Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 07.03.2019 12:00

Dreist, dumm oder nur verliebt? Mit falschem Pass in die JVA

Die hatte er im Frühjahr vergangenen Jahres noch im Gefängnis geheiratet. Auch ein kleines Kind hat das Paar, das aber bei einer Pflegefamilie lebt. Richter Hell hätte nach eigenem Bekunden sogar ein gewisses Verständnis für den Angeklagten gehabt und wäre geneigt gewesen, Milde walten zu lassen. Wer große Sehnsucht nach seiner Verlobten hat, macht schon mal dumme Sachen. Der Besuch der eigenen Geliebten ist natürlich nicht strafbar, was übrigens auch für die Flucht aus Kaisheim an sich gegolten hätte. Grundsätzlich ist der Ausbruch aus einem Gefängnis in Deutschland nämlich nicht strafbar. Damit respektiert der Gesetzgeber den natürlichen Drang nach Freiheit. Es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass Häftlinge während ihrer Flucht meistens weitere, sogenannte Begleittaten begehen, um überhaupt entfliehen zu können. Hell hätte sich halt gewünscht, dass der 46-Jährige zugegeben hätte, mit dem falschen Pass in Aichach vorstellig geworden zu sein. Damals wurde nach dem Augsburger längst gefahndet. Nur mit falschem Pass konnte er der sofortigen Festnahme entgehen. Doch den Gefallen eines Geständnisses tat der nicht gerade sportlich wirkende Mann, der nach eigenen Worten in seiner abenteuerlichen Stuntman-Zeit mehrere Wirbelbrüche erlitten hat, dem Aichacher Amtsgericht nicht. Im Gegenteil. Der 46-Jährige reagierte wütend und empört auf das Urteil und kündigte noch im Gerichtssaal an, sich jetzt einen Top-Anwalt zu nehmen und durch alles Instanzen zu ziehen.

„Ich war es nicht, das war mein Bruder”, beteuerte der Angeklagte mehrfach. Warum auch sollte er denn so blöd gewesen sein, erst aus der JVA Kaisheim auszubrechen, um dann freiwillig in ein anderes Gefängnis zu gehen? „In Aichach sind doch überall Kameras. Außerdem kennen die mich dort doch alle seit 15 Jahren”, führte der Mann aus. Seiner Meinung nach habe sich da nur eine andere Gefangene auf seine Kosten eine Haftverkürzung erschleichen wollen. Tatsächlich war man dem „Missbrauch von Ausweispapieren” nur durch die Aussage einer Mitgefangenen der 28-jährigen Ehefrau des Angeklagten auf die Schliche gekommen. Im Rahmen einer langen Befragung in einem anderen Fall ließ sie die abenteuerliche Geschichte fallen, die ihr die Kollegin auf dem Gang erzählt hatte.

Möglicherweise war die stolz auf ihren coolen Gatten, der nur für sie ein solches Risiko eingegangen war. Gestern vor Gericht machte die junge Frau von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Dafür legte der Gatte nach: „Alle Medien berichteten über meine Flucht, das konnte jeder wissen.” Richter Hell ließ sich wenig beeindrucken. Nein, so berühmt wie der Angeklagte vielleicht gerne sein wolle, sei er nun mal nicht. Hell glaubte der Mitgefangenen, die aus der JVA vorgeführt wurde, wo sie derzeit noch immer einer mehrjährige Haftstrafe absitzt.

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Von Robert Edler
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