Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 19.01.2021 18:01

Corona-Ausbruch im Friedberger Krankenhaus

Besonders prekär daran ist, dass Friedberg als Non-Covid-Krankenhaus geführt wird, sprich: Dort sollten überhaupt keine positiv getesteten Patienten aufgenommen werden. Bereits zu Beginn der Pandemie hat man sich darauf verständigt, alle von Corona Betroffenen ausschließlich in Aichach zu behandeln - so lange es die Kapazitäten zulassen und das Hospital der Kreisstadt nicht an seine Grenzen stößt, was bislang nicht der Fall war.

Auf Nachfrage der AICHACHER ZEITUNG bestätigte das Landratsamt die beiden Todesfälle: Ein Patient starb Anfang Dezember, einer zu Beginn dieser Woche. Im Dezember seien 16 Mitarbeiter und 21 Patienten positiv getestet worden. Im Januar sind es bis jetzt elf Mitarbeiter und zehn Patienten.

Unsere Redaktion bekommt täglich vom Landratsamt die aktuellen Corona-Zahlen zugeschickt. Dort wird neben der Sieben-Tage-Inzidenz, die Patientenanzahl der positiv Getesteten an den Kliniken an der Paar sowie die Anzahl der seit März 2020 Verstorbenen im Zusammenhang mit Corona vermeldet. Außerdem ist der aktuelle Stand von Ausbruchsgeschehen, wie zuletzt in den Heimen, Inhalt des täglichen Schreibens.

Vor drei Wochen, am 30. Dezember, hieß es in einer dieser Pressemitteilungen, Patienten aus drei Stationen und Mitarbeiter aus mehreren Bereichen des Friedberger Krankenhauses seien positiv auf Corona getestet worden. „Diese Tests wurden im Rahmen des Testkonzepts routinemäßig freiwillig oder bei Symptomen anlassbezogen durchgeführt”, heißt es weiter. Dabei werden Schnelltests eingesetzt. Fallen diese positiv aus, wird mittels eines so genannten PCR-Tests nachuntersucht. Ist jemand positiv, wird er unmittelbar nach Aichach gebracht, um das Friedberger Haus Covid-frei zu halten.

Aufgrund mehrerer positiver Schnelltests sollte ab 29. Dezember mit den „ersten 100 Testungen” begonnen werden, so der Wortlaut der damaligen Pressemeldung. Bei den Reihentests an den Heimen wurden die entsprechenden Bewohner und Mitarbeiter in einem Aufwasch abgestrichen. Das Ergebnis stand in der Regel zwei Tage später fest und wurde an die Medien vermeldet. Nicht so im Fall des Friedberger Krankenhauses. Seit 30. Dezember gab es keine weitere Meldung bezüglich des Ergebnisses der ersten 100 Tests, was ungewöhnlich ist. Nachfragen Ende der vergangenen Woche ergaben keine Klarheit.

Wenn sich Patienten in einem Krankenhaus mit einem Erreger infizieren, spricht man von einer nosokomialen Infektion. Bereits ab zwei Fällen handelt es sich laut Robert-Koch-Institut (RKI) um ein Ausbruchsgeschehen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes. Das Gesundheitsamt ist zuständig für die Ermittlung der Ursache, sucht Ansteckungsquellen und leitet Schritte ein, um die weitere Ausbreitung zu verhindern. Zu dem vor Ort arbeitenden Ausbruchsteam gehören neben dem Gesundheitsamt in der Regel die Verantwortlichen der betroffenen Einrichtung, schreibt das RKI.

Niemand konnte bestätigen, dass eine Begehung des Gesundheitsamtes am Friedberger Krankenhaus zur Maßnahmenüberprüfung, die das Ausbruchsgeschehen eindämmen und beenden sollen, stattgefunden hat: Das ist in anderen Fällen absolut die Regel.

Wie das Virus in das Krankenhaus gekommen ist, ob durch Mitarbeiter oder Patienten, wird im Nachhinein schwer nachzuvollziehen sein. Fest steht, dass der schlimmste anzunehmende Fall eingetreten ist, wenn negativ Getestete sich im Krankenhaus anstecken und sogar versterben.

Nosokomiale Infektionen und Ansteckungen von Mitarbeitern im Gesundheitswesen stellen eine außerordentliche Herausforderung dar. Bereits bei einem einzigen Fall in einem Bereich, der nicht für Covid-19-Patienten vorgesehen ist, muss laut RKI umgehend gehandelt werden. Dabei sei ein gemeinsames Vorgehen in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt wichtig.

Inwieweit es diese Abstimmung gegeben hat, bleibt unklar. Denn der Geschäftsführer der Kliniken an der Paar, Dr. Hubert Mayer, sagt auf Anfrage unserer Zeitung: „Ich weiß nicht, ob das Gesundheitsamt vor Ort war.”

Die verantwortlichen Mitarbeiter seien im täglichen Austausch mit der Behörde. Er selbst habe mit Dr. Kirsten Höper, die seit der Absetzung von Dr. Friedrich Pürner das Gesundheitsamt Aichach-Friedberg leitet, telefoniert. Dabei ging es unter anderem um Testverordnungen für die Krankenhausmitarbeiter, die seit Oktober gelten. Denn diese können aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht zu einem Test gezwungen werden. Weiter erklärt Mayer, den im November die Regierung von Schwaben zum ärztlichen Corona-Koordinator für den Regierungsbezirk Schwaben bestellt hatte: „Ich glaube nicht, dass groß was schief gelaufen ist.” Die Zahlen und Aussagen unserer anonymen Quelle kann er nicht bestätigen: „Vor Silvester sind 300 Mitarbeiter getestet worden. Dabei waren sieben positiv.” Stand gestern seien seines Wissens drei Mitarbeiter positiv, dazu gebe es sieben Verdachtsfälle.

Ob sich ein Patient „bei uns Corona geholt hat, kann ich nicht sagen”, lässt Mayer verlauten. Die Tests - Antigen-Schnell- und PCR-Tests - seien in ihren „Aussagewerten unterschiedlich”: Es komme vor, dass jemand heute positiv und morgen negativ oder drei Tage negativ und am vierten Tag positiv ist. Gleichzeitig betont Mayer, die Kliniken an der Paar hätten „ausgeklügelte Hygienepläne”, und es würden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen unkontrollierten Infekteintrag ins Krankenhaus zu verhindern. Auf die Frage, ob es trotz aller Bemühungen passiert sei, antwortet Mayer: „Ich kann nicht sagen, ob das der Fall ist.”

Gesundheitsamtsleiterin Dr. Kirsten Höper ist seit Tagen für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Sie antwortete weder auf eine E-Mail-Anfrage samt Rückrufbitte noch war sie telefonisch zu sprechen. Wie ist das Virus in die Klinik gekommen?


Von Tanja Marsal
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