Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 16.09.2017 12:00

Die Innenwelt der Außenwelt: Aichacher Kunstpreis 2017

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Insofern ist die diesjährige Ausstellung eine Fortsetzung der vergangenen. In der dachten viele Arbeiten den Menschen beziehungsweise das philosophische Konzept des Menschen in die Zukunft weiter - und stellten die Zukunftsfähigkeit unserer von Aufklärung und rationaler Moderne geprägten Idee des Menschen in Frage. Dabei ist der Mensch in diesem Jahr viel weniger präsent, zumindest im realen, körperlichen Sinn. Auch die sozialen, politischen und ökologischen Verweise sind zurückhaltender. Die Werke, darunter viele skulpturale Arbeiten, sind reflexiver, abstrakter, introspektiv. Und in vielerlei Hinsicht herausfordernd.

Wie darf man das verstehen? Als Resignation angesichts des Zustandes der Welt? Eine Verweigerung, die Krise in der Kunst zu spiegeln und zu reproduzieren? Als Rückbesinnung auf das Individuum als letzten Zufluchtsort von Humanität, Ethik und Toleranz? Beides entdecken die beiden Kunstvereinsvorsitzenden Werner Plöckl und Jakob Steinberger in der diesjährigen Ausstellung, auf jeden Fall aber eine Konzentration auf ein Ich, das im Extremfall auch einmal nur um sich kreisen darf.

Als phänotypische Arbeit und gleichsam Metapher dieses Kunstpreises darf deshalb vielleicht „Das perfekte Ich 1” von Katharina Lehmann verstehen; eine dreiteilige Skulptur, bei der unter anderem 15 Kilometer Garn verwendet wurden. Als thematisch und technisch verwandte Arbeit erscheint der Torso „Butoh Tänzerin” aus Draht, Hanf und Gips von Annette Braun, der Bewegung, Dynamik und gleichzeitig Fragilität an der Grenze zur Auflösung vereint.

Ebenfalls symptomatisch für die Ausstellung und ihren Blick ist Johanna Schelles Frauenfigur aus Lindenholz, die mit besorgten Blick über die Schulter nach hinten schaut. Was sie dort sieht?

Vielleicht Fragmente, Bruchstücke einer früher womöglich noch vorhandenen ganzheitlichen Vorstellung vom Menschen und seinem Verhältnis von Welt, wie man Joachim Feldmeiers „Frammento” verstehen mag?

Fast jede der 46 ausgestellten Arbeiten stellt ähnliche Fragen. Eingereicht wurden über 200 Werke, alle Künstler haben einen Bezug zu Bayern, wie es die Ausschreibung verlangt. In diesem Jahr bestand die Jury aus Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann, der Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Aichach-Schrobenhausen Aichach Birgit Cischek, Dr. Thomas Elsen vom Zentrum für Gegenwartskunst H2 in Augsburg, dem Kunstvereinsvorsitzenden Werner Plöckl sowie den Künstlern Patricia Lincke und Stefan Juttner.

Den mit 2500 Euro dotierten Aichacher Kunstpreis vergeben der Kunstverein, die Stadt Aichach und die Sparkasse bereits zum 24. Mal.

Der 24. Aichacher Kunstpreis wird am Sonntag, 17. September um 15 Uhr im San-Depot an der Donauwörther Straße vergeben. Der Publikumspreis wird bei der Finissage am 22. Oktober vergeben. Die Ausstellung ist an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Wieder einmal ein idealer Ausstellungsort: der große Raum des Aichacher San-Depots an der Donauwörther Straße. Besorgter Blick zurück , und was bringt die Zukunft? Johanna Schelles Frauenfigur darf als eine der Arbeiten gelten, die stellvertretend für die wichtigsten Tendenzen der diesjährigen Ausstellung zum Aichacher Kunstpreis stehen. Gleichzeitig ist sie eine der eher seltenen Arbeiten, die das Thema, den Menschen und was er heute ist und sein kann, auch figürlich, körperlich aufgreifen. Fotos: Berndt Herrmann


Von Berndt Herrmann
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