Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 31.05.2023 18:00

Influencerin aus Aichach-Friedberg: Wohnend Geld verdienen

<b>Dunkler Holzboden</b>, weiße Möbel, dazu ein Mix aus verschiedenen Materialoberflächen: So sieht Andrea Dittrichs Wohnzimmer aus, ein Wohlfühlort für die ganze Familie.
Dunkler Holzboden, weiße Möbel, dazu ein Mix aus verschiedenen Materialoberflächen: So sieht Andrea Dittrichs Wohnzimmer aus, ein Wohlfühlort für die ganze Familie.
Dunkler Holzboden, weiße Möbel, dazu ein Mix aus verschiedenen Materialoberflächen: So sieht Andrea Dittrichs Wohnzimmer aus, ein Wohlfühlort für die ganze Familie.
Dunkler Holzboden, weiße Möbel, dazu ein Mix aus verschiedenen Materialoberflächen: So sieht Andrea Dittrichs Wohnzimmer aus, ein Wohlfühlort für die ganze Familie.
Dunkler Holzboden, weiße Möbel, dazu ein Mix aus verschiedenen Materialoberflächen: So sieht Andrea Dittrichs Wohnzimmer aus, ein Wohlfühlort für die ganze Familie.

Andrea Dittrich hat einen Job, von dem viele junge Menschen träumen: Um Geld zu verdienen, muss sie morgens weder ihr Haus verlassen noch braucht sie eine Ausbildung oder gar ein Studium. Lediglich das Handy muss immer funktionsbereit sein, das ist nämlich ihr wichtigstes Arbeitsgerät. Was die 45-Jährige macht und damit sehr gut verdient? Sie ist Influencerin.

Wem bei dem Begriff spontan ein Dutzend Namen in den Sinn kommen, der ist vermutlich 25 oder jünger. Den über 65-Jährigen wird der Begriff eher wenig sagen. Und alle dazwischen? Denken dabei vermutlich zuerst an Kim Kardashian oder Cristiano Ronaldo. Der portugiesische Fußball-Superstar scheffelt pro Instagram-Post angeblich einen Betrag, wofür „Normalos“ ein ganzes Leben lang arbeiten müssen: rund 1,3 Millionen Euro – eine Summe, die sich dadurch erklären lässt, dass der Freistoß-Protzer mit einem geteilten Bild weit mehr als eine halbe Milliarde Menschen erreicht.

Andrea Dittrich hat sich mittlerweile annähernd 97 000 Follower aufgebaut. Das klingt im Vergleich zu den ganz Großen der Branche nach nicht so viel, entscheidend sei aber, erklärt sie, nicht unbedingt die Community-Größe, sondern ob Content, also Inhalt, und Zielgruppe zusammenpassen, welche Verträge man mit den Unternehmen aushandelt und ob man eine Nische besetzt oder ein Feld beackert, auf dem sich noch zig andere Meinungsmacher tummeln. Zum Vergleich: Werbespots für Makeup und Haarpflegeprodukte machen im Umfeld von „Germany`s Next Topmodel” vermutlich mehr Sinn als in der Halbzeitpause der Champions League. Im Fall von Andrea Dittrich ist der Content übrigens „Wohnen”.

Wer ihr folgt, erhält exklusive Einblicke in ihr Zuhause. Denn Andrea Dittrichs Arbeitsplatz beziehungsweise Ausstellungsraum ist zugleich der Ort, an dem sie mit ihrer Familie lebt. Als Influencerin führt sie ihre virtuellen Gäste gut gelaunt durch die Wohnräume, präsentiert ihren Garten, den gedeckten Festtagstisch, gibt Tipps zu Gestaltung und Deko und erzählt einfach nur kurz von ihrer Katze – um die sich die Community Sorgen macht, wenn sie zwei, drei Tage nicht nach Hause kommt. Ihren Instagram-Auftritt könnte man beschreiben als Wohlfühlpaket aus Wohnideen, Wärme und Lebensfreude, man darf sich bei ihr fühlen wie eine gute Bekannte oder ein Freund.

Doch die Intimität kennt auch ihre Grenzen. Ihre achtjährige Tochter und ihren Mann zum Bespiel sind in den Videos eher selten zu sehen, und wenn, dann nur von hinten. Besonderen Wert legt sie darauf, dass ihr genauer Wohnort nicht bekannt wird, lediglich, dass sie im nördlichen Landkreis Aichach-Friedberg lebt, möchte sie preisgeben. „Ich will nicht, dass plötzlich jemand unangemeldet vor meiner Tür steht”, sagt sie und berichtet von einem Follower aus den USA, der angefragt hat, „ob er bei mir vorbeikommen darf, wenn er das Oktoberfest in München besucht.”

Wie es soweit kam, dass Dittrich mittlerweile Follower bis in Übersee hat? Wie aus der gelernten Krankenschwester eine Expertin für gemütliches Wohnen wurde, deren erstes Buch „Wohnglück” sich seit Wochen auf der Spiegel-Bestseller-Liste hält und die inzwischen für Autogrammstunden in ganz Deutschland angefragt wird? „In meiner Familie, meinem Bekannten- und Freundeskreis hieß es schon immer: Wenn du dir eine Wohnung einrichten möchtest oder ein Haus kaufst, frag erst mal die Andrea.” So sei sie zu ihrem Inhalt, ihrer Berufung gekommen. Nachdem sie wegen ihrer Tochter in ihrem früheren Job im Krankenhaus nicht mehr Schicht arbeiten wollte und ins Marketing gewechselt war, erfüllte sie schließlich einen lang gehegten Traum: Sie vermarktete ihre Wohnideen und sich selbst über Instagram.

Etwa drei Jahre ist es her, dass sie sich auf dem sozialen Netzwerk einen Account eingerichtet hat. Zwei Jahre, berichtet sie, habe es gedauert, sich eine Basis von etwas mehr als 60 000 Followern aufzubauen. In dieser Zeit verdiente sie ihr Geld damit, über Instagram Produkte zu vermarkten. Heißt konkret: Sie präsentierte ihr eigenes Heim mit wechselnden Dekorationen, neuen Einrichtungsgegenständen, und die Leute fragten nach: Wie machst du das, dass es bei dir so toll aussieht? Worauf Andrea Dittrich neben Ratschlägen auch Produkt-Empfehlungen abgab. „Aber immer nur von Dingen, hinter denen ich auch wirklich stehe”, betont die gebürtige Augsburgerin, die wie viele Influencer Wert auf Authentizität legt.

Während dieser zwei Jahre, berichtet Dittrich, postete sie jeden zweiten Tag unter ihrem Firmennamen „myherzenshaus” Bilder, Videos (Reels) und Storys und merkte irgendwann: Da muss noch mehr gehen. Aus den täglichen Nachfragen ihrer Follower, wie sie auch so schön wohnen können wie sie, entstand die Idee zur „Wohn-Dich-glücklich-Akademie”. Dabei berät sie Kundinnen, Haus oder Wohnung einzurichten und ihren Stil zu finden. Mit dieser Form des Mentoring verdient sie inzwischen ihren Löwenanteil, sie ist also nicht mehr nur Influencerin, sondern nutzt ihre Reichweite, um ihr eigenes Produkt an die Frau zu bringen, denn hauptsächlich Frauen sind ihre Kundinnen.

„Ich habe Frauen, die in einem riesigen Haus wohnen, top eingerichtet sind mit superteuren Möbeln, aber sie fühlen sich trotzdem nicht wohl darin”, bekundet die Einrichtungsexpertin, es fehle das Persönliche. Ihr Geheimnis sei, zunächst einmal herauszufinden, was die Leute wirklich wollen. „Vielen ist das gar nicht bewusst. Sie sehen zwar Sachen in Zeitschriften, in Möbelhäusern, beim Stadtbummel oder auf Social Media, die sie schön finden. Bei sich zu Hause merken sie aber schnell: Das passt hier nicht her.” Es gehe nicht darum, sich irgendetwas ins Haus zu holen, das den Nachbarn gefällt oder gerade modern ist.

Oft über Monate hinweg führt Andrea Dittrich mit ihren Mentees, also den Frauen, die sie als Mentorin betreut, sehr persönliche Gespräche. Sie versucht zu ergründen, welche Werte ihnen wichtig sind, in welcher Umgebung sie sich wohlfühlen, was ihr Lieblingscafé ist, in welcher Phase ihres Lebens sie sich befinden, was sie glücklich macht. Das alles macht sie, wie auch ihre Instagram-Performance, online. „Die Frauen müssen bereit sein, in die Innenschau zu gehen”, erklärt Andrea Dittrich ihren psychologischen Ansatz, der sicher auch ein Stück weit Lebensberatung ist.

„Manche weinen dabei”, sagt die Mittvierzigerin, aber am Ende seien die Kundinnen meist sehr zufrieden, „weil wir gemeinsam ein echtes Zuhause für sie geschaffen haben, einen Ort, an dem sie sich wohlfühlen.” Und nebenbei, plaudert die Wohnglück-Expertin aus dem Nähkästchen, profitierten auch die Männer davon, frei nach dem Motto: Happy wife, happy life.

Auf die Frage, wie viel sie mit ihrem Business mittlerweile verdient, lächelt Dietrich vielsagend, genaue Zahlen verrät sie nicht. Doch sie gibt Tipps, worauf es ihrf ankommt: „Man braucht zunächst ein Thema, für das man brennt”, sagt Dittrich. Zusätzlich müsse man sehr fleißig sein und authentisch bleiben. Aber das Allerwichtigste: „Du musst ein Problem lösen, das die Leute haben, sonst nützt es alles nichts.” In ihrem Fall war das: Wie richte ich mein Zuhause so ein, dass ich mich darin wohl fühle, wo ist die Verbindung zwischen äußeren und inneren Räumen? Denn, so die 45-Jährige: „Wenn du weißt, was zu dir passt, vermeidest du Fehlkäufe und bist glücklicher.”

Tipps von der Expertin

Ein gemütliche Zuhause einzurichten, muss nicht unbedingt teuer sein. Wichtig seien die Basics, sagt Andrea Dittrich, zum Beispiel wenige helle Möbel in Kombination mit dunklen Böden, damit könne man viel erreichen. Generell seien Farben sehr wichtige Faktoren, wenn es um unser Wohlbefinden geht. „Sie beeinflussen nachweislich unser Gefühl.“ Im Umgang mit Farbe in Wohnräumen gibt es einiges zu beachten. „Eine einfache Regel ist die 60:30:10 Regel,“ findet Dittrich. Danach sollten 60 Prozent eines Raumes in einer neutralen Farbe wie Weiß gehalten werden, 30 Prozent mit einer Farbe und zehn Prozent mit einer zweiten. „Farbe ist außerdem nie gern allein im Raum“, sagt die Einrichtungsexpertin. „Farbe freut sich immer, wenn sie irgendwo im Raum wieder aufgegriffen wird; dann ist es stimmig.“ Dies kann zum Beispiel in Form von Kissen, Plaids, Bildern oder Blumen geschehen. Damit ein monochromer, also einfarbiger Look belebt wird, sei es wichtig, unterschiedliche Materialien und Strukturen wie Fell, Strick, Leder und Stoff zu mischen. „Sonst wirkt es schnell langweilig.” Wichtig sei es auch, Kontraste zu schaffen. Das heißt zum Beispiel, einen Glastisch eher mit etwas Rustikalem wie einer Holzschale oder einem Rattantablett zu dekorieren und bei einem Holztisch etwas mit einer glatten Oberfläche wie einer silbernen Schale oder einer Glasvase zu wählen.

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    Thomas Winter
    Thomas Winter

    stellv. Chefredakteur

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