„Wenn wir ganz ehrlich sind, so viel Einfluss haben wir auf den Stadtrat sowieso nicht”, sagt Blechschmidt. Als die „Fridays for Future”-Bewegung ganz am Anfang stand, habe man noch „ganz naiv” geglaubt, dass der Stadtrat sofort reagieren werde, wenn er auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Erderwärmung hingewiesen werde. Inzwischen sei das nicht mehr der Fall. „Wir haben einfach kein Vertrauen in die Stadt”, so Blechschmidt. Bleiben wollen die Klimaaktivisten aber trotzdem, „weil wir keine andere Alternative sehen”. Die normalen Demonstrationszüge hätten bislang keine Wirkung gezeigt. Ähnlich verhalte es sich zwar bislang mit dem Klimacamp, „aber zumindest hat sich unser Gewicht deutlich verändert”, glaubt Blechschmidt. „Die Politiker kommen jetzt auf uns zu, statt dass wir wochenlang um einen Termin betteln müssen.” Bürgermeisterin Martina Wild und Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) hätten die Campbewohner auch bereits darauf hingewiesen, dass die Sommerpause keine Verwaltungspause sei, und Gespräche mit der Stadtverwaltung und den Politikern weiterhin möglich seien. Diese Möglichkeiten wolle man gerne nutzen, so Blechschmidt. Am vergangenen Freitag hatten die Bewohner des Klimacamps Pressevertreter eingeladen, um sie über ihre Forderungen zu informieren. Ursprünglich war das Camp am 1. Juli aufgebaut worden, um für Änderungen im damals noch nicht beschlossenen Kohleausstiegsgesetz der Bundesregierung zu demonstrieren. Allerdings ist diese Forderung inzwischen nicht mehr ganz aktuell, da das Gesetz am 3. Juli beschlossen wurde - mit dem umstrittenen und auch von den Augsburger Aktivisten kritisierten Kohleausstieg bis spätestens 2038. Der Kohleausstieg ist dennoch auch weiterhin eines der Hauptthemen des Klimacamps. Das 1,5-Grad-Ziel sei bei einem Ausstieg bis 2038 nicht einzuhalten, und „dieses 1,5-Grad-Ziel ist maßgeblich für unsere Zukunft”, sagt FFF-Aktivistin Paula Stoffels. Unter anderem gegenüber dem „Spiegel” haben mehrere Wissenschaftler betont, dass das 1,5-Grad-Ziel bei einem so späten Ausstieg aus der Kohleenergie zumindest aus deutscher Sicht nicht mehr zu erreichen sei. Reichen würden die Einsparungen demnach für das 2-Grad-Ziel, das viele Wissenschaftler inzwischen als unzureichend ansehen. Das Umweltministerium betont, durch das Kohleausstiegsgesetz werde das Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten. Dieses basiert noch auf der 2-Grad-Grenze. Die FFF-Bewegung setzt sich nicht nur in Augsburg für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze ein. „Wir wollen, dass vor allem auch lokal gehandelt wird”, sagte Stoffels nun. Die Stadt solle sich nicht von den Entscheidungen des Bundes abschrecken lassen, sondern sich für einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleenergie stark machen. Die zweite Forderung betrifft das Thema Fahrradstadt. Seit 2012 gebe es den Beschluss, Augsburg fahrradfreundlicher zu machen, doch bislang sei zu wenig passiert, kritisiert Blechschmidt. Ursprünglich sollten bereits im Jahr 2020 25 Prozent des Binnenverkehrs in der Stadt mit dem Rad zurückgelegt werden. Da die Stadt das Ziel verpasste, wird das Projekt auch über das Jahr 2020 hinaus fortgeführt. Auch hier haben die Aktivisten allerdings das Vertrauen verloren und FFF ist inzwischen einer der drei Träger des Radbegehrens, das vor kurzem nach einer coronabedingten Pause wieder mit der Unterschriftensammlung begonnen hat. Mit ihrem letzten Ziel wenden sich die Klimaaktivisten des Camps gegen den Koalitionsvertrag der neuen Augsburger Stadtregierung aus CSU und Grünen. Zwar sei dieser dafür, dass die CSU stärkste Kraft im Stadtrat ist, „ein wunderbarer Koalitionsvertrag”, so Blechschmidt, doch ein Punkt verfehle klar sein Ziel. Das Vorhaben, den CO2-Ausstoß pro Einwohner bis 2030 auf 4,75 Tonnen zu reduzieren und erst 250 klimaneutral zu sein, sei nicht ausreichend. Laut Berechnungen der „Scientist for Future” stünden Augsburg bei einer weltweit gerechten Verteilung des restlichen CO2-Ausstoßes bis zur Erreichung der 1,5-Grad-Grenze nur noch elf Millionen Tonnen CO2 zu. Diesen Grenzwert werde die Stadt nach den Berechnungen der Wissenschaftler bereits im Jahr 2025 erreichen, kritisieren die Umweltaktivisten. „Wir verpassen das 1,5-Grad-Ziel also bereits in dieser Regierungsperiode”, betont Rafeala Klafka. Da Augsburg außerdem erst 2050 klimaneutral sein wolle, würden in der Stadt bis dahin insgesamt 34 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. „Augsburg gedenkt dreimal so viel zu emittieren, als uns eigentlich zusteht.” Stattdessen müsse man den Treibhausgasausstoß sofort deutlich senken, denn vor allem die letzten 20 Prozent zur kompletten Klimaneutralität seien in der Zukunft „dann deutlich schwieriger” und bräuchten womöglich mehr Zeit. Hier könne man Lehren aus der Corona-Krise ziehen, glaubt Klafka. „In der Pandemie hat es auch funktioniert, dass wir als Deutschland eine Woche früher gehandelt haben”, sagt sie. Das zeige sich nun im großen Erfolg im Verlauf der Krise. „Wir haben kein Vertrauen in die Stadt”