Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 29.03.2022 17:40

Hier wächst zusammen, was zusammen gehört

Das sind zwei Aufsätze für Tora-Rollen  , welche die aus Rapperzell stammende Theresa Tyroller gefertigt hat und die nun im Jüdischen Museum in München zu sehen sind. 	Foto: privat (Foto: privat)
Das sind zwei Aufsätze für Tora-Rollen , welche die aus Rapperzell stammende Theresa Tyroller gefertigt hat und die nun im Jüdischen Museum in München zu sehen sind. Foto: privat (Foto: privat)
Das sind zwei Aufsätze für Tora-Rollen , welche die aus Rapperzell stammende Theresa Tyroller gefertigt hat und die nun im Jüdischen Museum in München zu sehen sind. Foto: privat (Foto: privat)
Das sind zwei Aufsätze für Tora-Rollen , welche die aus Rapperzell stammende Theresa Tyroller gefertigt hat und die nun im Jüdischen Museum in München zu sehen sind. Foto: privat (Foto: privat)
Das sind zwei Aufsätze für Tora-Rollen , welche die aus Rapperzell stammende Theresa Tyroller gefertigt hat und die nun im Jüdischen Museum in München zu sehen sind. Foto: privat (Foto: privat)

Wie es dazu gekommen ist, dass die Rimonim der heute in Stade lebende Gold- und Silberschmiedemeisterin von dem Münchner Museum angekauft wurden, ist eine Geschichte für sich. Die jüdische Gemeinde von Garmisch-Partenkirchen sei mit dem Auftrag an ihre Münchner Meisterklasse herangetreten, einen Tora-Schmuck zu entwerfen, der auch genutzt werden sollte, berichtet Theresa Tyroller. Aus dem Wettbewerb, an dem sich acht Meisterschülerinnen beteiligten, ging dann nicht der Entwurf von Tyroller als Sieger hervor, aber irgendwie auch. Den Auftrag aus Garmisch-Partenkirchen erhielt eine Kollegin, der Leiter des Jüdischen Museums in München hatte sich aber für Tyrollers Rimonim entschieden. Deshalb konnte sie aus dem Entwurf, der aus versilberten Kupfer gefertigt war, für das Museum ein Original aus Silber herstellen. Ein weiches Material, das Tyroller faszinierend findet und schätzt. Auch ihr Gesellen- und ihr Meisterstück hat die Rapperzellerin aus Silber gefertigt. Die Rimonim sind demnächst im Münchner Museum zu sehen. Derzeit warten die Verantwortlichen noch auf eine Ausstellung, in die das Stück auch passt, erzählt die 28-Jährige am Telefon im hohen Norden.

Dorthin hat es sie verschlagen, weil sie eine Stelle bei einem Juwelier- und Goldschmiedebetrieb, dem ältesten Handwerksbetrieb in Stade, fand, und außerdem eine gute Freundin ganz in der Nähe lebt. Dort ist sie in ihrem Traumberuf endgültig angekommen, der Weg dorthin verlief dabei nicht direkt. Nach der Schule holte Theresa Tyroller das Abitur nach, studierte und unterrichtete dann als Kunst- und Handwerkslehrerin an mehreren Mittelschulen in Niederbayern. „Aber so gerne ich mit Kindern gearbeitet habe: Der Drang, etwas mit den Händen zu machen, zu gestalten, war größer”, sagt sie. Seit sie sich erinnern kann, habe sie gewerkelt, gebastelt und irgendetwas gebaut. „Kein Material war vor mir sicher.” Insofern ist das Gold- und Silberschmiedehandwerk genau das richtige für sie, denn man arbeite mit „fast allem, was es in der Natur gibt”. Und es ist ein Beruf, „in dem man noch alles lernt und alles selber macht.” Dass es die richtige Wahl gewesen ist, zeigte sich in der Ausbildung: Sie schloss ihre Ausbildung an der Fachschule in Neugablonz bestens ab, war dann an der Meisterschule in München Klassenbeste und hat bei Wettbewerben gut abgeschnitten.

Theresa Tyroller ist also bestens ausgebildet, musste aber für den Tora-Schmuck dennoch erst einmal viel lernen. Wie viele Menschen nicht nur ihrer Generation wusste bis dahin über jüdisches Leben und jüdische Geschichte kaum etwas. Das Thema sei in der Schule praktisch nicht vorgekommen, erinnerte sie sich, in der Gesellschaft sei das Jüdische kaum präsent oder werde nicht wahrgenommen. „Uns ging es allen ähnlich, aber dann haben wir uns damit beschäftigt und es gab den Aha-Effekt”, beschreibt sie ihre Erfahrung und die ihrer Kolleginnen.

Den Meisterschülerinnen ist dabei klar geworden, auch in den Gesprächen mit einem Vertreter der jüdischen Gemeinde Garmisch-Partenkirchen, wie eng jüdisches und deutsches Leben zusammengehören und wie nachhaltig und brutal das durch die Nazis zerstört wurde. Genau das greift Theresa Tyroller in ihren Tora-Rollen-Aufsätzen auch auf. Nach vielen, vielen Zeichnungen hatte sich ein Entwurf herauskristallisiert, der ganz bewusst auf verschnörkelte, verspielte klassische Formen verzichtet. Tyroller beschreibt ihn als zwei Tüllen oder Bänder, die unten eng verbunden sind, sich spiralförmig nach oben winden, dann auseinanderlaufen, um sich oben wieder anzunähern. So wie Judentum und Deutschtum jahrhundertelang miteinander eng verwoben waren, gewaltsam getrennt wurden und nun wieder zusammenwachsen - allem Rechtsradikalismus und Antisemitismus, der sich längst in der berühmten Mitte der Gesellschaft festgesetzt hat, zum Trotz.

Eine Arbeit mit hoher symbolischer Bedeutung also, eine Arbeit die wichtig ist: Denn normal ist das Verhältnis zwischen Judentum und Deutschland längst nicht. Wie sollte es auch anders sein. Und sonst hätte es nicht 77 Jahre gedauert, bis wieder Tora-Schmuck auf deutschem Boden angefertigt wird.

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