Als der Vermieter im April dieses Jahres erfuhr, dass der Interessent kein Deutscher ist, legte er laut den Vorwürfen des Klägers schlichtweg auf. Das Gleiche bei einem zweiten Anruf. Der 45-jährige Interessent wird in seinem täglichen Leben regelmäßig mit Alltagsrassismus konfrontiert und hatte nun genug: Er verklagte den Vermieter auf Unterlassung und eine Geldauflage von 1000 Euro. Denn laut Grundgesetz ist es in Deutschland verboten, jemandem „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität” den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen zu verwehren, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen - dazu zählt auch Wohnraum. Ursprünglich hofften der Kläger und sein Anwalt Ugur Kör vor allem auf Einsicht beim Vermieter. Wenn er vor Gericht zustimmen würde, Wohnungsannoncen künftig nicht mehr mit dem Wortlaut „an Deutsche” zu versehen, ließe sich über die Höhe der Geldauflage noch einmal reden, betonte Kör im Oktober. Zu einer solchen Einigung kam es allerdings nicht, denn der Vermieter sah sich nicht in der Schuld, war der Meinung, die Klage müsse komplett abgewiesen werden. Bereits im November hätte eigentlich ein Urteil verkündet werden sollen. Doch dann gab der 81-jährige Vermieter plötzlich an, sich aufgrund seiner Demenz an die Gespräche mit dem Kläger gar nicht mehr zu erinnern. Dass die Gespräche so wie vom Interessent beschrieben stattgefunden hatten, hatte er zuvor allerdings nicht bestritten. Richter Andreas Roth rief zu einer zweiten Verhandlung auf, um den Sachverhalt noch einmal genauer zu klären. In der zweiten Verhandlung fragt Roth beim Kläger gestern genauer nach. Warum genau wollte er nach Augsburg ziehen? Wie sahen die privaten Beweggründe aus? Und wie war es nach den Telefonaten dazu gekommen, dass er ein Gedächtnisprotokoll von den Gesprächen anfertigte? Es geht wohl vorwiegend um die Frage, ob beim Kläger ein echtes Mietinteresse bestanden hatte. Das nämlich bestreitet der Vermieter, der zwar angibt, sich an den Inhalt des Gesprächs nicht mehr zu erinnern, wohl aber daran, dass der Anrufer nicht wie ein „wirklicher Interessent” gewirkt hatte. Als der Kläger erklärt, dass er sich im Rahmen seiner Bewerbung als Referent des Projekts „MigrAktiv”, koordiniert vom Augsburger Projekt „Tür an Tür”, bereit erklärt hatte, nach Augsburg zu ziehen, und außerdem seine Lebensgefährtin in Augsburg lebe, glaubt ihm das der 81-Jährige nicht. Für ihn ist der Kläger ein „verdeckter Ermittler”. Dass der 45-Jährige eine Lebensgefährtin in Augsburg hat, will er ebenfalls nicht glauben. „Ich bestreite die Existenz dieser Dame in dieser Form”, sagt er. Außerdem will er vom Kläger noch wissen, ob „die Dame eine Farbige” ist, und ob „auch die Wohnung von der Bundesrepublik bezahlt” werden sollte. Dass „MigrAktiv” zwar vom Bund gefördert wird, der 45-Jährige aber ein ganz normales Gehalt verdient, akzeptiert der 81-Jährige erst nach einer ausführlichen Klarstellung des Richters. Der befragt schließlich den Beklagten selbst, konzentriert sich vor allem darauf, wen genau er mit dem Zusatz „an Deutsche” ansprechen wollte. Es gehe ihnen vor allem um die deutsche Staatsangehörigkeit, beteuern der Beklagte und sein Sohn, auch Menschen mit Migrationshintergrund seien für sie kein Problem. Man wolle nur für Sicherheit in der Wohnanlage sorgen, meint der Sohn. Und sein Vater merkt auf genauere Nachfrage noch an, man müsse ja verhindern, dass „dschihadistische Attentäter aus Obervolta” in die eigene Wohnung ziehen. „Obervolta” existiert seit 1984 nicht mehr, heißt inzwischen Burkina Faso - also das Land, aus dem der Mann, der ihm am Gericht gegenüber sitzt, stammt. Schließlich murmelt der 81-Jährige noch etwas über Morde an weißen Frauen in Obervolta, und die Zuschauer in dem bis zum letzten Besucherplatz gefüllten Raum können sich dem Raunen, einzelnen Lachern und Kopfschütteln nach zu urteilen nicht mehr entscheiden, ob sie den Auftritt des 81-Jährigen bestürzend oder einfach nur grotesk finden. Richter Roth kündigt am Ende erneut eine Urteilsverkündung an. Am kommenden Dienstag soll feststehen, ob der 81-Jährige die Wiedergutmachung bezahlen und künftig auf die Formulierung „an Deutsche” verzichten muss, oder ob das Gericht die Klage des 45-Jährigen zurückweist. Urteilsverkündung am 10. Dezember