Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 08.06.2019 12:00

Defizit steigt: Kliniken massiv unter Druck

Landrat und Geschäftsführer weisen darauf hin, dass es sich um erste, noch vage Zahlen handele. Tatsächlich hatte es in der Vergangenheit im Lauf des Jahres immer wieder sehr hohe Defizitprognosen gebenen, die so dann doch nicht eintraten - erst im vergangenen Jahr war das der Fall. Beschönigen wollen aber weder Kazmierczak noch Metzger die Situation. Beide kündigen an, dass man um massive Umstrukturierungen in beiden Häusern nicht herumkommen werde.

Zusätzliche Brisanz bekommen die Zahlen, die in einer nichtöffentlichen Sitzung vorgestellt wurden, dass sie zusammen mit internem Mail-Verkehr anonym der Presse zugespielt wurden. Für den Klinikchef ein Unding: „Das ist ein Dolchstoß, das beschädigt uns alle und macht die Lage der Kliniken nur noch schwerer”, sagte er im Gespräch mit der AICHACHER ZEITUNG. Darüber, ob die Unterlagen von Kreisräten oder Ärzten weitergegeben wurden, wollten beide nicht spekulieren.

Metzger selbst wollte mit den Zahlen an die Öffentlichkeit gehen, aus dem Werkausschuss gab es aber Bedenken, deshalb wollte man bis zur nächsten Sitzung am 22. Juli warten. Bis dahin sollen auch Maßnahmen ausgearbeitet sein. Klinikleitung wie auch die Ärztliche Direktion haben diesen Auftrag erhalten.

Wie das Ergebnis aussehen wird, lässt sich nicht im Detail, aber doch grundsätzlich absehen. „Wir können nicht an beiden Standorten alles anbieten. Wir müssen die Stärken der Häuser anschauen und dann Schwerpunkte setzen”, kündigte Metzger an. Die Geburtshilfe nahm er davon ausdrücklich aus. Spekulationen, das bedeute das endgültige Aus der Geburtsstation in Aichach, widersprach er. Man werde vielmehr im Gegenteil Stellen für die Wiedereröffnung der Gynäkologie in der Kreisstadt ausschreiben.

Wie erfolgreich das sein kann, steht auf einem anderen Blatt. Denn der Personalmangel in der Pflege wie bei den Ärzten ist einer der Hauptgründe für die negative Entwicklung. In Aichach sind derzeit nur 80 bis 85 Betten in Betrieb, um wirtschaftlich zu arbeiten, müssten es mindestens 110 sein. Nachdem seit kurzem ein neuer Personalschlüssel für die Pflege gilt, könne man nicht alle Betten „hochfahren” - vor allem, nachdem man den Schlüssel, anders als es die Vorschriften vorgeben, auf alle Abteilungen ausgedehnt hat, um das Personal gleich zu behandeln, wie Kazmierczak erklärt.

Die nächste Hiobsbotschaft in diesem Zusammenhang kam gestern. Die Ärztevereinigung Marburger Bund und die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) haben sich auf die Geltung des neuen Tarifvertrags geeinigt. Neben mehr Lohn sieht der weniger Bereitschaftsdienste und Wochenendarbeit für die Ärzte in den Kliniken vor. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die der Klinikchef durchaus begrüßt. Für die Kliniken an der Paar heißt das aber, dass etwa 30 Prozent mehr Ärzte eingestellt werden müssen - wenn man sie denn findet. „Das ist finanziell wie personell nicht darstellbar”, stellt Kazmierczak fest.

Die allgemein schwierige Lage der kleinen Krankenhäuser ist seit langem bekannt, die chronische Unterfinanzierung ist ein Problem, das in der Bundesgesundheitspolitik seinen Grund hat. Denn abrechnen können Kliniken nur medizinische Leistungen. Fehlt Personal, können weniger Leistungen erbracht werden, die Patienten werden weniger. Bei den Verhandlungen mit den Krankenkassen, die demnächst anstehen, fällt den Kliniken das auf die Füße: Denn weniger Patienten bedeuten auch weniger Geld. Womit sich der Teufelskreis weiterdreht.

Nicht nur Kazmierczak und Metzger fordern deshalb ein Umdenken in der Gesundheitspolitik und der Krankenhausfinanzierung; und nicht nur sie nehmen dabei auch die örtlichen Bundestagsabgeordneten in die Verantwortung.

Zur Misere hat auch ein unglaublich schlechter Lauf, wie man im Sport sagen würden, beim neuen Aichacher Krankenhaus beigetragen. Dass es im ersten Jahr nach dem Umzug noch Anlaufschwierigkeiten geben würde, war klar. Dann konnte wegen Personalmangels die Geburtsstation gar nicht erst eröffnet werden. Die folgenden Diskussionen überdeckten alles andere und führten zu einem Negativbild in der Bevölkerung. Dann grassierte ein Noro-Virus im Haus. In Friedberg wiederum wurde mittlerweile eine Hauptabteilung für Gynäkologie eingerichtet, die aber viel Geld kostet, weil mit Leihärzten gearbeitet wird.

Gleichwohl geben sich Metzger wie Kazmierczak kämpferisch. Für Aichach gebe es viele Bewerbungen von Pflegepersonal, so dass bis Ende des Jahres die Kapazität wohl voll ausgenutzt werden kann. Im Übrigen sei es die völlig richtige Entscheidung gewesen, das Krankenhaus neu zu bauen. Für den Klinikchef ist es nun wichtig, dass die notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen schnell und konsequent umgesetzt werden. Er ist überzeugt, dass genau die kleinen Krankenhäuser überleben werden, die das machen. „Aber das ist eine politische Entscheidung”, betont er, wohl wissend, dass der beginnende Kommunalwahlkampf genau das schwierig macht und mancher Politiker wohl vor unpopulären Maßnahmen zurückschreckt.

Unkenrufen und Gerüchten, wonach der 50-Millionen-Euro-Neubau in Aichach bald geschlossen werden könnte, tritt der Landrat dagegen entschieden entgegen: „Quatsch, gar nichts wird zugemacht.” Landrat zu Gerüchten über Schließung: „Quatsch, gar nichts wird zugemacht.”


Von Verena Heisserer
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