Die neue hochgelobte und moderne achtgruppige Kita an der Aichacher Holzgartenstraße bekommt auch ein innovatives Heizsystem – und mit ihm der dort bereits bestehende Kindergarten und die Krippe „Zipfelmütz“, also der gesamte Kinder-Campus. Geheizt wird dort in Zukunft mit Abwasser.
Schon der Bauausschuss des Aichacher Stadtrats hatte überwiegend positiv auf den Vorschlag reagiert. Nun stellte am Donnerstagabend Peter Braun vom Ingenieurbüro Uhl dem gesamten Gremium das System nochmals vor. Es funktioniert im Prinzip wie jede andere Wärmepumpe, nur entzieht sie die Wärme nicht der Luft oder dem Grundwasser, sondern dem Abwasser.
Das bietet sich in der Holzgartenstraße besonders an, weil der Kanal-Hauptsammler direkt an dem Areal vorbeiführt, also genügend Wasser vorhanden ist und auch ausreichend Wärme. Das Wasser fließt über ein 66 Meter langes, praktisch unkaputtbares Edelstahlblech und wärmt es. Dann wird die Wärme weiter zum Pufferspeicher geleitet.
Laut dem Aichacher Bauamt ist eine Abwasser-Temperatur zwischen zehn und zwölf Grad, die für den Prozess notwendig ist, gesichert. Schwankungen werden dadurch ausgeglichen, dass das Bleich etwas länger als unbedingt nötig ist, sozusagen ein paar Extrameter als Reserve hat.
Weil die Anlage umso effizienter ist, je größer sie ist, sollen auch die beiden bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen mit versorgt werden. Da dann nur eine Heizzentrale für die drei Gebäude nötig ist, werden Räume frei und können anderweitig genutzt werden. Einen Teil des benötigten Stroms für den Betrieb der Wärmepumpe erzeugt man mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach selbst. Die von Manfred Huber (FWG) angesprochene Frage der Reinigung des Bleches im Kanal erledigt der sozusagen selbst: Weil es sich um einen Mischwasserkanal handelt, wird die Anlage nach Regenfällen automatisch gespült.
Laut Peter Braun gibt es solche Anlagen beispielsweise in Stuttgart, in Krumbach oder in Wangen im Allgäu – und auch der Èlysée-Palast in Paris wird mit Abwasser geheizt. Für Aichach stellt das System eine gute Alternative dar, weil Öl und Gas nicht mehr in Frage kommen und ein Anschluss an das Biomasse-Heizkraftwerk in Aichach-Nord nicht möglich ist, weil dort die Kapazitäten ausgeschöpft sind. Zudem gibt es einen weiteren positiven Effekt: Die Pellets-Heizung in den bereits bestehenden Gebäuden an der Holzgartenstraße wird nicht mehr benötigt, kann aus- und in den Klingener Kindergarten eingebaut werden. Die dortige, 28 Jahre alte Ölheizung muss dringend ausgetauscht werden.
Bleiben die Kosten. Die Rechnung, die Peter Braun für das Gesamtkonzept für alle drei Gebäude aufmachte, ist kompliziert, in ihren wichtigsten Zahlen aber einfach: Zwar sind die Investitionskosten für die Abwasser-Wärmepumpe mit 415 800 Euro sehr hoch, die Strom- und Betriebskosten sind aber niedriger, weil die Effizienz der Abwasser-Wärmepumpe sehr gut ist. Braun rechnet mit einer Amortisationszeit von 13 Jahren.
Dennoch waren zum Beispiel Lothar Bahn (FWG) die Investitionskosten angesichts der allgemeinen Haushaltslage zu hoch. Er plädierte für eine „kleine Lösung“ mit dem Weiterbetrieb der Pelletsheizung und zwei Luftwärmepumpen für den Neubau, was in der Anschaffung günstiger wäre.
Gegen die Abwasserwärmepumpe stimmten letztlich FWG, die BZA und die FDP. Mit den Stimmen von CSU, SPD, Grünen und CWG gab es aber eine deutliche Mehrheit für das innovative Konzept. Dr. Marc Sturm (FWG) hätte am liebsten die Entscheidung noch zurückgestellt, um die Unterlagen und Zahlen in Ruhe zu prüfen können. Ein entsprechender Antrag wurde aber mit 8:19 Stimmen abgelehnt.
So bekommt der Kinder-Campus also eine Heizung, die als „phänomenale Idee“ (Marco Laves),“win-win-Lösung“ (Kristina Kolb-Dojka) oder „coole Geschichte“ (Bürgermeister Klaus Habermann, alle SPD) oder „geniale” doppelte Nutzung von Energie (Magdalena Federlin, Grüne) bezeichnet wurde.