Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 24.11.2018 12:00

Aids: Viele verheimlichen es

Rudolf Sommersperger aus Augsburg etwa. Der 59-Jährige ist HIV-positiv. Als er die Diagnose bekam, lebte er in Kühbach. Sein damaliger Arzt in der Marktgemeinde hat sich viel Zeit genommen, ihm das Ergebnis einer Untersuchung schonend beizubringen. Und ihm am Ende zu erklären: „Mit viel Glück haben Sie noch fünf Jahre zu leben.” Das sei nun 25 Jahre her, sagt Sommersperger im Gespräch mit unserer Zeitung.

Der 59-Jährige ist seit 2003 für das AWO-Zentrum für Aidsarbeit Schwaben (ZAS) tätig. Zusammen mit Kollegen besucht er Schulen und führt Schulungen für Arzt- und Pflegepersonal durch. Was er dabei immer wieder erlebt: Teenager, die gerade ihre ersten Erfahrungen mit Sex machen, erzählen, dass es im Überschwang der Gefühle schon mal passieren könne, dass man den „Gummi” vergisst. Außerdem, so Sommersperger, fehle es noch immer an der nötigen Aufklärung: In den Elternhäusern und der Schule sei das Thema HIV und Geschlechtskrankheiten noch immer weitestgehend tabu.

Mancherorts herrsche zudem der Irrglaube vor, der Virus mache an der Stadt- oder Landkreisgrenze Halt. Bei einer Pflege-Schulung im Landkreis Donau-Ries etwa bekam Sommersperger zu hören: „Das interessiert uns nicht, das gibt es bei uns nicht, was natürlich lächerlich ist, weil wir genau wissen, dass HIV auch dort vorkommt.”

Weil HIV-Infizierte nach wie vor Diskriminierung, Tratsch und Beleidigungen ausgesetzt sind, ziehen es viele vor, ihre Diagnose zu verheimlichen, weiß der 59-Jährige. Er selbst ging damit offensiv um, erzählte es Freunden und Familie. Die Reaktion? „Die Freunde von damals habe ich noch immer, zu den Bekannten, die erst mal über alles nachdenken wollten, habe ich den Kontakt abgebrochen.”

Dass es nicht leicht ist mit dem Etikett „Aids” zu leben, zeigen unter anderem Erfahrungen mit Ärzten. „Vor allem Zahnärzte und Mediziner auf dem Land haben oft Vorbehalte, Menschen mit HIV zu behandeln.” Infizierte, die so ehrlich seien und ihre „Krankheit” auf dem Anamnesebogen angeben, erlebten häufig, dass sie abgewiesen werden. „Manche Ärzte fürchten das Infektionsrisiko, andere schieben faule Ausreden vor, sie müssten nach der Behandlung alles extrem desinfizieren”, weiß der Aids-Berater aus Augsburg. Dabei sei die Angst völlig unbegründet.


Von Thomas Winter
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