In der Verhandlung betonte Hell, dass es sich hier „keineswegs um eine Wirtshausstreitigkeit zwischen Saufkumpanen” handle. „Die Polizeibeamten waren nicht zum Vergnügen auf dem Brauereifest”, ergänzte der Richter - insofern dort für irgendjemanden von Vergnügung die Rede sein könnte, meinte er anschließend genervt. Dass Polizeibeamte derb beschimpft und einer Körperverletzung bezichtigt werden, die sie nicht begangen haben, schien den Richter zu überraschen. Im Juni 2019 soll der heute 29-jährige Aichacher drei Polizeibeamte auf dem Fest in der Marktgemeinde stark alkoholisiert angerempelt und später mehrfach mit wüsten Beschimpfungen bedacht haben, die an dieser Stelle ausgespart werden. Aufmerksam wurden die Beamten auf den jungen Mann, weil dieser an jenem Abend im Juni eine große Schnittwunde im Gesicht hatte. Der Angeklagte selbst gab vor Gericht an, dass er sich daran erinnern könne, dass ihm wohl ein Weizenglas ins Gesicht geschlagen worden war. Der ärztliche Bericht, aus dem der Verteidiger, Rechtsanwalt Ralf Schönauer vorlas, bestätigte das. Wohl aufgrund der Verletzungen hätte er sich vor dem Zusammentreffen mit der Polizei bereits ins Sanitätszelt begeben, sich aber dann doch nicht behandeln lassen, wie eine Polizistin im Zeugenstand erklärte, die nach Auffassung des Gerichts in Kühbach beleidigt wurde und das Geschehen auch mit ihrer Bodycam aufgezeichnet hatte. „Da hat man ihn schon rumschreien gehört”, erklärte ihr Kollege wenig später. Als der Mann aus dem Sanitätszelt herauskam, rempelte er die Beamten an. Auf die Bitte, seine Ausweispapiere vorzuzeigen, reagierte er nicht, sondern beleidigte die Beamten, die ihn anschließend zu Boden rissen und fesselten. Dabei hatte er sich Schürfwunden zugezogen, was beide Polizisten im Zeugenstand bestätigten. Eine angeordnete Blutentnahme wurde im Aichacher Krankenhaus durchgeführt - dort gab der Angeklagte an, der männliche Polizeibeamte sei für die Schnittwunden in seinem Gesicht verantwortlich. Dass das nicht stimmte, stand zuletzt nicht mehr zur Debatte. „Ich habe an diesem Abend das erste Mal seit Langem wieder getrunken”, erklärte der Angeklagte. Er hätte zudem nach dem Vorfall mit dem Weizenglas wohl einfach Angst gehabt und nach Hause gewollt. „Ich verstehe schon”, meinte Hell sarkastisch, „das Opfer sind Sie.” Am Wahrheitsgehalt der Zeugenaussagen zweifelte der Richter nicht. Der Angeklagte widersprach nicht, er gab vor Gericht an, sich an nicht mehr viel erinnern zu können. Außerdem entschuldigte er sich während der Verhandlung bei jedem der Polizeibeamten persönlich. Die Beamten nickten dazu nur mit eisernen Mienen. Walter Hell glaubte dem Mann zuletzt zwar, dass er sich nicht mehr erinnern könne. Immerhin ergab der Bluttest einen Alkoholwert von zwei Promille. Dass seine Trunkenheit strafmildernd gewertet werde, sei allerdings nicht der Fall. „Ich kann nicht saufen und mich dann aufführen wie die Axt im Walde”, meinte Hell, der den Angeklagten letztlich zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilte. Im Gefängnis war der 29-Jährige noch nicht, er hat aber mit der in Aichach verhandelten Tat zwei offene Bewährungen gebrochen. „Wann wollen Sie denn aufhören, Straftaten zu begehen?”, fragte der Richter, der die Erziehungsmaßnahme im Gefängnis für unausweichlich hielt. Bisher wurde der momentan arbeitslose Bauarbeiter wegen Besitzes und unerlaubter Weitergabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige sowie wegen gemeinschaftlichen Diebstahls verurteilt. Vor diesem Hintergrund konnte Hell die Freiheitsstrafe nicht mehr zur Bewährung aussetzen. Der Angeklagte hatte vor der Urteilsniederlegung noch einmal beteuert, dass er nicht wisse, was an jenem Abend auf dem Brauereifest „mit ihm los war”. Amtsgerichtsdirektor Walter Hell: „Ich kann nicht saufen und mich dann aufführen wie die Axt im Walde”