Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 03.05.2020 15:21

Aichach braucht erstmals einen Nachtragshaushalt

Stadtratssitzung   in Corona-Zeiten: In der TSV-Turnhalle reicht der Platz, um den notwendigen Abstand einzuhalten. 	Foto: Erich Hoffmann (Foto: Erich Hoffmann)
Stadtratssitzung in Corona-Zeiten: In der TSV-Turnhalle reicht der Platz, um den notwendigen Abstand einzuhalten. Foto: Erich Hoffmann (Foto: Erich Hoffmann)
Stadtratssitzung in Corona-Zeiten: In der TSV-Turnhalle reicht der Platz, um den notwendigen Abstand einzuhalten. Foto: Erich Hoffmann (Foto: Erich Hoffmann)
Stadtratssitzung in Corona-Zeiten: In der TSV-Turnhalle reicht der Platz, um den notwendigen Abstand einzuhalten. Foto: Erich Hoffmann (Foto: Erich Hoffmann)
Stadtratssitzung in Corona-Zeiten: In der TSV-Turnhalle reicht der Platz, um den notwendigen Abstand einzuhalten. Foto: Erich Hoffmann (Foto: Erich Hoffmann)

Die Vorzeichen sind klar: Die Einnahmen brechen an breiter Front weg, die Ausgaben müssen radikal gedrosselt werden. Zum Glück und dank seriöser Haushaltspolitik in den zurückliegenden Jahren liegt Aichachs Schuldenstand mit knapp acht Millionen Euro aktuell so niedrig wie seit 1977 nicht mehr. Andererseits sind die Rücklagen aufgebraucht, es gibt keinen Puffer mehr. Streichen, anpassen, zurückstellen, sparen - „wir werden den ganzen Instrumentenkasten brauchen, um diesen Haushalt abwickeln zu können”, kündigte „Finanzminister” Willi Rottenkolber an.

Der Leiter der städtischen Finanzverwaltung geht Ende des Jahres in den Ruhestand, hatte seinen letzten Haushalt eigentlich schon eingetütet. Einstimmig wohlgemerkt wurde sein wie immer seriöses, bis ins kleinste Rädchen wohl austariertes und vorsichtig kalkuliertes Zahlenwerk nach umfangreichen Vorberatungen in den Ausschüssen dem Stadtrat zur Annahme empfohlen (wir berichteten mehrfach). Doch dann kam Corona. Dass sich das Virus auf Gewerbe und Einkommenssteuer auswirken wird, war sofort klar. Allein: Niemand weiß, in welchem Umfang. Darüber hinaus machte Rottenkolber auf die zahlreichen weiteren „Baustellen” aufmerksam - Corona nistet sich quasi in allen Bereichen ein - von den Schulen und Kindergärten bis zu Mieten und Pachten. Erst etwa bis Anfang Juli rechnet der Kämmerer mit belastbaren Zahlen. Den Haushalt schon jetzt anzupassen, hielt Rottenkolber für undurchführbar und für „ein Märchenbuch”.

Die klare Mehrheit des Stadtrats (19:8 Stimmen) folgte deshalb seinem Vorschlag, den vorberatenen Etat für 2020 zu verabschieden, um die haushaltslose Zeit zu beenden und Rechtssicherheit zu erlangen, laufende Projekte umsetzen sowie notfalls eine Haushaltssperre aussprechen zu können. Vorläufige Ausgabebeschränkungen für freiwillige Leistungen und neue Investitionen hat Bürgermeister Klaus Habermann ohnehin bereits verfügt. Rottenkolber und Habermann versprachen, umgehend mit den Arbeiten für einen Nachtragshaushalt zu beginnen, der nach Möglichkeit im August oder September vorgelegt werden soll. Dass dies für den neuen Stadtrat bedeutet, die Legislaturperiode mit einem Spardiktat zu beginnen, war allen Beteiligten klar. „Wir werden zu manchem Projekt Nein sagen müssen”, machte etwa CSU-Fraktionsvorsitzender Helmut Beck deutlich. Er wie auch seine SPD-Kollegin Kristina Kolb-Djoka signalisierten gleichwohl umgehend, nicht bei der Kinderbetreuung sparen zu wollen. Will heißen: Die dringend notwendige Kinderkrippe auf dem Neusa-Gelände soll in jedem Fall gebaut werden.

Interessant dürften derweil die Debatten um die Erweiterung des Verwaltungsgebäudes werden. Der diesjährige Haushalt wird davon zwar kaum berührt, im nächsten Jahr allerdings wären Millionenbeträge notwendig. Zumindest Helmut Beck erklärte, dass die CSU durchaus bereit wäre, im Sinne der Stadtentwicklung „Investitionsschulden” aufzunehmen, andere Teile des Stadtrats denken derweil schon über ein Verschieben nach. „Alles, was noch nicht begonnen wurde, steht zur Disposition”, betonte Klaus Habermann.

Dass Rottenkolbers vorgeschlagene Vorgehensweise im Grunde alternativlos ist, um die Stadt handlungsfähig zu halten, sah auch Georg Robert Jung, Fraktionsvorsitzender der Freien Wählergemeinschaft, so. Dass seine Fraktion dennoch dagegen stimmte, lag an einem fehlenden Zusatz. Jung wollte schriftlich verankert haben, dass der Stadtrat über sämtliche im Haushalt vorgesehenen Ausgaben in Einzelbeschlüssen zu befinden habe. Lothar Bahn hatte darüber hinaus erklärt, keinem Haushaltsplan zustimmen zu können, dessen Zahlen schon jetzt unrealistisch seien. Erol Duman (BZA) war der gleichen Meinung. Duman hätte bereits jetzt konkrete Sparvorschläge der Verwaltung erwartet.

Einstimmig wurde indessen die Verwaltung ermächtigt, bei dringendem Bedarf beim Landkreis eine zinslose Stundung der Kreisumlage zu beantragen. Bürgermeister Habermann sah darin primär ein Signal, dass die Corona-Folgen nicht nur die Kommunen schultern sollten. Rund 1,2 Millionen Euro überweise Aichach in diesem Jahr pro Monat an den Kreis. Das Stadtoberhaupt versprühte übrigens dann doch schnell wieder Optimismus. Aichach sei wirtschaftlich breit gefächert aufgestellt. Vielleicht werde ja alles gar nicht so schlimm. In einigen Branchen gehe es schon wieder aufwärts. Bei dringendem Bedarf will die Stadt zinslose Stundung der Kreisumlage beantragen


Von Robert Edler
north