wenig bekannt, wir haben das aber auch nie rausposaunt”, sagt er und grinst, ehe er die Sache mit La Réunion erklärt. Das französische Übersee-Département im Indischen Ozean lässt sich per Inlandsflug ansteuern. Es ist im Frühjahr angenehm warm. Und vor allem: Der französische Verband hat dort für Wintertrainingslager eine Anlage errichtet, die beinahe baugleich zur Strecke in Markkleeberg bei Leipzig ist. Das zweite El Dorado des deutschen Kanusports neben Augsburg, wo die Olympiastrecke gerade aufwändig saniert wird. 2022 soll hier der Weltcup im Kanuslalom ausgetragen werden.

„Für Verletzungen oder Schmerzen ist keine Zeit. Wehwehchen müssen am besten gestern weg sein”

„Sonst fliegen wir zu dieser Zeit nach Sydney”, merkt Geißlinger an. Das machten die strengen australischen Corona-Bestimmungen in diesem Jahr jedoch unmöglich. Australien und exotische Inseln: Klingt jetzt ein bisschen nach Traumjob - und für Geißlinger ist es das auch. „Die Reisen sind aber nur das i-Tüpfelchen auf die beständige harte Arbeit vor Ort”, ordnet er ein. Muskeln, Sehnen und Gelenke von 20 Top-Athleten liegen in seinen Händen. Zwar seien seine Patienten alle Profis - Berufssoldaten oder in Diensten der Bundespolizei - und austrainiert. „Aber jeder trägt sein Päckchen”, sagt der 41-Jährige. Vor allem Überlastungssyndrome, die durch die immer wiederkehrenden Belastungen entstehen, behandelt er. Hinzu kommen Regenerationsmassagen oder die Nachsorge nach Operationen. Ein gewisser Druck liegt immer mit auf dem Behandlungstisch: „Der Körper muss ständig on top sein. Für Verletzungen oder Schmerzen ist keine Zeit. Wehwehchen müssen am besten gestern weg sein. Denn: Neue junge Wilde drängen stetig nach”, beschreibt Geißlinger und führt aus: „Über die Jahre hinweg erarbeitet man sich das Vertrauen der Sportler. Man verbringt viel Zeit miteinander, es sind tolle Freundschaften entstanden.” Dann muss er lachen, als er ergänzt: „Mittlerweile bin ich hier der Papa für alles.” 2003 fing der Augsburger, der nur einen Paddelzug vom Eiskanal entfernt im Stadtteil Hochzoll lebt, im Therapiezentrum Aichach an. 2004 sprach ihn sein früherer Chef an, ob er nicht Lust hätte, bei Weltcups mitzufahren. „Ich sagte zu und spürte schnell, dass die Akzeptanz der Sportler und Trainer mir gegenüber da war”, erinnert sich Geißlinger, der anschließend Teil des medizinischen Generationenwechsels am Stützpunkt wurde. Zunächst betreute er die U 23-Sportler, 2007 übernahm er die Leistungsklasse. Zudem erwarb er die Sportphysiotherapeuten-Lizenz des DOSB, die er regelmäßig auffrischen muss. In Geißlingers Rücken erstreckt sich die weitläufige Aula. Während er spricht, huscht ab und an mal ein Kanute durch den Raum, grüßt kurz und verschwindet in einer der Türen. Corona hat auch den Stützpunkt im Griff. Vor allem die Sportler, die auf Olympia im Juli hoffen, können in der heißen Phase vor den Spielen keine Infektion riskieren. „Sie betreiben knallhartes Social Distancing”, beschreibt Geißlinger, der selbst bereits gegen das Virus geimpft ist.

„Die Olympischen Spiele können dabei helfen, dass der Breitensport nicht in Vergessenheit gerät”

Seit 2016 bereiten sich die Kanuten nunmehr auf Tokio vor, ursprünglich, um im Sommer 2020 ihren Leistungshöhepunkt zu erreichen. „Sie halten sich seit einem Jahr auf diesem Level. Orthopädisch ist das ohnehin schon grenzwertig. Und momentan ist da auch noch immer die Angst im Hinterkopf, dass die Spiele nicht stattfinden”, sagt der Physiotherapeut, der nicht nur deshalb gegen eine Absage plädiert: „Olympia kann helfen, dass der Breitensport nicht in Vergessenheit gerät”, findet er. Zumal er sicher ist: „Die Japaner werden das perfekt organisieren.” Diese Überzeugung macht er auch am ersten sogenannten Playbook fest, das der Gastgeber kürzlich an die Verbände verteilt hat. Eine Art Corona-Olympia-Gebrauchsanweisung, die etwa vorgibt, dass die Athleten fünf Tage vor ihrem Wettkampf ihr Zimmer im olympischen Dorf beziehen und danach binnen 24 Stunden ausreisen müssen. Auch der Betreuerstab wird reduziert sein. Geißlinger aber gehört dazu. Es werden nach London 2012 und Rio 2016 seine dritten Spiele sein, bei denen er als Physiotherapeut dabei ist. Bei den ersten beiden Malen war er Teil des acht Ärzte und rund 20 Physiotherapeuten starken medizinischen Apparats der deutschen Delegation. Der Augsburger arbeitet dort Sportarten-übergreifend. „Nicht jede Sparte hat einen eigenen Physio dabei”, erläutert er, „deshalb helfe ich in der Zeit, in der einen die Kanuten nicht brauchen, im Behandlungszentrum mit.” In London, bei seiner Premiere, räumt Geißlinger ein, sei er ganz schön aufgeregt gewesen, in Rio dann abgebrühter. „Da kommen die besten Sportler der Welt an einem Ort zusammen. Alle haben auf den Tag X hingearbeitet”, versucht er die Atmosphäre zu beschreiben, die er am liebsten in der Mensa des olympischen Dorfs erlebt. „Da sieht man die chinesischen Gewichtheberinnen, die neuseeländischen Rugbyspieler, Usain Bolt oder das Dreamteam - die Basketballnationalmannschaft der USA. Man unterhält sich und merkt: Alle sind gleich. Alle sind hier für den Wettkampf ihres Lebens.” Derartige Momente wird er in diesem Sommer nicht erleben. Im Mai bekommt Geißlinger einen Vorgeschmack darauf, wie die Spiele während der Pandemie aussehen könnten. Denn da reist er für mehr als zwei Wochen mit dem Tross des Kanuverbands nach Tokio. Trainingseinheiten auf der Austragungsstätte stehen an. Für Kanuten unerlässlich. „Sie müssen viel Zeit auf der Wettkampfstrecke verbringen, um ein Gefühl dafür zu entwickeln”, erklärt der 41-Jährige. „Ein Basketballer weiß auf jedem Court, wie hoch der Korb ist. Die Wildwasser-Anlagen sind aber immer verschieden. Und im Kanusport entscheiden nun einmal winzigste Kleinigkeiten über den Ausgang.”Außer der Olympiastrecke werden Sportler und Betreuer die asiatische Metropole nur durch die Fenster von Hotelzimmer und Bus sehen. „Wir dürfen nur zum Training raus, haben alle Einzelzimmer, auf denen wir auch Essen müssen”, beschreibt der Aichacher Physiotherapeut. Zuschauer an der Strecke wird es - wie mutmaßlich bei den Spielen selbst - keine geben. „Aber das ist für die Athleten erst einmal nebensächlich”, betont der 41-Jährige. „Sie wissen: Mit einer olympischen Medaille machst du dich unvergesslich.” Es entstehen Gänsehautmomente, bei denen Andreas Geißlinger seine Hände im Spiel hat.

Tipps für den Wiedereinstieg ins Mannschaftstraining

„Nach dem ersten Lockdown haben wir in der Praxis ganz viele Überlastungssyndrome behandelt, wie etwa das sogenannte Läuferknie, ein Reizzustand auf der Außenseite des Kniegelenks”, berichtet Andreas Geißlinger von seinen Erfahrungen. „Manche wollten zu schnell zu viel.” Der Körper sei, sagt er, wie ein Motor, der erst einmal wieder warm werden muss. „Nach dem ersten Lockdown haben wir in der Praxis ganz viele Überlastungssyndrome behandelt, wie etwa das sogenannte Läuferknie, ein Reizzustand auf der Außenseite des Kniegelenks”, berichtet Andreas Geißlinger von seinen Erfahrungen. „Manche wollten zu schnell zu viel.” Der Körper sei, sagt er, wie ein Motor, der erst einmal wieder warm werden muss. „Nach dem ersten Lockdown haben wir in der Praxis ganz viele Überlastungssyndrome behandelt, wie etwa das sogenannte Läuferknie, ein Reizzustand auf der Außenseite des Kniegelenks”, berichtet Andreas Geißlinger von seinen Erfahrungen. „Manche wollten zu schnell zu viel.” Der Körper sei, sagt er, wie ein Motor, der erst einmal wieder warm werden muss.


Von David Libossek
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