Es ist eine Ausstellung zum Suchen, Entdecken und Finden. Und wer sich in und um Aichach für Kunst interessiert, der wird sicher auch alte Bekannte treffen. Zumindest im übertragenen Sinn. 30 Arbeiten von 30 Künstlerinnen und Künstlern sind derzeit in der Werkstattgalerie der Aichacher Goldschmiedin und Galeristin Uli Schiele zu sehen. Alle haben in der Vergangenheit schon bei ihr ausgestellt, und die Zahl hat natürlich ihren Grund: Seit 30 Jahren gibt es die Werkstatt in der Aichacher Bauerntanzgasse, wo sie und ihre Mitarbeiterinnen sowohl Schmuck herstellen, ausstellen, verkaufen und wie Kunst nicht nur ausstellen, sondern vermitteln.
Schmuck und Kunst, Handwerk und Kreativität, Beratung und Vermittlung, das alles gehört für die Aichacherin zusammen und zu ihrem Beruf, oder besser: ihren Berufen dazu, seit sie 1992 ihre Werkstatt eröffnet hat, zu der 2004 die Galerie kam. Zwar gibt es, wie Uli Schiele erzählt, zwischen den Schmuckkunden und den Kunstinteressierten weniger Überschneidungen, als man denken sollte, aber genau darin sieht sie den Reiz ihrer hybriden Rolle: Die einen jeweils für das andere zu interessieren, vielleicht sogar zu begeistern. Wobei das verbindende Element die Kreativität ist. Sie stellt zauberhafte, wunderschöne, rätselhafte und träumerische Dinge her, ist von ihnen umgeben, begeistert andere davon; Dinge, die manchem unnütz erscheinen, es aber natürlich nicht sind. Ganz im Gegenteil.
Der Weg zu der besonderen beruflichen Doppelexistenz war dabei keineswegs gerade, wie das bei kreativen und erfolgreichen Menschen oft der Fall ist. Eigentlich hatte die Aichacherin einen sozialen Beruf als Ziel, aber auf den – wie sich im Nachhinein herausgestellt hat – guten Rat einer Lehrerin, entschied sie sich für die Kreativität. Nach einem Besuch in der Berufsfachschule für Glas und Schmuck in Neugablonz bei Kaufbeuren war die Richtung klar. Sie begann dort ihre Ausbildung, in der sie schon sehr früh ihren eigenen Stil entwickelte, absolvierte später die Meisterschule in München als Jahrgangsbeste und wurde im Jahr ihres Abschluss auch von der Münchner Kunstakademie als freie Künstlerin anerkannt. Keine Selbstverständlichkeit, wenn man dort nicht studiert hat. Bis heute führt sie ihren Betrieb nicht als Meisterin, sondern als freie Künstlerin.
Insofern hat sie mit der Werkstatt-Galerie auch das genau für sie passende berufliche Umfeld geschaffen. Dort zeigt sie nicht nur ihre eigenen Arbeiten, sondern im Laufe der Jahre haben fast 100 Künstlerinnen und Künstler ausgestellt, manche davon auch mehrfach. Aber wie wählt man aus ihnen zum 30-jährigen Jubiläum 30 aus?
Sie habe auf ihr Bauchgefühlt vertraut, erzählt Uli Schiele bei einem Rundgang durch die Ausstellung. Was eine sympathische Form des Understatements ist. Denn rein mit dem Bauch, mit dem Gefühl hat die fein komponierte und austarierte Ausstellung wenig zu tun. So viele unterschiedliche Stile und Ansätze und Arbeiten in relativ kleinen Räume unterzubringen, ohne dass sie sich gegenseitig in die Quere kommen, erdrücken oder gar neutralisieren, hat viel mit Erfahrung, Geschmackssicherheit und Kunstsinn zu tun. Wie oft in den Ausstellungen in der Bauerntanzgasse, ergeben sich höchst reizvolle und ungeahnte Kombinationen, Kontraste und manchmal auch produktive Konflikte, und es eröffnen sich – im übertragenen Sinn – neue Kunsträume.
Ein gutes Beispiel ist ein ganzes Ensemble an einem Ende des größeren Ausstellungsraums. Im Vordergrund sind dort vier skulpturale Arbeiten aufgereiht: Jutta Körners Stier aus Bronze, die zwei in die „Zukunft!?“ (so der Titel) oder auch die Vergangenheit schreitenden Figuren von Petrus, ein Ziegenkopf von Monika Maria Schultes, mit dem sie die Beziehung von Mensch und Tier mythologisch-historische auslotet, und schließlich ein Pferde-Torso von Ule Ewelt, der dieselbe Thematik aufgreift und, archaisch anmutend, direkt aus einer archäologischen Grabung stammen könnte. Erdige, gedeckte Farben bestimmen diese Reihe, während gegenüber die "Blaue Schnecke" von Ülle Frevel das Thema Tier und Mensch in einem blassen Blau variiert.
Als Kontrapunkt dazu sind an der Wand über den Skulpturen drei Bilder platziert, die jeweils starke Akzente mit Rot, Orange und Gelb setzen. Von Ingrid Olga Fischers „Roses“ über die von einer Norwegenreise inspirierte Landschaft „Finse li“ von Carin E. Stoller bis zu den faszinierend-irritierenden vier Wachteln in Christoph Hessels Bild „Tandoori“.
Die Ausstellung ist reich an solchen Beziehungen und Arrangements, die stets auch einen Mehrwert für jede einzelne Arbeit darstellen. Beispiele gibt es noch viele. Die muss man aber bei einem Besuch der Ausstellung selber suchen, entdecken und finden.

Die Ausstellung „30/30“ ist in der Werkstatt-Galerie Schiele in der Aichacher Bauerntanzgasse Dienstag bis Freitag von 10 bis 12.30 Uhr und von 14 bis 18 Uhr sowie an Samstagen von 10 bis 12.30 Uhr zu sehen.