Am Sonntag wird der Affinger Baron 70 Jahre alt. Damit kann er auf mindestens 60 Jahre bewusst erlebte Waldbilder zurückgreifen: „Manchmal wünschte ich mir, man hätte eine Zeitrafferkamera aufgestellt, die Veränderungen sind dramatisch”, sagt von Gravenreuth. Er ist oft im Wald, er sitzt auch gerne dort und versucht, seine Sinne zu schärfen. Denn die Dynamik des Waldes ist nicht leicht zu erleben, dennoch sei sie enorm: „Hier kämpft eine Pflanze mit der anderen um Raum, Wasser und Licht - um ihr Leben.” Diesen Kampf haben manche Waldgebiete offenbar verloren. Im Harz sind ganze Areale zerstört, nördlich der Donau stirbt die Buche wegen der Trockenheit flächig ab, und Forstverwaltungen in Hessen haben aufgehört, Käferholz aufzuarbeiten, was von Gravenreuth waldhygienisch betrachtet für unverantwortlich hält. Verglichen damit, sei der Wald südlich der Donau gut über das Jahr gekommen. Von Gravenreuth selbst hat in seinen Wäldern, die er als 32-Jähriger von seinem Vater geerbt hat, kaum Schäden zu verzeichnen. Dennoch treiben ihn Fragen um, welche Baumarten in einem veränderten Klima noch eine Chance haben, oder was natürliche Verjüngung bedeutet, wenn es immer trockener wird. Einfach auf Nachbarn im wärmeren Süden zu schauen, welche Baumarten dort wachsen, führe nicht ans Ziel - Spätfröste im Mai können ihnen bei uns gefährlich werden. Mit Mischwäldern lasse sich das Risiko streuen. „Der Klimawandel lässt uns ziemlich ratlos” meint von Gravenreuth. Dennoch ist er sicher, mit der Waldwirtschaft aufs richtige Pferd gesetzt zu haben. Zumal die ETH Zürich in einer Studie die weltweite massive Aufforstung als eine der effektivsten Maßnahmen zur Eindämmung des von Menschen gemachten Klimawandels beschrieben hat. „Der Wald ist noch wichtiger geworden”, sagt von Gravenreuth. Jahrelang war er als Waldbotschafter unterwegs und hat sich auf verschiedenen Ebenen für eine nachhaltige Forstwirtschaft eingesetzt: Ob bei den Vereinten Nationen als „Außenminister” der deutschen Waldbesitzerverbände oder als treibende Kraft beim Aufbau eines weltweiten Waldzertifizierungsprogramms, das heuer sein 20-jähriges Bestehen feiert. Ein großes Anliegen ist von Gravenreuth auch, dass Kinder den Wald sehen und verstehen, was der Forstwirt macht, „auch warum wir jagen. Das ist ein schwieriges Thema, aber notwendig, um Waldbau zu betreiben.” Um Forstwirtschaft zu erklären, führte sein Förster schon zahlreiche Schulklassen durch den Wald. „Ich bin noch im Aufsichtsrat der Bayerischen Staatsforsten, sonst bin ich nix mehr”, sagt von Gravenreuth - und scheint damit zufrieden. So bleibe ihm mehr Zeit, zu schauen, welchen Beitrag er leisten könne, seine Heimat noch lebenswerter zu machen: Für die Bücherei stellt er die Räume zur Verfügung. „Das Affinger Bücherstüberl macht mir einfach Spaß”, sagt von Gravenreuth. Und auch sein Bauprojekt auf dem Schlossberg in Obergriesbach nimmt Formen an. Unter dem Motto „Wohnen für alle” sei es durch gründliche Gespräche gelungen, alle Gruppen mitzunehmen. Gerade arbeitet von Gravenreuth an zwei Büchern: Sein Vorfahre Karl Ernst von Gravenreuth sei von der Geschichte vernachlässigt worden, meint der Baron. Der Politiker und Diplomat kaufte 1816 die Hofmark Affing. Mit Hilfe von Unterlagen aus dem Gravenreuth'schen Familienarchiv im Schloss wird nun eine Biografie „zusammengebastelt”. Im Archiv lagert auch das Kriegstagebuch von dessen Bruder, der mit Napoleon im Russlandfeldzug gekämpft und als einer der wenigen überlebt hat. Das will von Gravenreuth zusammen mit einer Autorin ebenfalls veröffentlichen.