Zwischen Aichach und Heinz Butz besteht eine besondere, auf ihre spezielle Art tatsächlich einmalige Beziehung: Hier hat Werner Asam, Schüler, Freund und Förderer des Münchner Künstlers, am Schneitbacher Weg ein Haus nur für Butz und seine Arbeiten errichtet. Es ist Museum, Galerie und zugleich ein Ort, um Kunst zu betrachten, darüber nachzudenken und darüber zu sprechen. Butz ist im vergangenen Sommer 96-jährig verstorben, kurze Zeit danach auch Asam. Nun ist ein neuer Bildband mit Arbeiten von Heinz Butz erschienen, an dem er noch mitgewirkt hat.
Das von den Kunsthistorikern Peter Pinnau und Andreas Strobl herausgegeben Buch beschäftigt sich mit einem bisher wenig bekannten Aspekt von Butz‘ Werk, mit Kleinskulpturen. Sie sind über Jahrzehnte als Nebenarbeiten entstanden. Teils aus Fundstücken wie weggeworfenen Dosen, Flaschen, Draht, Korken oder Glühbirnen hergestellt, bewegen sich zwischen Skulptur, Objekt, Plastik und Readymade und führten auch im Atelier des Künstlers ein Schattendasein, kaum beachtet auf Regalen zwischen Skizzenbüchern und anderem.
Aus dem Material entstanden Türme, Raketen, Häuser, auch Wolkenkratzer. Denn die Skulpturen mögen zwar klein sein, aber in ihnen steckt, wie Andreas Strobl es nennt, eine innere Monumentalität, die sich dem genauen und geduldigen Blick erschließt. Ja, warum soll das kein Wolkenkratzer sein, warum könnte das nicht eine riesige Skulptur auf einem großen Platz sein?
Insofern sind die Miniaturen auch exemplarisch für die Kunst von Butz und den Umgang mit ihr. Denn es ist, auch in seinen großformatigen Bildern, eine Kunst der leisen Töne, der Stille und der Zurückhaltung, der Bescheidenheit, es ist eine Kunst, die sich nicht in den Vordergrund drängt. Und genauso erlebte man Heinz Butz auch im Gespräch in dem Haus in den Paarauen, beim Gang durch eine neue Ausstellung, die er und Werner Asam dort konzipiert hatten, oder bei den Vorträgen, die bald zum festen Programm gehörten.
Denn Butz und Asam ging es immer auch um die Vermittlung. Nicht im Sinne einer Erklärung von Kunst, es ging ihnen eher um die Vermittlung der Befähigung, sich mit Kunst zu beschäftigten, um eine Schule des Sehens – und des Verstehens. Wobei für beides wiederum Geduld, der Wille zur Vertiefung und die Bereitschaft, kleine Schritte zu machen, die Voraussetzung sind.
„Alles vertragen diese Bilder, nur nicht den flüchtigen Blick. Wenn Sie sich wirklich einlassen, werden sie auch in fünf Jahren nicht fertig mit dem Schauen. Denn Kunst ist das Verstehen jeder einzelnen Linie.“ Was Butz bei einem Vortrag in Aichach im Jahr 2001 sagte, trifft – natürlich – genauso auf seine kleinen Skulpturen zu. Für den flüchtigen Blick bleiben die auf einander gestellten Korken eben auf einander gestellte Korken, für den anderen Blick werden sie tatsächlich zu einer Rakete.
Die Kleinskulpturen vermitteln aber noch eine andere Dimension von Butz‘ Werk: Es geht ihm um das Wesen und das Sein der Dinge. Das mag auf den ersten Blick überraschen, ist das Material seiner Kunst doch so unscheinbar, armselig, weggeworfen, missachtet – Strobl spricht von einem Aschenputteleffekt.
Aber Butz sieht die Möglichkeiten darin, indem er das schäbige, nicht beachtete Grundmaterial zunächst in seinem reinen Sein wahrnimmt, ohne jede Zuschreibung oder Unterstellung einer Bedeutung, um dann aus dieser phänomenologischen Sicht das künstlerische Potential zu entwickeln. So wird, beispielsweise, der Draht zur Linie und die Linie zur Skulptur.
Diesen Weg beschreibt ein Hegel-Zitat, das früher in dem Atelier von Butz in der Münchner Schnorrstraße an der Wand hing: „Das reine Sein als Anfang. Es ist nichts vorhanden, als dass reine Sein als Anfang. In dieser Bestimmung: als Anfang, ist reine Unmittelbarkeit etwas Konkreteres, und es kann analytisch entwickelt werden, was in ihm unmittelbar enthalten ist, um zu sehen, wohin dies weiter führe.“
Das führt in den Kern von Heinz Butz‘ Arbeiten und Denken: Seine Kunst ist nicht narrativ, sondern philosophisch. Der Anlass kann vermeintlich gering und einfach sein, ein Punkt, eine Linie, eine Fläche oder eben ein Stück Draht oder ein Stück Blech; die Denkwege, die davon ausgehen, können unendlich weit sein.

Peter Pinnau/Andreas Strobl (Hg.): Heinz Butz – Kleinskulpturen. Sieveking Verlag,122 Seiten, 25 Seiten