In der Tat feierte die kommunalpolitische Teilhabe am Donnerstagabend in Kühbach eine wahre Sternstunde. In und vor dem Thomabräu, wo die Veranstaltung um 19.30 Uhr hätte beginnen sollen, ging es zu wie beim Vorverkauf für ein angesagtes Rockkonzert: Während innen der Saal bereits aus allen Nähten platzte, bildete sich draußen auf dem Parkplatz eine lange Schlange, die an Zeiten vor dem Mauerfall in der ehemaligen DDR erinnerte. Dabei ging es nur darum, sich registrieren zu lassen, um anschließend wählen zu dürfen. Schnell war den Veranstaltern klar, dass der Thomabräu mit einem Ansturm von annähernd 400 Wahlwilligen und Interessierten aus allen Ortsteilen räumlich überfordert ist. Also wurde eilends umdisponiert und die Nominierung in den TSV-Sportpark verlegt. Einige nutzten die Gelegenheit für einen kleinen abendlichen Spaziergang; andere wurden von der Feuerwehr chauffiert, denn die Kühbacher Floriansjünger richteten kurzerhand einen Shuttle-Service ein. Unterdessen wurde die Sporthalle des TSV fast komplett bestuhlt. Eineinviertel Stunden später als ursprünglich vorgesehen, konnte die Versammlung dann endlich beginnen. Dass so viele Bürgerinnen und Bürger gekommen waren, lag wohl daran, dass Hans Lotterschmid nach 24 Jahren nicht mehr antreten wird und für das Amt des Rathauschefs im stimmenstärksten Ort zwei Kandidaten zur Auswahl standen. Stefan Schneider, 48, hatte seinen Hut bereits Anfang Juli in den Ring geworfen. Karl-Heinz Kerscher indes wagte sich erst kurz vor knapp bei der jüngsten Gemeinderatssitzung am Dienstag aus der Deckung. Die Vorstellungsreden der beiden Bewerber unterschieden sich inhaltlich nicht allzu sehr - ebenso wie ihre Biografien. Beide haben zwei erwachsene Kinder, sind waschechte Kühbacher (und stolz darauf), 48 Jahre alt, haben als Gemeinderäte in den vergangenen Jahren politische Erfahrung gesammelt und sind ehrenamtlich engagiert. Stefan Schneider ist Einzelhandelskaufmann und Betriebswirt und führt derzeit einen Kiosk an einem Münchner Gymnasium. Kerscher machte ebenfalls eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann, ist aber seit 25 Jahren in der Heiz- und Energiespartechnik tätig. Darin sieht er eine seiner größten Stärken. Als stellvertretender Gebietsverkaufsleiter Südbayern, so Kerscher, bringe es seine Arbeit mit kleinen und mittelständischen Unternehmen mit sich, „dass ich mit Firmen jeglicher Größe umgehen kann und deren Sorgen und Nöte gut verstehe”. Beide Kandidaten nannten keine konkreten kommunalpolitischen Ziele, hoben jedoch hervor, dass ihnen der Austausch und die Einbeziehung der Bürger besonders am Herzen liege. Schneider führte seine Verdienste um den TSV ins Feld, aus unterschiedlichen Abteilungen mit verschiedenen Interessen sei ein einmaliger Zusammenhalt entstanden, erklärte der 48-Jährige stolz. Kerscher formulierte, er wolle derjenige sein, „zu dem man gerne geht, sei es mit einem Problem, mit einer Anregung, Idee oder einem sonstigen Anliegen”. In Anlehnung an seinen Wahlspruch „Gemeinsam Zukunft gestalten, Tradition leben”, erinnerte er an seinen Großvater und Vater, die, zusammen mit ihm als Gemeinderat, 64 Jahre die Geschicke des Ortes mitgestaltet haben. Nachdem zwei Wahlhelfer die Stimmzettel verteilt hatten, bildete sich wieder eine lange Schlange vor der Wahlurne, dann wurde es spannend. Stefan Schneider und Karl-Heinz Kerscher, die sich einen fairen Wahlkampf geliefert hatten, warteten quasi an der Seitenlinie: Schneider mit seiner Lebensgefährtin Lisa Seitz, Kerscher mit Frau Silvia und Tochter Sarah. 319 Kühbacher und Kühbacherinnen durften ihre Stimme abgeben. Wie in zahlreichen Gesprächen herauszuhören war, gab es keinen klaren Trend, viele vermuteten, dass es eine „enge Kiste” werden würde. Gegen 21.30 Uhr verkündete schließlich Versammlungsleiter Johann Achter die große Überraschung: Für Karl-Heinz Kerscher hatten sich fast zwei Drittel der Wahlberechtigten ausgesprochen, 102 Stimmen gingen an Stefan Schneider, fünf leere und ein ungültiger Stimmzettel wurden abgegeben, auf zwei Zetteln wurde der Name Martin Appel vermerkt. Stefan Schneider reagierte gefasst, der 48-Jährige ließ sich nichts anmerken, sicher war die Enttäuschung aber groß, zumal im Sportpark, quasi Schneiders Wohnzimmer, wo der Vorsitzende des TSV Kühbach einen Großteil seiner Freizeit verbringt. Als es daran ging, die Liste der Bewerber für den Gemeinderat aufzustellen, ließ sich Schneider vom dritten Platz streichen. „Ich bis raus”, rief er Johann Achter zu und zog sich dann, wer will es ihm verdenken, von der Nominierungsveranstaltung zurück. Wieder als Gemeinderäte treten Albert Schormair (363 Stimmen), Engelbert Thumm (350), Gabriele Erhard (264), Manfred Felber (263) und Markus Singer (197) an. Zusätzlich bekundeten auch viele jüngere Kandidaten Interesse: etwa Martin Appel, 25, Tizian Schenk, 24, Simon Tiltscher, 23, und Daniel Peters, 24. Mit 291 Stimmen schaffte es Astrid Sagstetter auf den Listenplatz vier. Martin Appel holte aus dem Stand 228 Stimmen, Simon Tiltscher 227. Bis die endgültige Liste mit vier Ersatzkandidaten feststand, war es weit nach Mitternacht. Doch selbst da löste sich die Versammlung noch nicht endgültig auf. Noch einige Zeit wurde weiter debattiert. Und wirklich konnte man am Ende sagen: Es war eine Sternstunde der kommunalpolitischen Mitwirkung. Viele der Anwesenden rechneten eher mit einer „engen Kiste”