Sie lebt von Arbeitslosengeld II. Die 100-Quadratmeterwohnung liegt eigentlich über ihrem Budget, doch auf dem angespannten Wohnungsmarkt hat die 56-Jährige bisher keine günstigere Alternative gefunden. Ihr Sohn, der als Bäcker arbeitet und mit seiner Freundin momentan noch in der Wohnung lebt, zahlt die Differenz. Trotzdem wird das Geld für die alleinerziehende Mutter immer wieder knapp. Für einkommensschwache Familien können hohe monatliche Abschlagsbeträge oder Nachzahlungen bei der jährlichen Stromrechnung zu großen finanziellen Problemen führen. Aufgrund unbezahlter Rechnungen sei es 2018 deutschlandweit sogar zu 300 000 Stromsperrungen gekommen, erzählt Sunni Strewe, die für die Caritas die Augsburger Stromspar-Checks leitet. Dann geht auf einmal gar nichts mehr: Kein Licht, kein heißes Wasser, keine Ladegeräte. Besonders schlimm sei das, wenn auch noch Kinder im Haus leben. Um solche Fälle möglichst zu verhindern, aber auch, um den Familien schlichtweg ein sorgenfreieres Leben zu ermöglichen, bietet die Augsburger Caritas nun seit über zehn Jahren Stromspar-Checks für sozialschwache Familien, Rentner und manchmal auch Studenten an. Auch Cornelia Schneider hat sich entschieden, zwei Mitarbeiter des Teams zu sich nach Hause einzuladen. Während sich Sunni Strewe und ihr Mitarbeiter Peter Hartmann an den Esstisch setzen, um den Ablauf des Checks zu erklären, fallen ihnen sofort die Glühbirnen in der Hängelampe ins Auge. „Wir können Ihnen hier LED einbauen”, meint Hartmann. Bis zu 90 Prozent an Energie könne dadurch im Vergleich zu Glühbirnen eingespart werden. Auch die anderen Leuchtmittel in der Wohnung sollen durch LED-Lampen ersetzt werden. Die Kosten für solche kleine Sofortmaßnahmen werden bis zu einem Betrag von 50 Euro übernommen. Dazu gehört in der Wohnung von Cornelia Schneider etwa auch ein wassersparender Duschkopf. Die nächste Priorität sei häufig der Kühlschrank, erklärt Hartmann. Ihr Gerät sei wohl so zehn bis 15 Jahre alt, meint Schneider. Bei vielen älteren Geräten steige der Stromverbrauch allerdings stark an. „Und Sie haben kein Geld, einen neuen Kühlschrank zu kaufen”, mutmaßt Hartmann. „Ne”, sagt die 56-Jährige. „Ne, das geht nicht.” Da besonders Kühlschränke häufig wahre Stromfresser sind, bietet der Stromspar-Check hier besondere Unterstützung: Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Kauf eines neuen Kühlschranks mit 100 Euro unterstützt werden. Um den Verbrauch des alten Geräts zu prüfen, bringt Peter Hartmann ein Langzeitmessgerät an. Mit einem Clipboard geht er dann mit der 56-Jährigen durch die ganze Wohnung und schreibt erst einmal mit. „Wie häufig läuft denn die Spülmaschine”, fragt er. „So einmal am Tag”, sagt Cornelia Schneider. „Dann, wenn sie voll ist.” Das sei lobenswert, erklärt Hartmann. Bei einer großen Familie und einem gut ausgenutzten Füllvolumen sei das sparsamer als das Spülen von Hand. „Können Sie mir mal einen Topf auf den Herd stellen?” Für den gewählten Platz sei der Topf eigentlich zu klein, erklärt er dann. Er sollte genau zur Platte passen, und immer mit einem Deckel verwendet werden. Seit Beginn der Stromspar-Checks sind Sunni Strewe und Peter Hartmann schon dabei. Bald habe er seine tausendste Beratung, erzählt Hartmann. „Wenn man in einen Haushalt kommt, ist das erst einmal eine Revierverteidigungssituation.” Vielen Leuten sei es etwa unangenehm, wenn Fremde ihre Unordnung sehen. „Aber wir machen es sehr klar, dass uns so etwas komplett egal ist. Mir ist es auch egal, ob der Fernseher 20 Stunden am Tag läuft. Uns geht es nur darum, dass wahrheitsgemäße Angaben gemacht werden, damit wir wirklich helfen können.” Die Leute tauen meist schnell auf. „Ich als Frau erfahre dann oft auch über andere persönliche Probleme, zum Beispiel in der Ehe oder Erziehung”, erzählt Sunni Strewe. Sie empfiehlt den Frauen häufig, sich an Pro Familia zu wenden, die ebenfalls zur Caritas gehört. Manchmal komme man allerdings durchaus in Verhältnisse, „die an die Nieren gehen”, erzählt Hartmann. Ein großer Teil der Arbeit sei neben den Hausbesuchen und der Auswertung der Ergebnisse auch die Akquise - also das Werben für die Beratung. Cornelia Schneider erfuhr über das Zukunftskolleg, eine neunmonatige Maßnahme zur beruflichen Wiedereingliederung der SKM, von den Stromspar-Checks. Doch Sunni Strewe versucht auch im Jobcenter, bei den Tafeln, Schwangerschaftsberatungen, Tür an Tür oder auf Messen für den Service zu werben. Im Jahr können rund 250 bis 300 Checks durchgeführt werden. Gerne würde Sunni Strewe mehr machen, doch mit nur vier Mitarbeitern, die für 41 Gemeinden und Augsburg zuständig sind, sei das kaum möglich. „Das Projekt liegt mir sehr am Herzen”, erzählt sie. „Es ist etwas, das den Menschen wirklich hilft, und auch dem Umweltschutz dient.” Bei ihrem Job beim Zukunftskolleg ist sie bereits in Rente, doch die Stromspar-Checks will sie auf jeden Fall noch bis 2022 machen. Die Beratung wird inzwischen an vielen Orten bundesweit angeboten und vom Umweltministerium finanziert. In der Region unterstützen die Landkreise Aichach-Friedberg und Augsburg sowie die Städte Neusäß, Königsbrunn, Gersthofen und Friedberg das Projekt mit jährlichen Beiträgen. 2018 wurden in Augsburg 200 Checks durchgeführt und dabei insgesamt rund 177 000 Euro für Strom, Wasser und Warmwasser gespart. „Etwas, das Menschen wirklich hilft”