Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 02.08.2018 10:09

Beschleunigt die Digitalisierung unser Zeitempfinden?

Das menschliche Zeitempfinden ist von einer Fülle von Faktoren abhängig. Wissenschaftler nennen vor allem Handlungsroutinen, Stress und Zeitdruck als beschleunigend und Wartezeiten als verlangsamend. Auch die Wirkung der Digitalisierung auf unser Zeitempfinden wird bereits von Zeitforschern ergründet - so etwa von Dr. Isabell Winkler an der TU Chemnitz. In einer der Universität erklärt sie: „Es gibt durch die Digitalisierung potentiell mehr Ablenkung und im Gegenzug kaum noch Wartezeiten, die zur Entschleunigung und zur Achtsamkeit zwingen.” Gegen-Trends lassen sich aber bereits erkennen. Es ist kaum verwunderlich, dass Meditations- und Achtsamkeitskurse eine Hochphase erleben.

Man kann Routinen auch durch spannende Aktivitäten durchbrechen oder dadurch, dass man neue Dinge ausprobiert. Im Alltag hilft es vielleicht auch, das Handy einfach mal gegen analoge Alternativen auszutauschen. Manche von diesen halten sich trotz digitaler Pendants hartnäckig in den Büros, Firmen und Wohnzimmern der Nation - bestimmt nicht ohne Grund. So zum Beispiel der klassische Monats- oder Abreißkalender, der nach wie vor in hohen Auflagen im Handel zu finden ist und für Firmen ein beliebtes Give-away ist, das ebenfalls in teils tausendfacher Auflage bei gedruckt werden kann.

Eine ähnliche Renaissance erleben derzeit auch analoge Terminplaner und vor allem Notizbücher. Auf die Vorteile digitaler Techniken muss man bei der analogen Zeitplanung mittels Notizbuch ebenfalls nicht verzichten: Der YouTuber und Produktdesigner Ryder Carroll hat ein System entwickelt, mit dem sich „die Vergangenheit dokumentieren, die Gegenwart organisieren und die Zukunft planen” lässt,  heißt es in einem . Das Prinzip ist so simpel wie genial: In einem schlichten Notizbuch trägt man alle Aufgaben, wichtige Termine und Notizen ein und weist diesen jeweils spezifische Symbole zu. Ein Monat für Monat erstellter Kalender hilft bei der Organisation und ein Index am Anfang des Buchs schafft den nötigen Überblick.

Dass wir in einer Umbruchzeit zwischen Digitalisierung und analoger Verweigerung leben, spiegelt sich auch in den Produkten der Uhrenbranche wider: Zum einen befördern die populären Smartwatches die Vernetzung des Trägers zu jedem Zeitpunkt, zum anderen setzen einige Uhrenhersteller bewusst auf Entschleunigung. So brachten beispielsweise die Marken Meistersinger, Slow Watch oder Botta-Design mit der traditionsreichen und bereits 1986 entworfenen UNO sehr populäre analoge Uhren mit nur einem einzigen Zeiger auf den Markt. beschreibt Botta-Design wie folgt: „Einzeigeruhren können dazu beitragen, zu einem gelasseneren Umgang mit Zeit zurückzufinden. Sie sind konzipiert für Menschen, die ihre Zeit autonom und bewusst gestalten wollen.” Dadurch dass keine minuten- oder sekundengenauen Zeitangaben mehr abgelesen werden können, soll eine neue Wahrnehmung der Zeit einsetzen. Immerhin ist der Zeiger einer solchen Uhr nur halb so schnell wie ein herkömmlicher Stundenzeiger auf 12-Stunden-Uhren. Dadurch wird Entschleunigung regelrecht sichtbar gemacht.

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