Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 27.05.2021 16:58

„Hass ist keine Meinung”: Geldstrafe für beleidigenden Facebook-Kommentar

Stefan Lindauer.  	Foto: Andreas Kirsch (Foto: Andreas Kirsch)
Stefan Lindauer. Foto: Andreas Kirsch (Foto: Andreas Kirsch)
Stefan Lindauer. Foto: Andreas Kirsch (Foto: Andreas Kirsch)
Stefan Lindauer. Foto: Andreas Kirsch (Foto: Andreas Kirsch)
Stefan Lindauer. Foto: Andreas Kirsch (Foto: Andreas Kirsch)

Im Kommunalwahlkampf fand Lindauer unter einem Bild folgenden Kommentar: „Die Schwuchtel wurde gerade befruchtet, weil er so grinst.” Er erstattete Anzeige, obwohl ihm klar war, dass die Urheber häufig nicht entdeckt werden. Doch in diesem Fall hatten die Ermittlungen Erfolg. Das Amtsgericht Passau verurteilte den geständigen Täter wegen Beleidigung. Der arbeitslose Mann hatte zuvor ein Geständnis abgelegt und muss nun 1800 Euro Strafe bezahlen.

Stefan Lindauer, der auch die Internetseite der grünen Landtagsabgeordneten Christina Haubrich betreut, berichtet im Gespräch mit unserer Zeitung, dass beleidigende Kommentare so gut wie täglich auftauchen. Natürlich könne man nicht alle zur Anzeige bringen, aber wenn es strafrechtlich relevant sei oder massiv Grenzen überschritten würden, werde er das weiterhin tun. Im Kreisverband sorge das Thema Hasskommentare unter den Kolleginnen und Kollegen immer wieder für Gesprächsbedarf. Stefan Lindauer würdigt das Engagement der bayerischen Staatsregierung, die ihren Fokus auf die Verunglimpfung und Einschüchterung von kommunalpolitisch Aktiven gerichtet habe.

Hetze im Netz hat eine solche Dimension angenommen, dass Bayern seit 2020 einen Beauftragten in Sachen Hate Speech (Hassrede) hat. Die bayerischen Staatsanwaltschaften haben zudem Sonderdezernenten dafür. Das Bundeskriminalamt ruft dazu auf, Hass, Hetze und verbale Gewalt konsequent bei der Polizei anzuzeigen. Die Strafverfolgungsbehörden würden inzwischen wirklich aktiv und die Anzeigen nicht einfach zu den Akten legen, wie sein Fall zeige, sagt Lindauer.

Bei einer Befragung der Körber-Stiftung, an der 1600 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister teilgenommen haben, gaben 57 Prozent an, schon einmal beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen worden zu sein. Zwei Drittel der Angriffe erfolgten im Internet oder per Mail beziehungsweise Brief. Für Mitglieder von Kommunalparlamenten wurde deshalb vor vier Wochen eine eigene Plattform (stark-im-amt.de) ins Leben gerufen, für die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Schirmherrschaft übernommen hat. Die Mehrheit der Befragten aus der Kommunalpolitik (68 Prozent) hat aus Sorge vor Beleidigungen oder Angriffen sogar ihr Verhalten geändert. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) verzichtet weitgehend auf die Nutzung sozialer Medien.

Anzeigen und Ermittlungen führen nicht immer zum Erfolg. Im November 2019 wurden die Grünen mittels eines Hetzplakats in Pöttmes als „Scheiss Lesben Schwulen Multi Kulti und Kifferpartei” diffamiert, Fotos des Landratskandidaten Stefan Lindauer und der Landtagsabgeordneten Christina Haubrich wurden durchgestrichen. Die Täter konnten in diesem Fall nicht ermittelt werden, das Verfahren wurde eingestellt.

Die SPD-Bürgermeisterkandidatin Vanessa Gattung aus dem niedersächsischen Papenburg wurde kürzlich so massiv bedroht, dass sie inzwischen bei öffentlichen Auftritten von der Polizei begleitet wird. „Hass ist keine Meinung”, erklärte sie.

Renate Künast hatte übrigens nach dem Urteil des Berliner Landgerichts Beschwerde eingelegt. Das Urteil wurde ein Jahr später revidiert. Ein Teil der strittigen Posts wurde als Beleidigung eingestuft und ermöglichte ihr, weitere rechtliche Schritte einzuleiten. Frauen werden besonders häufig sexistisch bedroht, aber auch Rassismus, Ausländer- und Schwulenfeindlichkeit haben einen festen Platz in den Hasskommentaren. Behörden reagieren auf zunehmende Verunglimpfung und Drohungen gegen kommunalpolitisch Aktive


Von Robert Edler
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