Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 27.08.2019 23:00

Fahndung per Facebook

Vermisstenmeldungen werden immer häufiger von Privatpersonen auf Facebook, WhatsApp und Twitter veröffentlicht; in der Region zuletzt Anfang August die der beiden Bobinger Kinder. Einige Wochen zuvor wurde per Facebook nach dem Königsbrunner Zwergpony Samy gesucht, das angeblich von Unbekannten gestohlen - viele Kommentatoren sprachen auch von entführt - wurde. Wie im Bobinger Fall lag allerdings auch in Königsbrunn die Auflösung im privaten Umfeld.

Die Polizei, die bei entsprechenden Voraussetzungen freilich selbst Vermisstenaufrufe veröffentlicht, sehe die private Veröffentlichung von Suchmeldung nach Personen durchaus kritisch, erklärt Michael Jakob. Der Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord erläutert auch gleich die vielfältigen Gründe: Zum einen habe „der Verfasser in der Regel kein Hintergrundwissen, was vonseiten der Polizei bereits an Maßnahmen getroffen wurde beziehungsweise aktuell gemacht wird”. Auch zu den konkreten Umständen oder den Hintergründen des Vermisstenfalls, der durchaus gar keiner sein könne, sei Privatpersonen häufig wenig bekannt. Zum anderen: „Gerade bei identifizierbaren Personensuchen müssen die Persönlichkeitsrechte des ,Gesuchten' gewahrt werden.” Sprich: Wer Bilder einfach so einstellt und Namen veröffentlicht, verstößt womöglich gegen das Gesetz.

„Nach dem Auffinden beziehungsweise der Rückkehr des Gesuchten vergisst das Netz nichts - für Privatpersonen wird es insofern schwer, veröffentlichte Bilder oder Suchmeldungen, vor allem wenn diese x-fach geteilt wurden, wieder zu löschen”, sagt Jakob.

Hinzu komme, dass derartige Meldungen im Netz oftmals spekulative Kommentierungen über den Aufenthaltsort des Gesuchten verursachen oder Gerüchte schüren. Schließlich wisse nur die Polizei, welche Aufenthaltsorte bereits überprüft wurden und welche überhaupt realistisch sind.

Im Fall der Bobinger Kinder koordiniert die Einsatzzentrale Augsburg die Suche rund um das Wohngebiet sowie im angrenzenden Wald und den Feldern, nachdem die Familie die Kinder schließlich auch offiziell als vermisst gemeldet hat. Mehrere Polizeistreifen sind unterwegs. Die Wasserwacht sucht zudem das Wertachufer ab. Am nächsten Morgen veröffentlicht das Polizeipräsidium eine offizielle Vermisstenfahndung - mit dem Zusatz „Hinweise, dass die Kinder Opfer einer möglichen Straftat geworden sind, liegen nicht vor”. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die privaten Suchmeldungen bereits weit verbreitet.

Zeitgleich verfolgt die Polizei eine andere Spur: Die Kinder leben bei einer Pflegefamilie, die Einsatzkräfte suchen bei leiblichen Verwandten nach den beiden. Schließlich wird die Polizei fündig. Details werden nicht publik gemacht, denn es gilt, die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten zu wahren.

Auf ihren Kanälen in den Sozialen Netzwerken und über die Presse informiert das Präsidium, dass die Kinder gefunden wurden. Über diese Plattformen habe man die Möglichkeit, falschen oder nicht mehr aktuellen Suchmeldungen gegenzusteuern, sagt Jakob. Er erklärt auch, dass eine Öffentlichkeitsfahndung bei echten Vermisstenfällen „immer gut begründet und die Ultima Ratio” sein müsse. „Andere umfangreiche Fahndungsmaßnahmen sollten hier ausgeschöpft sein. Denn durch eine derartige Publizierung greift man erheblich in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen ein”, betont der Polizeisprecher. Eine öffentliche Vermisstenfahndung könne in Absprache mit Angehörigen durchaus sehr schnell erfolgen. Beispielhaft seien vermisste Kinder beziehungsweise Jugendliche, aber auch suizidgefährdete Menschen zu nennen, erläutert Jakob.

Wichtig jedoch: „Wir reden hier nur von Fahndungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr. Wird nach einer Person wegen einer begangenen Straftat gesucht, muss ein richterlicher Beschluss für eine Öffentlichkeitsfahndung vorliegen.” Bei Personensuchen müssen die Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben

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