Mit solchen beschäftigt sich im Landkreis Augsburg eine eigene Kommission. Im Landkreis Aichach-Friedberg hat man sich entschieden, auf die bayernweite Lösung zu warten. Wobei mancher meint, Einzelfallentscheidungen brächten neue Ungerechtigkeiten. Lieselotte Hartwich kritisiert: „80 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. Die werden aber nicht zeitnah geimpft und die Pflegenden auch nicht. Diejenigen, die Angehörige daheim versorgen, werden mit drei kostenlosen FFP2-Masken abgespeist.” Wer im Heim gepflegt wird, habe bessere Chancen auf eine Covid-19-Impfung als derjenige, der daheim umsorgt wird. „Da wird mit zweierlei Maß gemessen”, ärgert sich Mutter Hartwich. Auch weil „zweierlei Maß” nicht nur hinsichtlich der Corona-Impfung gelte, sondern auch, wenn es um eine neue Pflegestufe gehe oder um Hilfsmittel, für deren Kosten die Krankenkasse aufkommen solle. „Da werden Leute permanent benachteiligt.” Ähnlich sieht das Johannes Kuderna, Einrichtungsleiter der Ulrichswerkstätten (UWA) in Aichach. „Wir fragen gerade ab, wer von unseren Beschäftigten hier geimpft werden will. Mit den konkreten Zahlen werden wir dann zusammen mit Vitolus die Impftermine koordinieren. Wir wollen das für unsere Leute hier so unkompliziert wie möglich gestalten”, sagt er. Eine Unterstützung, die andere, die daheim gepflegt werden, nicht haben. Die Bewohner der Wohnheime seien so gut wie durchgeimpft (Gruppe 1); Kuderna hofft, dass das mit Gruppe 2 auch bald funktioniert. Einen Zeitplan gebe es noch nicht. „Alle reden von Inklusion. Das heißt, man soll jedem die gleichen Chancen geben - auch was die Corona-Impfung angeht. Härtefallregelungen müssen möglich sein. Das muss schnellstmöglich umgesetzt werden. Da zählt jede Woche”, stellt Lieselotte Hartwich klar. Einzelfallentscheidungen hat Ende Januar Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) in einer Regierungserklärung versprochen. Dazu trat gestern bundesweit eine überarbeitete Impfverordnung in Kraft. Darin steht: Es kann in Einzelfällen von der eigentlich festgelegten Reihenfolge abgewichen werden, und anders als bisher sollen Personen mit bestimmten schweren Krankheiten schneller berücksichtigt werden. Organtransplantierte zählen dazu und auch zwei enge Kontaktpersonen von Menschen, die zu Hause gepflegt werden. Eine Einzelfallkommission gibt es übrigens als bayernweit einzigartiges Projekt im Landkreis Augsburg. Diese entscheidet, welche Personen als Härtefälle ausnahmsweise schneller geimpft werden können. Wie Medienberichten zu entnehmen ist, ist die Resonanz auf diese Kommission groß. Besetzt ist das Gremium mit Experten aus Medizin und Recht. „Ich kann mir vorstellen, dass es in allen Landkreisen Bürger gibt, die als Härtefälle gelten dürften”, wurde Landrat Martin Sailer (CSU) zitiert. „Es muss doch möglich sein, solche Fälle vorzuziehen. Das macht unsere Gesellschaft auch ein Stück weit aus.” Mit dem Thema Einzelfallkommission hat man sich auch im Landkreis Aichach-Friedberg intensiv befasst. Landrat Klaus Metzger (CSU) äußerte sich im Rahmen der Pressekonferenz zur Corona-Lage am Mittwoch vergangener Woche: „Eigentlich ist das ein Triage-Verfahren zu entscheiden, wer früher oder später eine Impfung bekommt. Es ist aber nicht Aufgabe einer Kreisverwaltung festzulegen, wer beim Impfen vorzuziehen ist.” Dass nun eine zentrale Stelle beim Freistaat eingerichtet werde, sei der richtige Weg. „Dort gehört die Kommission hin,” findet Metzger. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek hatte erklärt, dass er Einzelfallbeurteilungen nicht grundsätzlich ablehne, dafür brauche es aber „Leitplanken”. Letztendlich gehe es „um das Ringen nach der besten Lösung”. Künftig soll es auf Ebene des Freistaats eine Impfkommission geben, deren Mitglieder „stärker auf die Einzelfälle schauen und seltene Erkrankungen bei der Impfpriorisierung berücksichtigen”. Bis Montag waren dazu noch keine weiteren Details bekannt, etwa wann diese Kommission ihre Arbeit aufnehmen wird oder wie ihr Einzelfälle gemeldet werden können. „Wir erhoffen in Kürze eine klare Aussage. Es wäre wünschenswert, wenn die bayernweite Einzelfallregelung bald käme”, sagte gestern Wolfgang Müller, Pressesprecher des Landratsamts Aichach-Friedberg. Müller erklärt: „Wir können nicht anfangen, Einzelfälle entgegen der Verordnung nach vorne zu ziehen.” Daher sei es auch nicht möglich, Hochrisikopatienten auf die Hop-on-Liste im Landkreis zu setzen. Darum hatte Lieselotte Hartwich gebeten. Die Hop-on-Liste wird herangezogen, wenn Impfstoff übrig ist und spontan verbraucht werden muss. Auf der Liste stehen im Landkreis Feuerwehrkräfte, Polizisten und THW; die Liste soll laut Müller nicht mehr verlängert werden.