Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 16.07.2008 10:45

Orkan forderte Todesopfer

<p> <b>Mit 200 Stundenkilometer 100 000 Festmeter Holz vernichtet </b> </p>
<p> <b>Mit 200 Stundenkilometer 100 000 Festmeter Holz vernichtet </b> </p>
<p> <b>Mit 200 Stundenkilometer 100 000 Festmeter Holz vernichtet </b> </p>
<p> <b>Mit 200 Stundenkilometer 100 000 Festmeter Holz vernichtet </b> </p>
<p> <b>Mit 200 Stundenkilometer 100 000 Festmeter Holz vernichtet </b> </p>

Es war der 16. Juli 1958, als gegen 16 Uhr die bisher schwerste Unwetterkatastrophe über große Teile des Altlandkreises Aichach hinwegzog und eine Schneise der Verwüstung vor allem im südöstlichen Teil des Landkreises zurückließ. Der Schaden an den Gebäuden, der Infrastruktur und vor allem in den Wäldern belief sich nach amtlichen Schätzungen auf rund zwanzig Millionen Mark.

Oberdorf, Niederdorf, Tandern und Randelsried mit ihren Weilern und Einöden lagen im Zentrum dieses Orkans, der mit bis zu 200 Stundenkilometern über das Land fegte und von einem halbstündigen Hagel- Wolkenbruch begleitet wurde. Rasend schnell näherte sich von Südwesten die unheimlich schwarzgelbe Wolkenwand, es wurde plötzlich so finster, dass später von einer Weltuntergangsstimmung gesprochen wurde. Im Zentrum des Orkans, in den Ortschaften Oberdorf und Niederdorf, blieb kein Anwesen ohne schwere Zerstörungen. Viele Gebäude stürzten in sich zusammen wie Kartenhäuschen. Dächer wurden abgedeckt, Dachstühle weggefegt und Bäume wie Streichhölzer umgeknickt. Menschen, die vom Orkan im Freien überrascht wurden, wurden zu Boden geschleudert und konnten sich nicht mehr erheben. In Oberdorf musste auch ein Todesopfer beklagt werden. Eine 58-jährige Frau hatte in einem Nachbarhof in einem Schuppen Unterschlupf gesucht, der unter der Gewalt des Sturms zusammenbrach. Die Frau konnte nur noch tot geborgen werden, vermutlich erlag sie einem Herzversagen. Als die Menschen nach dem Orkan ihre Häuser wieder verlassen konnten, standen sie vor einem gewaltigen Trümmerfeld. Ein Augenzeuge berichtete später: Die Bombardierung von Augsburg, die er im Zweiten Weltkrieg hatte erleben müssen, sei vergleichbar gewesen mit der Katastrophe, die sich in Oberdorf abspielte. Ein weiterer Beobachter meinte, die Ortschaften sähen schlimmer aus als nach einem 14-tägigen Artilleriebeschuss. Viele weitere Dörfer machten einen ähnlichen Eindruck. Rund hundert Gehöfte waren insgesamt betroffen.

Immense Schäden traten auch in der Infrastruktur auf. Alle Stromkabel und Telefonleitungen waren abgerissen, die Straßen von Trümmern übersäht und von umgestürzten Bäumen blockiert. Feuerwehren und viele Einsatzkräfte waren bis zum Umfallen gefordert.

Der damalige Kreisbrandinspektor Paulus Glaswinkler, der während des Unwetters zufällig in Tandern weilte, alarmierte sofort die Aichacher Feuerwehr für eine großangelegte Hilfsaktion. Auch die Bautrupps der Isar-Amperwerke waren voll im Einsatz. Die Bauern versuchten, ihr Vieh unter den Trümmern zu retten, Viehställe waren nur noch ein Trümmerfeld.

Volle zwei Stunden arbeiteten die Männer der Aichacher Feuerwehr, um nur die Straßen zwischen Höfarten und Tandern freizumachen. Mehrere Aichacher Wehrmänner erlitten bei diesem Einsatz Verletzungen.

Das Chaos war unbeschreiblich, teilweise wurden die Schäden erst später offenkundig. Einen beachtlichen Schaden hinterließ der Orkan in den Wäldern der Gegend, die Bäume lagen kreuz und quer umgeknickt und gesplittert am Boden, Waldstücke mussten abgeholzt werden, 100 000 Festmeter Holz waren vernichtet.

Das schwere Unwetter machte auch vor den Kapellen nicht Halt, die Niederdorfer Kapelle wurde so schwer beschädigt, dass sie abgerissen werden musste. 1965 wurde an gleicher Stelle von der Familie Kreitmeir eine neue Kapelle zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit errichtet. Im Inneren erinnert eine Gedenktafel an das große Unwetter. Bei der Wieskapelle in Tandern wurde der Turm abgerissen, die Kapellen in Schmarnzell und Rudersberg waren ebenfalls betroffen. In Thalhausen stürzte ein Steinkreuz vom Kirchdach, auf dem Friedhof fielen mehrere Grabsteine um.

Bayerns damaliger Innenminister Otto Bezold und Regierungspräsident Dr. Mang kamen zusammen mit dem Landrat Max Glötzl in das Katastrophengebiet. Der Landkreis gab eine Soforthilfe von 100 000 Mark, außerdem wurde ein Katastrophenfond eingerichtet. Das damalige Chaos lockte natürlich auch viele Schaulustige aus der weiten Umgebung an. Die Zufahrtsstraßen waren von den Neugierigen oft zugestellt, so dass es zu Behinderungen für die Hilfskräfte kam. Das Landratsamt ließ daraufhin Straßen für Privatfahrzeuge sperren.

Wegen der ungeheuren Schäden und Verwüstungen wurden Pioniereinheiten aus München und Ingolstadt sowie Einheiten der Bereitschaftspolizei aus Eichstätt und Würzburg in das Aichacher Kreisgebiet abgestellt. Da die Wasserversorgung gefährdet war, übernahmen zunächst Tankfahrzeuge der Feuerwehren Aichach und Fürstenfeldbruck die Wasserversorgung. In den ersten Tagen nach der Katastrophe hatten Funkwagen des Präsidiums der Bayerischen Landespolizei notdürftig die Nachrichtenverbindungen aufrechterhalten.

In den folgenden Monaten wurde ein Kraftakt ohnegleichen für die Aufbau- und Aufräumungsarbeiten erforderlich, alle Handwerksbetriebe der Umgebung mobilisierten sämtliche Kräfte, so dass noch vor Wintereinbruch weitgehend die Häuser und Stallungen wieder instand gesetzt oder zumindest notdürftig nutzbar gemacht wurden.


Von MGrunert
north