Der Angeklagte erscheint am Freitagmorgen mit seinem Verteidiger Marc Armatage vor Gericht, mehrere Ordner voller Akten hat allerdings nicht der Jurist, sondern der Mann auf der Anklagebank dabei. Als Staatsanwalt Nicolas Pfeil den 32-Jährigen mit den Vorwürfen konfrontiert, hat dieser die Gelegenheit, seine Version der Geschehnisse zu schildern. Mehr als zehn Minuten lang erzählt der Angeklagte seine halbe Lebensgeschichte, ehe nicht nur die Richterin die Geduld verliert, sondern auch der eigene Anwalt: „Kommen Sie zum Fall”. Das hindert den Kemptner aber nicht daran, über Belanglosigkeiten wie seine Anstellung in einem Fastfood-Restaurant zu erzählen. Als er endlich zur Sache kommt, beteuert er entgegen eindeutiger Beweislage seine Unschuld. Es sei richtig, dass er sich 2015 mit dem 34-Jährigen anfreundete und ihm später sagte, dass er ihn wie einen Bruder liebe. Der ältere der beiden äußert vor Gericht etwas anderes: „Ich liebe dich und hasse dich”, soll der Angeklagte gesagt haben. Als er den 32-Jährigen um mehr Abstand bat, fing dieser an, den 34-Jährigen mit Anrufen, Kurznachrichten und E-Mails zu belästigen. Schließlich erstellte der Mann gefälschte Mailadressen und verschickte eine Bildmontage, für die er das Profilbild des 34-Jährigen verwendete und daraus eine Erotikanzeige mit eindeutigen Angeboten erstellte. „Das hat er dann auch zugegeben”, erklärt der 34-Jährige. Mit diesem Wissen suchte der angehende Priester die Hausleitung des Augsburger Priesterseminares auf. Dort berichtete er über die auffällige Verhaltensweise des 32-Jährigen. Im Hinblick auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche könne er es nicht mit sich und seinem Glauben vereinbaren, wenn so jemand später als Priester mit Kindern zu tun haben werde, erklärt der 34-Jährige. Der Angeklagte, der laut Gutachter unter einer Persönlichkeitsstörung leidet, erstellte mit falschen Identitäten mehrere E-Mail-Konten und sendete dem Geschädigten 2017 eine E-Mail zu, in der es um das Priesterseminar ging und sich im Anhang ein Word-Dokument mit dem Namen „Bewerbungsunterlagen” befand. Darin zu sehen waren mehrere kinderpornografische Bilder. Er manipulierte den Absender einer E-Mail so, dass er die Personalien des Geschädigten beinhaltete und schickte sich selbst eine Nachricht mit den Bildern. Zudem teilte er der Polizei in deren Kontaktformular im Internet mit falschen Identitäten mit, dass sein Kommilitone Kinderpornos verbreite. „Es ist bemerkenswert, was für ein wahnsinniges Konstrukt erstellt wurde”, erklärt der Staatsanwalt. Als die Richterin dem Angeklagten das letzte Wort erteilt, redet dieser sich knapp 20 Minuten um Kopf und Kragen und präsentiert abermals seine Ausreden zu den Vorwürfen. So wäre bei ihm eingebrochen worden und jemand hätte sich in seinen Computer gehackt und dann Kinderpornos versteckt, die schließlich die Polizei entdeckte. Dumberger braucht nur wenige Minuten zur Urteilsfindung, für sie steht fest, dass sich der 32-Jährige alles „an den Haaren herbeigezogen” habe. Angeklagter leidet unter Persönlichkeitsstörung