Die letzte Impfpflicht in Deutschland galt für Pocken. Sie wurde 1983 aufgehoben, die Krankheit gilt seit 1980 als ausgerottet. Zuletzt forderte der damalige Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) 2013 eine Masern-Impfpflicht - ohne Erfolg. Am Mittwoch nun brachte der amtierende Minister Jens Spahn (CDU) seinen Gesetzesentwurf durchs Bundeskabinett. Demnach sollen alle Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden oder arbeiten sowie jene, die in einer medizinischen Einrichtung Tätigkeiten ausführen, gegen Masern geimpft sein. Darunter fallen Krankenhäuser, Arztpraxen sowie Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, aber auch Betreuer in Ferienlagern oder Jugendgruppen sowie Jugend-Trainer. Wer keinen Nachweis erbringen kann, wird beim Gesundheitsamt gemeldet und kann mit einer 2500 Euro hohen Geldstrafe belangt werden.
Dr. Friedrich Pürner (Foto), Leiter des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg, hält vom Vorstoß des CDU-Politikers gar nichts und bezeichnet einen Impfzwang als unverhältnismäßig. Ein Blick auf die Zahlen und Fakten rund um die Kinderkrankheit zeige deutlich, dass Deutschland bereits sehr hohe Impfquoten vorweisen könne und sich auf einem guten Weg befinde, begründet Pürner.
So waren im Jahr 2017 bei der Einschulungsuntersuchung 97,1 Prozent der Kinder gegen Masern geimpft. Von Ausrottung einer Krankheit spricht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei einer Impfrate von 95 Prozent. Die zweite Masernimpfung hatten immerhin noch 92,8 Prozent der deutschen Vorschulkinder erhalten. Genau hier liegt für Pürner der Knackpunkt. Statt eines Zwangs möchte er gerne Aufklärung betreiben und fragt sich: „Was passiert zwischen diesen beiden Impfungen?” Offenkundig handelt es sich um keine Impfgegner, sondern um Eltern, die einfach den zweiten Impftermin, der frühestens vier Wochen nach der ersten Gabe erfolgen sollte, „versemmeln”.
Spahn nennt in seiner Argumentation ein erhebliches Risiko der ansteckenden Krankheit. Auch dieses Argument möchte Pürner so nicht stehen lassen. Die Masern rufen in der Regel den typischen Masernausschlag und Fieber hervor. Pürner selbst hat die Krankheit als Kind durchgemacht - ohne Komplikationen. „Es kann zu Mittelohr- oder Lungenentzündungen kommen, aber grundsätzlich sind die gefürchteten Erkrankungen in Deutschland selten”, weiß Pürner, der sich über persönliche Einzelfälle ärgert, die in den Medien breitgetreten werden. „Es handelt sich um eine künstlich erzeugte Hysterie, um politisch etwas durchzusetzen. Angst ist aber ein ganz schlechter Ratgeber”, nimmt der Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen kein Blatt vor den Mund.