Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 13.06.2020 16:59

Ja Servus, sagt der Winnetou

Volker Waschk   kümmert sich um den Betrieb der Dasinger Western-City. Auf der Tribüne dürfen unter den momentanen Auflagen nur 100 Zuschauer statt sonst 500 Platz nehmen.
Volker Waschk kümmert sich um den Betrieb der Dasinger Western-City. Auf der Tribüne dürfen unter den momentanen Auflagen nur 100 Zuschauer statt sonst 500 Platz nehmen.
Volker Waschk kümmert sich um den Betrieb der Dasinger Western-City. Auf der Tribüne dürfen unter den momentanen Auflagen nur 100 Zuschauer statt sonst 500 Platz nehmen.
Volker Waschk kümmert sich um den Betrieb der Dasinger Western-City. Auf der Tribüne dürfen unter den momentanen Auflagen nur 100 Zuschauer statt sonst 500 Platz nehmen.
Volker Waschk kümmert sich um den Betrieb der Dasinger Western-City. Auf der Tribüne dürfen unter den momentanen Auflagen nur 100 Zuschauer statt sonst 500 Platz nehmen.

1980 erfüllte sich Fred Rai, der eigentlich Manfred Raible hieß, mit der Westernstadt einen Lebenstraum. Nach einem Stadtfest in Gummersbach hatte der singende Cowboy statt einer Gage die Kulissen mitgenommen und für den Aufbau in Dasing verwendet. Er scharte Menschen um sich, von denen es manche oft nicht leicht hatten im Leben, und gab ihnen einen Job, Lohn und häufig auch Unterkunft. Er bot ihnen eine Chance und verlangte Ehrlichkeit, Abstinenz und Engagement. Manchmal lebten Mitarbeiter sogar im Wohnwagen auf dem weitläufigen Gelände des Freizeitparks.

Die Westernstadt am Rande der Autobahn hatte stets ihren eigenen, vom Idealismus der Mitarbeiter geprägten Charme. Deren Grundfesten wurden im September 2013 zum erstem Mal erschüttert: Ein technischer Defekt löste ein Feuer in der Tunnelanlage des parkeigenen Bähnchens aus. Die Flammen griffen auf Requisiten, den das Areal umgebenden Holzzaun und mehrere Autos über. Der Schaden lag im sechsstelligen Bereich.

Das zweite verheerende Feuer erlebte Fred Rai nicht mehr. Im November 2016 brannte der Hauptstall. Der Schaden bewegte sich um die Dreiviertelmillion Euro. Ursache auch hier: ein technischer Defekt. In dem großen Gebäude waren neben den Boxen ein Strohlager, die Futter- und Sattelkammer sowie eine Wohnung untergebracht. Eine Frau wurde verletzt, zum Glück konnten alle Pferde gerettet werden. Bis heute ist der Stall nicht wieder aufgebaut worden. Das liegt auch daran, dass es nach Fred Rais Tod dauerte, sein Erbe zu regeln.

Bekannt waren allen Fred Rais Töchter, doch dass er auch einen Sohn hatte, überraschte die meisten. Wie Western-City-Manager Volker Waschk berichtet, gehört die Westernstadt nun der Gabriele-Amrhein und Tessa Bauer GbR. Tessa Bauer war die letzte Lebensgefährtin Fred Rais. Sie leitete auch das Bundesausbildungszentrum für Rai-Reiten, hat sich mittlerweile aber vollständig aus dem aktiven Betrieb zurückgezogen. Waschk kümmert sich jetzt auch um das Reitzentrum. „Bei uns hat immer schon jeder irgendwie alles gemacht”, erklärt er, das klappe gut.

Im Zentrum wird nach den Vorgaben von Fred Rai unterrichtet, der das gewaltfreie Reiten propagierte. Seine wissenschaftlich überprüfte und belegte Methode: Erst mittels Körpersprache die Dominanz über das Tier am Boden erreichen, dann im Sattel, und es wird sich entspannt unterordnen. Ohne Gerte, Sporen oder Gebissstück werden die Pferde ausschließlich mit Gewichtshilfen geritten. Das von Rai entwickelte „Bändele”, eine Art Halfter mit verstärktem Nasenband, ersetzt die herkömmliche Ledertrense. Im In- und Ausland gibt es etwa 25 Rai-Reiten-Betriebe.

Während Corona durfte, wie in allen Ausbildungsställen, auch in der Westernstadt kein Reitunterricht angeboten werden. Mehrere Seminare, für die Teilnehmer oft von weit her anreisen, mussten abgesagt werden. Inzwischen läuft der Betrieb - unter den üblichen Auflagen - wieder. Im Schulungsraum etwa stehen nur noch wenige Stühle, um den Abstand wahren zu können. Wer die Westernstadt unterstützen wolle, der könne gern die Patenschaft für ein Pferd übernehmen, sagt Volker Waschk. Diese kostet zehn Euro monatlich. Manche Reitschüler boten an, die ausgefallenen Reitstunden trotzdem zu bezahlen. Das lehnt Volker Waschk ab: „Wer zahlt, soll auch eine Gegenleistung dafür erhalten.”

Auch das dritte, vernichtende Feuer ereignete sich nach dem Tod Fred Rais. So musste dieser nicht zusehen, wie seine Westernstadt im Juli 2017 samt seinem Wohnhaus völlig niederbrannte. Saloon, Laden, Museum, Gefängnis - alles weg, der Stadtplatz in Schutt und Asche. Bald war klar, dass bei diesem Brand, der von einem Heulager neben dem Festspielbereich ausging, eine technische Ursache ausschied. Die Kriminalpolizei ermittelte, hatte mehrere Verdächtige im Fokus. 11 000 Euro Belohnung wurden ausgesetzt, 1000 vom Landeskriminalamt, 10 000 von der Versicherung der Western-City. Einen definitiven Täter fand man nicht. Um „fahrlässige Brandstiftung” habe es sich gehandelt, sagt nun Volker Waschk. Man habe zwar eine Person in Verdacht, doch genügten die Beweise nicht. Immerhin ist nun alles geregelt, die Versicherung trägt den Millionenschaden. Doch die Western-City, die viele seit ihrer Kindheit kennen, wird es so nie wieder geben. Sie ist über viele Jahre hinweg gewachsen und wirkte etwas aus der Zeit gefallen. Unter den inzwischen geltenden, modernen und teuren Brandschutzauflagen aber kann man die Stadt nicht wieder aufbauen. Für die alten Gebäude galten Vorschriften aus den 90er Jahren. 2017 hatten die Feuerwehren große Probleme, genug Wasser heranzuschaffen. Es mussten mehrere Leitungen über Hunderte Meter bis an die Paar gelegt werden.

Auf dem Stadtplatz stehen derzeit ein großes Blockhaus, das als Saloon dient, und einige Buden. Die Gebäude gehören eigentlich zum Winterland in Augsburg, das Helmut Wiedemann zur Weihnachtszeit vor der City-Galerie betreibt. Noch immer überlegt das Westernstadt-Team, wie auf Dauer ein zeitgemäßer Freizeitpark betrieben werden könnte. Derartige Parks haben es allerdings momentan und allgemein nicht leicht; zuletzt musste im September 2019 die riesige Cavalluna-Anlage in München schließen. Schuld daran, so heißt es, sei unter anderem der Handelskrieg zwischen den USA und China. Der chinesische Investor sehe sich nicht mehr in der Lage, den Park zu finanzieren. Einige Requisiten aus dem Cavalluna-Park kaufte die Western-City. So kann man nun beispielsweise mittels hölzerner Bauten nachvollziehen, wie weit und hoch der Rekordsprung eines Menschen ging, und wie weit und hoch der eines Pferdes. Die Corona-Pause wurde auch genutzt, zu renovieren: Die Reithalle bekam einen sonnigen Anstrich.

Ein bekannter Westernpark in Bayern ist Pullman City in Egling am See bei Passau, der nach der Insolvenz 2011 neue Eigentümer bekam und mit millionenschweren Investitionen in den Folgejahren den Umsatz mehr als verdoppeln konnte. Die jährlichen Besucherzahlen bewegten sich zuletzt bei angeblich rund einer halben Million. Außerdem bietet Pullman City seit 2019 auch noch Karl-May-Spiele an. Das ist natürlich eine Konkurrenz für die Dasinger. Die erste Eglinger Show 2019 zählte 40 000 Besucher, 2020 feiert man trotz Corona heute Premiere mit dem Stück „Winnetou und das Geheimnis um Old Surehand”. In einer Hauptrolle: Sängerin Claudia Jung, die mehrfach bei den Festspielen in Dasing auftrat. Und auch Schauspieler Peter Bechtel wechselte zur Pullman City.

In Dasing hat man vorsichtshalber die Festspiele auf das kommende Jahr verschoben. Die überdachte Tribüne fasst 500 Besucher, unter den momentanen Auflagen dürfen nur 100 kommen. Vorgesehen war, sechs Wochen lang teils zweimal täglich an den Wochenenden zu spielen. Das rechnet sich bei so wenigen Gästen nicht. Doch einmal mehr zeigt sich das Team engagiert und flexibel.

Im Januar gab es eine szenische Lesung mit Winnetou-Darsteller Matthias Mühlbauer und dem niederbayerischen Kabarettisten Wolfgang „Woife” Berger als Old Shatterhand. Der ist seit seinen Kindertagen ein Karl-May-Fan und transferierte Winnetou I ins Bayerische. Die Zuhörer waren begeistert. Berger schuf nun auf Vorlage der Lesung ein Theaterstück. Und das bringt das Ensemble heuer anstelle der üblichen Festspiele auf die Bühne. Wer jetzt an Bully Herbig denkt, liegt falsch: In Dasing wird kein Klamauk gezeigt, keine Persiflage.

Premiere ist am 18. Juli. Gespielt wird bis Mitte September fast jeden Samstag und Sonntag um 16 Uhr. Wer Tickets für die Festspiele hatte, kann diese für die Lesung verwenden, muss sie aber unbedingt unter Telefon 08205/225 oder karlmay-festspiele.de" class="auto-detected-link" target="_blank">info@karlmay-festspiele.de umbuchen lassen. Sie sind aber auch im kommenden Jahr gültig. Neue Tickets für „Winnetou I auf Bayerisch” sind nur online buchbar: karlmay-festspiele.de

Und noch ein zweites „Theater” beschäftigt die Dasinger Cowboys derzeit. Statt den Stall wie gehabt wiederaufzubauen, berichtet Volker Waschk, wolle man einen Offenstall errichten. Dafür muss der Bebauungsplan geändert werden. Wegen Corona geriet alles etwas ins Stocken. Bei dieser Haltungsart bekommen die Pferde einen Unterstand, der Schutz bietet, ansonsten leben sie im Freien. Ausgelegt ist das Konzept für etwa 30 bis 40 Tiere. Darunter: Spitzbub, der legendäre Gefährte von Fred Rai, inzwischen 30 Jahre alt und bei bester Gesundheit. Western-City wurde 1980 von Fred Rai gegründet


Von Monika Grunert Glas
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