Pürner hatte vorgestern ein Protokoll vorgestellt, das chronologisch aufzeigt, wie sich das neuartige Corona-Virus im Awo-Heim ausbreitete. 17 Menschen starben, bei elf geben die Totenscheine die Virusinfektion als ursächlich an. Sechs Awo-Bewohner starben „mit Corona”, hatten also andere teils schwerwiegende Krankheiten plus Covid-19. Das Gesundheitsamt ist sich sicher, dass ein Ausbruch der Infektion hätte verhindert werden können, wenn die Leitung des Awo-Pflegeheimes sofortige Notfallmaßnahmen ergriffen hätte. Aber erst zehn Tage nach dem ersten Coronafall im Maria-Simon-Heim sei das Gesundheitsamt von Covid-19-Fällen informiert worden. Schon Tage davor hätten Mitarbeiter und Bewohner aber typische Symptome gezeigt (wir berichteten). Der Bezirksverband Schwaben der Arbeiterwohlfahrt wehrt sich gegen den Vorwurf, die Aichacher Hausleitung sei untätig gewesen: „Im Gegensatz zu den öffentlichen Vorwürfen des Gesundheitsamts sind keine gravierenden Fehler im Bereich der Infektionshygiene aufgetreten. Einzelne eher untergeordnete Kritikpunkte sind der noch nie so aufgetretenen Belastungssituation geschuldet”, schrieben der schwäbsche Awo-Vorsitzende Heinz Münzenrieder und Vorstandsvorsitzender Heinz Egger schon vergangene Woche. Münzenrieder schob am Mittwochabend nach, man werde sich nun nicht mehr an der öffentlichen Diskussion über „angebliche Verfehlungen” und „bedauernswerte Vorkommnisse in unserem Haus in Aichach” beteiligen. Man konzentriere sich auf das Wochenende und den Muttertag, zu dem alle bayerischen Alten- und Pflegeheime wieder für einzelne Besucher zu öffnen sind. Die schwäbische Awo-Führung hatte seit Anfang April angemahnt, das Gesundheitsamt solle Reihentests durchführen, um festzustellen, wie viele Personen im Heim tatsächlich Träger des Sars-CoV-2-Virus sind. Am 22. und 23. April fand diese Testung statt, am Mittwoch wurden die Ergebnisse bekannt gegeben. Unter 154 Untersuchten wurden 16 unentdeckte Corona-Infektionen festgestellt. Friedrich Pürner misst diesem Massentest mit Rachen- und Nasenabstrich nicht die Bedeutung zu wie die Awo-Verantwortlichen. „Diese Tests sind nur eine Momentaufnahme”, sagt er. „Wer heute negativ getestet wird, kann morgen schon infiziert sein.” Die Testergebnisse seien auch nicht hundertprozentig sicher. Ein Abstrich im Rachenraum könne ein negatives Ergebnis zeitigen, obwohl noch Coronaviren in der Lunge aktiv sind; Andersherum könnte sich auch ein positives Ergebnis zeigen, wenn sich im Rachen des Patienten bereits inaktive Viren eingenistet haben. Pürner: „Die erfolgreichste Methode, einen Infektionsausbruch in einem Krankenhaus oder Pflegeheim rechtzeitig zu stoppen, ist, die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen einzuhalten.” Bei der Awo sei das nicht passiert. Pürner vermutet „systemische Fehler” beim Qualitäts- und Hygienemanagement in manchen Awo-Häusern.