Bereits seit Monaten versuche die Initiative im Stadtrat „Verständnis zu wecken” für eine Neuplanung des letzten Teilareals der Reese-Kaserne, die die historischen Gebäude als Erinnerung an einen Teil der Augsburger Stadtgeschichte bewahrt. Die Initiative schickte nun erneut einen Brandbrief an Oberbürgermeister Kurt Gribl. In den vergangenen Jahren hatten sich die Gebäude um den ehemaligen Exerzierplatz als Räume für Augsburgs Kreativszene etabliert. Nun entsteht auf dem Reese-Areal ein neues Wohngebiet für rund 2500 Menschen. Etwa die Hälfte der Wohneinheiten ist bereits fertiggestellt. Für diese neuen Einwohner und den Rest der Bürger im Stadtteil Kriegshaber soll der westliche Teil des Areals zu einer Grünfläche als Teil des „Reese Parks” werden. Dieser ist ein zentraler Bestandteil des Kriegshaber Ortsteilentwicklungskonzepts. Bislang habe die Reese-Kaserne den Stadtteil in der Mitte zertrennt und ein wirkliches Zusammenwachsen der Siedlung verhindert, heißt es im Entwicklungskonzept der Stadt aus dem Jahr 2014. Die zentrale Grünfläche soll im Gegensatz dazu künftig die Quartiere verbinden. Außerdem soll ein allgemeines Grünflächendefizit im Stadtteil dadurch ausgeglichen werden. Der Bau des Parks mit einem rund 700 Meter langen zentralen Weg, Pflanzflächen, einem Rodelhügel, Spielplätzen und Sportflächen wurde 2019 weitgehend abgeschlossen. Auch ein Teil der noch stehenden Reese-Kaserne soll Bestandteil der rund 16 Hektar großen Parkanlage werden. Für die zusätzliche Grünfläche müssen die historischen Gebäude weichen. Abgerissen werden vorerst drei ehemalige Veranstaltungsorte im Westen des Areals, der Club „Kantine”, die Kradhalle und das Reese-Theater. Sie sind seit dem vergangenen Jahr geräumt und für den Abbruch bereit. Einen Aufschub gewährt die Stadt aktuell noch für drei ehemalige Kasernengebäude in der Sommestraße, die als Teil des „Kulturpark West” an verschiedene Augsburger Künstler vermietet waren. Dort sollen nach dem Abriss zusätzliche Wohnungen entstehen. Der Auszug einiger Ateliers läuft allerdings langsamer als geplant ab, weil es bei der Schaffung von alternativen, preisgünstigen Räumen für die Musiker und Künstler zu Verzögerungen kommt. In rund einem Jahr sollen dann allerdings auch am Kulturpark West die Abrissarbeiten beginnen. Viele der ehemaligen Mieter des Kulturparks sowie Betreiber und Besucher der Veranstaltungsstätten sehen dem Abriss der Kasernengebäude wehmütig entgegen. Womöglich wird das Gaswerkgelände, das ebenfalls in Kriegshaber liegt, wie vorgesehen zu einem neuen Treffpunkt für Augsburgs Kreativ- und Musikszene. Bislang sind dort 80 Künstler aus dem Kulturpark West eingezogen, die Brechtbühne des Staatstheaters hat sich fest im Augsburger Veranstaltungskalender etabliert. Aktuell wird das Reinigergebäude ausgebaut. Wenn die Sanierung wie geplant bis zum Spätsommer 2021 abgeschlossen ist, sollen dort 60 Bands in eigenen Räumen untergebracht werden. Im Kühlergebäude starten bald die Arbeiten an einer Multifunktions-Eventfläche, junge Start-Up-Unternehmen sollen noch in diesem Jahr in die ehemalige Direktorenvilla, im kommenden Jahr dann auch in das Portalgebäude ziehen. Doch die Unterzeichner des Brandbriefs besorgt nicht der Verlust eines Augsburger Kulturzentrums, sondern vor allem der eines wichtigen Zeugnisses deutscher und Augsburger Geschichte. Nur das Kulturhaus Abraxas, ursprünglich als Offizierskasino gebaut und von den Amerikanern als Freizeitzentrum genutzt, soll erhalten bleiben. Doch das gesamte Teilareal zeuge von einem halben Jahrhundert amerikanischer Militärpräsenz und deren Verwebung mit der Augsburger Stadtgesellschaft, betont Alex Blümel. Die Stadt habe eine Verantwortung „für diesen Teil ihrer neueren Stadtgeschichte”. Bei den Gebäuden, die bald abgerissen werden sollen, handle es sich um das letzte Ensemble von Militärgebäuden in Augsburg. Sie seien nicht nur zwölf Jahre lang von den Nationalsozialisten genutzt worden, sondern erzählten auch von der Befreiung, dem Wiederaufbau und der Demokratisierung mit Hilfe der Amerikaner, von „einem halben Jahrhundert, in dem unser Land zu dem wurde, was es heute ist”. Tausende amerikanische Soldaten waren in Augsburg stationiert. 1998 endete dieses jahrzehntelange Kapitel der Augsburger Geschichte aber endgültig. Die amerikanischen Truppen zogen ab, ihre ehemaligen Gebiete wurden umgenutzt, wurden im Laufe der Zeit zu Wohn- oder Gewerbegebieten. Einige Wohnhäuser der Amerikaner werden noch heute genutzt. Immer wieder besuchen Amerikaner Augsburg als Teil ihrer persönlichen oder der Familiengeschichte. „Doch was finden all diese Personen vor, wenn sie zu uns kommen”, fragt der Brief der Initiative. „Sie suchen die Spuren unserer gemeinsamen Geschichte nahezu vergebens”. Von den drei Kasernen, die einst die Stadt prägten, bleibe bald keine Spur zurück. Den Brandbrief unterschrieben neben der Initiative unter anderem zwei Historiker der Universität Augsburg und der TU München, die Bürgeraktion Pfersee, die Baum-Allianz Augsburg und die Augsburger Ortsgruppe des Bund Naturschutz. Sie fordern ein Moratorium, sodass der im März neu gewählte Stadtrat erneut über das Thema entscheiden kann. „Wir fordern Sie nachdrücklich auf, den mehr als zehn Jahre alten Bebauungsplan und die dort damals festgehaltenen Bauziele zu ändern und damit den Erhalt dieser stadt- und zeitgeschichtlich so wichtigen Gebäude und des Platzes zu sichern”, heißt es im Brief an den Oberbürgermeister. „Dieses letzte Militärensemble dieser Epoche auf räumlich sehr begrenztem Areal hat das Potenzial, zum Herzen des gerade neu entstehenden Viertels zu werden.” „Das letzte Ensemble von Militärgebäuden in Augsburg”