Bereits jetzt sind sich viele politische Beobachter einig, dass dieser Gestaltungswille mit Plan, der größte Unterschied zu den vergangenen beiden Wahlperioden unter der Führung von Noch-OB Kurt Gribl darstellen wird. Nicht, dass Gribl keinen Plan gehabt hätte, doch wurde sein Handeln vor allem durch Notfälle und äußere Zwänge bestimmt: Sicherheitsmängel machten eine Sanierung der Kongresshalle notwendig, veränderte Anforderungen der Eishockey-Liga veranlassten den Umbau des Curt-Frenzel-Stadions und die Brandschutzbestimmungen sind Auslöser für die aktuell laufende Sanierung des Staatstheaters. Gribl war in den vergangenen zwölf Jahren zum Problemlöser verdammt. Eva Weber will es gemeinsam mit den Grünen offenbar anders machen - und kann es vielleicht dank der Vorarbeit Gribls auch. Auf knapp 50 Seiten erklären die CSU und die Grünen, wie sie sich die „Stadt der Chancen für alle” vorstellen, ein Zitat, dass die künftigen Partner dem Wahlprogramm der CSU entnommen haben. Im Themenbereich Wirtschaft bekennen sich beide zum Produktionsstandort Augsburg, die aber auch Umweltstadt und das Zentrum für Ressourceneffizienz ist. Wichtiger Punkt für Weber ist hier die Gründung eines Digitalrats, der wie etwa der Senioren- oder der Kulturbeirat der Verwaltung und dem Stadtrat beratend zur Seite stehen soll in Fragen des digitalen Wandels. Weber hat einen solchen Digitalrat im Wahlkampf öffentlichkeitswirksam gegründet und damit einige Irritationen - auch beim künftigen Partner - ausgelöst. So steht nun im Vertrag, dass die Besetzung durch den Stadtrat beschlossen wird. Das „Nachhaltige Wirtschaften” nimmt ebenfalls einen hohen Stellenwert ein. Hier soll die städtische Wirtschaftsförderung stärker anpacken. Im Themenfeld Umwelt, dem ausführlichsten Punkt des Vertrags, haben die Partner eine klar definierte Vorgabe: „Unser Ziel ist es, unsere Stadt zur Klimametropole in Bayern zu machen.” Augsburg solle zur „Blue City” werden. Eine der davon abgeleiteten Forderungen ist, dass die Fuggerstadt bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein muss. Und es soll ein weiteres Beratungsgremium entstehen, ein Klimaschutzbeirat. CSU und Grüne beweisen dabei Sinn für Realismus: Nicht nur reine Klimaschutzmaßnahmen wie CO2-Einsparziele sind im Vertrag zu finden. Auch ganz konkret geht es bereits um Projekte, wie sich Augsburg an den Klimawandel anpassen muss, etwa durch Frischluftschneisen und Kühlprojekte. Der Bereich „Mobilität” nimmt ebenfalls einigen Platz im Vertrag ein, was sicher auch dem Bürgerbegehren zur Fahrradstadt geschuldet ist. Entsprechend finden sich einige Forderungen aus dem Begehren wieder. Beachtung verdienen die Maßnahmen für Fußgänger. So soll unter anderem die Maximilianstraße autofrei werden, um mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu schaffen. Überhaupt müssen sich Autofahrer auf einige Veränderungen einstellen, auch wenn die Partner betonen, dass sie keineswegs das Auto als Verkehrsmittel verdrängen wollen. Trotzdem soll verstärkt und konsequenter die Geschwindigkeit kontrolliert werden. Die Karolinenstraße soll zum verkehrsberuhigten Bereich umgebaut und ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern eingeführt werden, wo es möglich ist. Zur Hälfte der Legislaturperiode soll zudem ein Mobilitätsreferat entstehen. Im Komplex „Wohnen und Bauen” lässt der Punkt „sozialgerechte Bodennutzung” aufhorchen. Bei städtebaulichen Verträgen wird der Anteil an gefördertem Wohnungen auf 40 Prozent angehoben. Die städtische Wohnbaugruppe WBG soll bis zum Jahr 2026 1000 zusätzliche geförderte Wohnungen bauen und insgesamt will die Stadt die „Gemeinwohlorientierung am Wohnungsmarkt” stärken. Mit dem Koalitionsvertrag liefern CSU und Grüne freilich auch gleich die Ansatzpunkte für die künftige Opposition. Denn im Kulturbereich steht ein klares Bekenntnis zur Sanierung des Staatstheaters, wie sie bisher geplant war. Die SPD und auch die Freien Wähler hatten sich im Wahlkampf für eine Prüfung des Konzepts ausgesprochen, das werden sie nun vermutlich deutlicher und schärfer wiederholen. Wie viel von den Plänen wirklich umgesetzt werden kann, können auch die Partner noch nicht sagen, wie sie ehrlich in ihrer Präambel bekennen. „Dieser Koalitionsvertrag wird unter dem Einfluss der aktuellen Ereignisse rund um die Corona-Krise geschlossen”, heißt es da. Diese Krise werde Augsburg länger beschäftigen und die wirklichen Herausforderungen stünden der Politik erst noch bevor. „Stadt der Chancen für alle”