Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Von der Ein-Euro-Jobberin zur Archivarin

<b>Martina Seefried</b> ist Mitarbeiterin im Aichacher Stadtarchiv. In der Praxis angelernt wurde sie vom früheren Museums- und Archivleiter Christoph Lang. Im Sommer hat sie nun auch ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachkraft beendet. (Foto: Nayra Weber)
Martina Seefried ist Mitarbeiterin im Aichacher Stadtarchiv. In der Praxis angelernt wurde sie vom früheren Museums- und Archivleiter Christoph Lang. Im Sommer hat sie nun auch ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachkraft beendet. (Foto: Nayra Weber)
Martina Seefried ist Mitarbeiterin im Aichacher Stadtarchiv. In der Praxis angelernt wurde sie vom früheren Museums- und Archivleiter Christoph Lang. Im Sommer hat sie nun auch ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachkraft beendet. (Foto: Nayra Weber)
Martina Seefried ist Mitarbeiterin im Aichacher Stadtarchiv. In der Praxis angelernt wurde sie vom früheren Museums- und Archivleiter Christoph Lang. Im Sommer hat sie nun auch ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachkraft beendet. (Foto: Nayra Weber)
Martina Seefried ist Mitarbeiterin im Aichacher Stadtarchiv. In der Praxis angelernt wurde sie vom früheren Museums- und Archivleiter Christoph Lang. Im Sommer hat sie nun auch ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachkraft beendet. (Foto: Nayra Weber)

"Es war ein harter Kampf", sagt Martina Seefried, wenn sie auf ihre berufliche Laufbahn zurückblickt. Mit 23 Jahren holt sie den Qualifizierenden Abschlusses der Mittelschule(QA) nach. Es folgen Ein-Euro-Jobs, mit denen die Alleinerziehende für sich und ihren Sohn neben Hartz IV ihren Lebensunterhalt aufbessert. Als Quereinsteigerin kommt sie auf diesem Weg ins Aichacher Stadtarchiv – und findet hier ihre berufliche Leidenschaft. Sie arbeitet sich von der Ein-Euro-Jobberin über Praktikantin und Teilzeitangestellte bis zur fest angestellten Verwaltungsfachkraft hoch. Im Juli hat sie ihre Ausbildung abgeschlossen.

"Archivarin", diese Berufsbezeichnung sei Kolleginnen und Kollegen vorbehalten, die dies anhand eines Studiums erlernt hätten und zum Beispiel ausgebildete Historiker seien, sagt Martina Seefried bescheiden im Gespräch mit unserer Zeitung. Praktisch gesehen macht sie aber genau diesen Job: Sie ist Archivarin für Aichach und unterstützt die Stadtarchiv- und Stadtmuseumsleiterin Sarah Schormair. "Es ist beeindruckend, was Martina geschafft hat", sagt die Historikerin, die 2020 Mitglied im Kuratorenteam der Landesausstellung "Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte" war und im Jahr darauf die Nachfolge von Museums- und Archivleiter Christoph Lang angetreten hat. Der wechselte bekanntermaßen nach Augsburg auf den Posten des Bezirksheimatpflegers. Martina Seefried sei ihr in der Anfangszeit eine große Hilfe gewesen, um sich am neuen Einsatzort einzufinden, berichtet Sarah Schormair.

Martina Seefried dankt der Stadt Aichach und Christoph Lang für diese berufliche Chancen, das betont sie immer wieder. "Lang ist so ein Nachwuchszüchter", sagt sie schmunzelnd. Auch Chefin Sarah Schormair habe schon als Praktikantin mit ihm zusammengearbeitet. Wer Christoph lang kennt, weiß, von wem sich Martina Seefried mit der Leidenschaft hat anstecken lassen, mit der sie heute über ihren Job spricht. "Alles, was ich weiß, weiß ich von ihm", sagt die 43-Jährige. "Jede Veränderung habe ich ihm zu verdanken", macht sie deutlich. Die Arbeit im Archiv biete "viel Eindruck in Vergangenes", sie könne ihren Spaß am Sortieren und Ordnen ausleben und die Arbeit sei sehr abwechslungsreich, sagt sie. Sie findet zudem, eine wissenschaftliche Leiterin und eine praktische Mitarbeiterin wie sie ergänzen sich gut.

"Ich wäre damals niemals drauf gekommen, dass ich mal in der Verwaltung arbeite", erzählt Martina Seefried. Wobei Archivarin auch nicht der klassische Job für eine Verwaltungsfachkraft ist. Ihr Ziel sei es nach dem Ein-Euro-Job gewesen, im Archiv "Fuß zu fassen", doch sie schätzte ihre Chancen als Nichtstudierte auf Dauer als nicht allzu hoch ein. "Da hab' ich schon gekämpft", sagt sie ruhig an der Stelle in der Erzählung über ihren beruflichen Werdegang, an der sie von drei Jobs als Alleinerziehende erzählt.

Martina Seefried kommt ursprünglich aus Ehingen bei Nordendorf, Kreis Augsburg. Dort hat sie die Hauptschule ohne Abschluss verlassen. Den Schwerpunkt ihres Lebens bildete damals das Reiten, sie nahm zu Pferd an schwäbischen, bayerischen und deutschen Meisterschaften teil. Mit 18 Jahren hörte sie damit auf. Als sie auf der beruflichen Hauswirtschaftsschule den Abschluss zur Hauswirtschaftshelferin machte, ist das Hobby allmählich finanziell nicht mehr zu stemmen gewesen, berichtet sie. Daraufhin arbeitete sie vier Jahre lang in der Zubereitung bei einem Fleischerei-Großhandel. Mit 23 Jahren holte sie ihren QA schließlich an einer Abendschule nach, während sie nebenbei "hier und da gejobbt" hat. Zwei Jahre später wurde ihr Sohn Lucas geboren. Nach der Trennung vom Vater ihres Sohnes verschlägt es die damals 28-Jährige schließlich nach Aichach, weil der Kindesvater und dessen Familie im Landkreis wohnen und Freunde von ihr in Augsburg leben.

Den beruflichen Anfang machte Martina Seefried hier mit einem Ein-Euro-Job im Caritas-Sozialkaufhaus. Ihr sei es wichtig gewesen, "wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen", sagt sie. 2010 folgte der zweite Ein-Euro-Job, diesmal im Stadtarchiv und Museum. "Mir hat das Sortieren und Ordnungmachen schon immer gefallen", sagt sie rückblickend. "Eine Stelle war aber keine da." So hing sie ein halbes Jahr Praktikum im Archiv an. Im Oktober 2011 arbeitete sie schließlich neun Stunden wöchentlich im Archiv und zusätzlich in einer Glaserei als "Mädchen für alles". In den folgenden Jahr wurde ihre Stundenzahl im Stadtarchiv stetig aufgestockt, doch auch der finanzielle Druck der alleinerziehenden Mutter stieg. 2016 verlor sie ihre Mietwohnung wegen Eigenbedarf und arbeitete von nun an in drei Jobs, um den Neubeginn für sich und ihr Kind zu finanzieren. Die Stunden im Stadtarchiv wurden aber weiter mehr, so dass sie seit 2019 nur noch dort tätig ist. Bei der Landesausstellung 2020 war sie als stellvertretende Zuständige für Aichach eingesetzt, ein Job, mit dem "auch viel Verantwortung" einherging.

All die harte Arbeit hat sich gelohnt, wie sich im Januar des vergangenen Jahres zeigte: Ihr Vertrag wurde auf eine Festanstellung in Vollzeit mit 39 Stunden erhöht. Im Juni 2021 begann Martina Seefried eine jobbegleitende Ausbildung, einen sogenannten Beschäftigtenlehrgang, an der Bayerischen Verwaltungsschule (BVS) in Augsburg. Diese schloss sie im Sommer dieses Jahres mit einem Gesamtnotenschnitt von 3,0 als Verwaltungsfachkraft ab. Während der rund einjährigen Ausbildung hatte sie ein bis zweimal pro Woche Unterricht, sie musste insgesamt 14 Klausuren ablegen. Ein sechswöchiger Intensiv-Unterricht am Ammersee, zwei schriftliche Prüfungstage und ein fachpraktischer, mündlicher Prüfungsteil bildeten den Abschluss. "Ich hab' mir schon unheimlich schwer getan. Das war schon eine komplett neue Aufgabe in kürzester Zeit", sagt sie. Bereits nach der zweiten Klausur hätten sie Zweifel geplagt, ob sie es schaffen könne. Doch dann hätte sie der Ehrgeiz gepackt. Martina Seefried hat im Zuge der Ausbildung Wissen über kommunale Finanzwirtschaft, Verwaltungsbetriebswirtschaftslehre, Personalwesen, Verwaltungs-, Sozial-, Staats- und Bürgerrecht erhalten. Viel Juristisches also. "Es läuft ja alles zusammen im Archiv. Das schadet gar nicht, wenn man sich da auskennt", erklärt Seefried und verweist auf Datenschutz-Regelungen und Aufbewahrungsfristen.

Um sich weiterzubilden, hat die Wahl-Aichacherin zwei Lehrgänge zur Registratur besucht und die empfohlene Literatur zum Thema, "Behördliche Schriftgutverwaltung" von Heinz Hoffmann, gewälzt. Für praktische Einblicke hat sie am Landratsamt angefragt und sich daraufhin die Registratur dort angesehen.

Das Aufgabengebiet von Martina Seefried im Stadtarchiv in Worten zu erfassen, ist schwer möglich, so umfangreich ist es. Sie sortiert Fotos und Dokumente, die zum Verstehen der Geschichte der Stadt Aichach wichtig sind und dem Stadtarchiv von der Stadtverwaltung, den Gemeinden oder auch Privatpersonen zur Verfügung gestellt werden. Im Gespräch mit der AICHACHER ZEITUNG zeigt sie eine Sammlung eines Mannes, die aus rund 400 Fotos, Familien- und Haus-Chroniken sowie Zeitungsartikeln zum Thema Gaststätten in Aichach besteht. Für die Einzeldokumente hat Seefried sich ein Sortierungssystem überlegt. Nach dem analogen "Ordnungmachen" war dann das digitale Erfassen mit Hilfe von Stichwörtern im Archivprogramm an der Reihe. Grob erfasst hat sie auch eine Sammlung aus dem Nachlass der Familie Beck. Einige Wochen nehmen solche Projekte in Anspruch – wenn man sich wirklich ganz darauf konzentrieren könne, sagt Seefried. Denn auch Anfragen muss sie bearbeiten, etwa von Historikern, Professoren oder Doktoranden.

In zwei Magazin-Räumen finden sich Standesamtsbücher und (Stadt-)Rats-Protokolle, teilweise Jahrhunderte alte Zeugnisse der Lokalpolitik. Im großen Büro sind derzeit noch alte Spitalrechnungen gelagert. Im weitläufigen Gang des Stadtarchivs stehen Bände des Aichacher Amtsblatts und der Aichacher Zeitung in den Regalen. Um weiteren Dokumenten und Bändern Platz zu machen, muss Martina Seefried hier bald umräumen und die Regal neu einsortieren. Demnächst sollen zudem Metallschränke angeschafft werden, um Dias und Filmrollen feuerfest zu lagern. Feuer abweisende Kartons kommen bereits zum Einsatz. Und nebenbei wartet noch jede Menge Geschichte aufs Sortieren und Erfassen, rund 60 Prozent der im Stadtarchiv derzeit gelagerten Kostbarkeiten, schätzt Seefried, sind noch nicht gesichtet. Die Arbeit wird ihr so schnell also nicht ausgehen, "das ist eine Lebensaufgabe", weiß sie.

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