Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 30.01.2023 16:59

Urnen müssen draußen bleiben

In Hilgertshausen   muss die Urne von Verstorbenen während der Beisetzung im Leichenhaus bleiben. Das soll sich nach dem Willen von Bürgermeister Markus Hertlein jedoch ändern. 	Foto: Josef Ostermair (Foto: Josef Ostermair)
In Hilgertshausen muss die Urne von Verstorbenen während der Beisetzung im Leichenhaus bleiben. Das soll sich nach dem Willen von Bürgermeister Markus Hertlein jedoch ändern. Foto: Josef Ostermair (Foto: Josef Ostermair)
In Hilgertshausen muss die Urne von Verstorbenen während der Beisetzung im Leichenhaus bleiben. Das soll sich nach dem Willen von Bürgermeister Markus Hertlein jedoch ändern. Foto: Josef Ostermair (Foto: Josef Ostermair)
In Hilgertshausen muss die Urne von Verstorbenen während der Beisetzung im Leichenhaus bleiben. Das soll sich nach dem Willen von Bürgermeister Markus Hertlein jedoch ändern. Foto: Josef Ostermair (Foto: Josef Ostermair)
In Hilgertshausen muss die Urne von Verstorbenen während der Beisetzung im Leichenhaus bleiben. Das soll sich nach dem Willen von Bürgermeister Markus Hertlein jedoch ändern. Foto: Josef Ostermair (Foto: Josef Ostermair)

Denn der für die Pfarreiengemeinschaft Tandern zuständige Pfarrer Michael Heinrich erteilte dem Ansinnen der Seniorin eine klare Absage. „Der Pfarrer hat auf die Kommune verwiesen”, berichtet die Hilgertshausenerin. Die Gemeinde, so setzte es ihr der Seelsorger auseinander, habe per Satzung geregelt, dass Urnen nicht in die Kirche gehörten, sondern bis zur Beisetzung in der Leichenhalle bleiben sollen.

Regine Goldbach ist über die Haltung des Geistlichen verärgert. In anderen Bundesländern, sagt sie, sei eine Urne in der Kirche kein Problem. „Ich habe auch beim Erzbischöflichen Ordinariat München angerufen, da hat es geheißen, das sei jeweils die Entscheidung des Pfarrers.” Dass Heinrich sich auf die Gemeinde beruft, könne sie darum nicht verstehen. In der Kirche habe doch wohl eher der Pfarrer etwas zu sagen, nicht der Bürgermeister.

Bürgermeister, Markus Hertlein hat sich kürzlich zu dem Thema im Hilgertshausener Gemeinderat geäußert - und ziemlich klar Stellung bezogen. An der Gemeinde Hilgertshausen-Tandern, stellt Hertlein klar, werde es nicht scheitern, dass Urnen zur Trauerfeier aus dem Leichenhaus in die Kirche gebracht werden können. „Die Verwaltung wird sich die derzeitige Satzung genau anschauen”, sagt der Rathauschef. Man werde prüfen, ob Verwaltungsanweisungen oder eine Anpassung beziehungsweise Änderung der Satzung nötig sind.

Sollte dies der Fall sein, werde die Verwaltung einen Änderungsvorschlag erarbeiten, der dem Gemeinderat dann zur Beschlussfassung vorgelegt wird. „Ich denke, der Gemeinderat würde mit den nötigen Änderungen mitgehen”, zeigte sich Hertlein optimistisch.

Zudem, versprach der Bürgermeister, wolle die Gemeinde prüfen, welche Auswirkungen eine Anpassung auf die Gebührensatzung haben werde. Dazu seien möglicherweise Gespräche mit dem beauftragten Bestattungsunternehmen nötig. Die geistliche beziehungsweise spirituelle Bewertung der Thematik „Urnen in der Kirche” hingegen sei Sache der Kirche, er habe darüber auch mit Pfarrer Heinrich gesprochen.

„Ich würde mich aber sehr freuen, wenn die Kirche damit kein Problem hätte”, betont Hertlein. Sollte es Hinderungsgründe geben, etwa aus spiritueller Sicht, „würden dies viele Menschen wohl nicht verstehen”. Dies sei ihm von mehreren Seiten von Bürgerinnen und Bürgern so zugetragen worden, erklärte der Bürgermeister dem Gemeinderat.

In der Tat gibt es vonseiten des Bistums Augsburg, in das die Pfarreiengemeinschaft Tandern eingegliedert ist, gewisse Vorbehalte gegen Urnen im Gotteshaus. „Schon seit über zehn Jahren sind die Priester des Bistums Augsburg gehalten, die Aufstellung von Urnen in katholischen Kirchen beim Requiem abzulehnen”, teilt dazu Prof. Gerda Riedl, Leiterin der Hauptabteilung Grundsatzfragen im Bischöflichen Ordinariat, auf Nachfrage mit. Ein Grund dafür liege in dem Umstand, dass der Leib des Verstorbenen durch die Kremation vernichtet werde und dadurch „die personale Dimension des Verstorbenen” nur noch schwer erkennbar sei.

”Personale Dimension des Verstorbenen” nach Kremation nur noch schwer erkennbar

„Im Bistum Augsburg würden wir es deshalb sehr begrüßen, wenn die Särge Verstorbener - wo die räumlichen Gegebenheiten dies zulassen - während des Requiems in der Kirche aufgebahrt würden.” Damit, so die Professorin, die an der Universität Augsburg Dogmatik lehrt, käme stärker zum Ausdruck, was in der kirchlichen Glaubenstradition der Sinn des kirchlichen Begräbnisses ist: „Gebet für den Verstorbenen, Ehrung seines Leibes und Trost der Hoffnung auf ein Wiedersehen für die Lebenden.”

Dies gelte unabhängig davon, ob es anschließend zu einer Erdbestattung oder einer Einäscherung des Leichnams kommt. Was das konkret heißt: Wer sich unbedingt eine Totenfeier im Beisein des Verstorbenen mit anschließender Urnenbeisetzung wünscht, muss das Requiem vor der Kremation feiern. Dann kann der Sarg mit in die Kirche, die Beisetzung der Urne findet zu einem späteren Zeitpunkt statt. Riedl schlägt eine weitere Möglichkeit vor: Statt die Urne in der Kirche auszustellen, könnten die Hinterbliebenen ein Foto des Verstorbenen aufstellen.

Grundsätzlich, stellt die Professorin fest, empfehle die katholische Kirche aber nachdrücklich „die Erdbestattung Verstorbener”, auch wenn die Urnenbeisetzung von Katholiken unter gewissen Umständen seit 1963 zulässig sei.

„So wird sinnfälliger erlebbar, dass die christliche Existenz und insbesondere auch die Hoffnung auf Auferstehung der Verstorbenen auf das Engste mit Jesus Christus verbunden ist, der nach seiner Kreuzigung auch in ein Grab gelegt wurde, ehe er von den Toten auferstand.” Außerdem werde die Würde des menschlichen Leibes, der nach katholischer Glaubensüberzeugung durch die Taufe Wohnstätte des Heiligen Geistes geworden sei, durch die Erdbestattung stärker gewahrt.

„Da die Praxis, die Särge Verstorbener beim Requiem in der Kirche aufzubahren, leider wenig geübt wird, würde die generelle Erlaubnis einer Aufstellung der Urnen den ohnehin erkennbaren Trend zur Urnenbeisetzung zudem noch verstärken”, macht Gerda Riedl deutlich.

Wo sich Regine Goldbach und ihr Mann Dieter nun letztendlich beisetzen lassen, wissen sie noch nicht. „Vielleicht gehen wir nach Baden-Württemberg, wo unser Sohn lebt, vielleicht irgendwo anders hin”, sagt die 86-Jährige. Wo ihre letzte Ruhestätte liege, sei ihr nicht so wichtig, sagt die Seniorin, nur eben das Wie des Abschieds.

Ob sie sich vorstellen könne, nach ihrem Tod in Hilgertshausen zu bleiben? Darüber müsse sie noch nachdenken, denn noch immer sei sie sehr verdrossen über die strikte Haltung des Pfarrers, drückt sich die 86-Jährige diplomatisch aus.

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