Ursache war ein Fehler des Fahrdienstleiters, der vom Aichacher Bahnhof aus dem Passagierzug die Anfahrt gewährt hatte. Dort stand aber bereits der wartende Güterzug. Aichach verfügt über keine selbstständige Gleisfreimeldeanlage, deren technische Sicherung das Einfahren in besetzte Gleise verhindern kann. Das vorhandene mechanische Stellwerk ist im Jahr 1949 in Betrieb genommen worden. Der Fahrweg muss vom Fahrdienstleiter „durch Hinsehen” überprüft werden, wie es in dem 28-seitigen Bericht der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung geschrieben steht. Aus der Abhandlung geht weiter hervor, dass der wartende Güterzug für den Zugführer erst 130 Meter vorher zu erkennen war. Der 37-Jährige leitete bei einer Geschwindigkeit von 90 Stundenkilometern noch eine Schnellbremsung ein, doch die bis zum Zusammenprall verbliebenen 57 Stundenkilometer reichten für die verheerenden Folgen aus. Hintergrund des Untersuchungsberichts ist es, die Ursachen des Unglücks von Aichach aufzuklären und daraus Hinweise zur Verbesserung der Sicherheit abzuleiten. Mit der Sicherheit im Bahnverkehr beschäftigt sich der Sohn der verunglückten 73-jährigen Frau seit dem Unfall. Daniel Scheerer versprach, „nicht mehr zu ruhen, bis alle Stellwerke und Bahnübergänge auf dem technisch neuesten Sicherheitsstand sind”. Dafür hat der Münchner unter anderem im Januar dieses Jahres eine Online-Petition an den Deutschen Bundestag gestartet. Rund 650 Unterstützer trommelte er zusammen. Für eine persönliche Anhörung vor Abgeordneten des Petitionsausschusses wären 50 000 Stimmen notwendig gewesen. Sein Ergebnis findet Scheerer dennoch beachtlich, bedenkt man, dass er „als Einzelkämpfer” lediglich mit der Veröffentlichung von einigen Presseberichten und der Rekrutierung persönlicher Kontakte zu dieser Anzahl von Unterstützern kam. Ob er dennoch vor dem Gremium vorsprechen darf - was möglich ist - steht in den Sternen. Grund: Corona. „Derzeit herrscht auch hier Stillstand”, sagt Scheerer auf Nachfrage unserer Redaktion. Er lässt sich dadurch aber nicht entmutigen und hofft: „Vielleicht lernen wir durch Corona, auf die zu hören, die sich auskennen.” Dem Fahrdienstleiter, der es versäumt hatte, dem Passagierzug die Einfahrt zu verweigern und Hilfssperren anzubringen, machte Daniel Scheerer von vornherein keinen Vorwurf. Strafrechtlich ist der Unfall längst aufgearbeitet. Der 26-jährige Fahrdienstleiter wurde wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Gefährdung des Bahnverkehrs zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Scheerer indes geht es um viel mehr: „Es ist ein gesellschaftliches Problem. Es geht um Profit.” Nur so funktioniere die Marktwirtschaft. „Wir müssen nachhaltiger werden”, wünscht sich der Informatiker. Der 52-Jährige fordert einen gemeinnützigen Betrieb der Infrastruktur im Zugverkehr und keinen gewinnorientierten.