Christiane Kruck hat sich beim Aufruf „Hilfe für Lisa” 2014 in Oberschneitbach bei der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) die es jetzt seit 30 Jahren gibt, aufnehmen lassen. 322 Menschen haben sich damals typisierten lassen, sechs davon konnten bereits betroffenen Patienten die Chance auf ein neues Leben schenken, weiß Brigitte Lehenberger, ehrenamtliche Unterstützerin der DKMS. Eine davon ist Christiane Kruck. Sie half Mike Wark, dem den das alles wie ein Wunder erscheint. Bei dem 30-Jährigen aus der kanadischen Provinz Alberta wurde im Juni 2018 nach einigen anhaltenden Erkältungssymptomen und routinemäßigen Blutuntersuchungen unerwartet eine akute myeloische Leukämie (AML) diagnostiziert, eine aggressive Form von Blutkrebs.”Über Nacht war es, als wäre die Welt auf den Kopf gestellt worden”, erinnert sich Mike Wark. „An einem Tag war ich ein gesunder 27-Jähriger - ich begann meine Karriere, war glücklich verheiratet und dachte darüber nach, eine Familie zu gründen. Am nächsten Tag lag ich in einem Krankenhausbett in einer anderen Stadt und kämpfte um mein Leben.”Nach der Diagnose ging alles ganz schnell für Mike Wark und seine Frau Lauren. Das Paar verbrachte die nächsten sieben Monate im Krebszentrum in Calgary. Schon früh wurde klar, dass eine Stammzellentransplantation erforderlich sein würde, um Mike Warks Leben zu retten, um sein Immunsystem nach mehreren intensiven Chemotherapien und Bestrahlungen wieder in Gang zu bringen und alle verbleibenden Krebszellen zu zerstören. Um eine genetische Übereinstimmung zu finden, wandten sich die Ärzte an das internationale Stammzellenregister, eine Sammlung von über 25 Millionen potenziellen Spendern aus über 100 Ländern. Zu diesem Zeitpunkt tritt eine junge Frau in Mikes Leben, sie ist etwa 7600 Kilometer von ihm entfernt, in einem kleinen Dorf in Bayern. Christiane Kruck erinnert sich: „Ich erhielt die Nachricht, dass ich möglicherweise als Stammzellenspenderin für einen Patienten in Frage komme, und sollte noch weitere Tests durchlaufen, um die genetische Übereinstimmung sicherzustellen. Vier Jahre zuvor hatte ich mich als potenzieller Stammzellenspender registriert, nachdem bei einem jungen Mädchen in meiner Umgebung Leukämie diagnostiziert worden war und eine Stammzellentransplantation benötigt wurde. Von da an habe ich immer gesagt, ich würde gerne jemandem helfen, wenn ich kann.” Die weiteren Untersuchungen zeigten, dass Christiane tatsächlich Mikes genetischer Zwilling ist. So erhielt der Kanadier am 24. Oktober 2018 eine Transplantation von 766 Millionen Stammzellen von Christiane Kruck, die aus Deutschland per Kurier verschickt wurden. Die Stammzellenspende war erfolgreich, und so konnte der junge Mann drei Monate später, Ende Januar 2019, als „100 Prozent krebsfrei” erklärt werden. „Von dem Moment an, als ich wusste, dass es einen passenden Spender gibt, wollte ich herausfinden, wer das war. Nach der Transplantation wuchs diese Neugier weiter und ich wollte mich mit meiner Spenderin in Verbindung setzen, um ihr dafür zu danken, dass sie geholfen hat, mein Leben zu retten”, sagt Wark. Aufgrund der Vorschriften war es ihm erst zwei Jahre nach der Spende möglich, die Identität des Spenders herauszufinden. Das geht auch nur, wenn sowohl Spender als auch Empfänger damit einverstanden sind.”Zum Zeitpunkt der Transplantation wusste ich nur, dass es eine junge Frau in den Zwanzigern war, die eine andere Blutgruppe hatte als ich. Ich hatte keine Ahnung, woher sie kam oder was sie dazu gebracht hat zu spenden. Aber ich wollte es unbedingt herausfinden”, erzählt der Kanadier. Währenddessen war Christiane Kruck gleichermaßen interessiert daran, herauszufinden, wie es dem Empfänger ihrer Stammzellen wohl gehe. Drei Monate nach der Transplantation erhielt sie über die DKMS die Nachricht, dass es sich bei dem Empfänger um einen jungen Mann zwischen 21 und 30 Jahren handle, er in Kanada lebe und die Spende bislang erfolgreich gewesen sei.Das machte Christiane Kruck froh, aber sie wollte gerne mehr über den Empfänger erfahren. „Ich wusste nicht, dass die kanadischen Vorschriften jeglichen Kontakt innerhalb von zwei Jahren nach der Spende verbieten; so dachte ich, dass er eventuell keinen Kontakt aufnehmen möchte, was ich schade fand, aber dennoch nachvollziehen und respektieren konnte”, schildert sie ihre Gedanken. Als sich der zweite Jahrestag der Stammzellentransplantation näherte, bot sich Mike Wark endlich die Gelegenheit, die Identität der Spenderin zu erfahren. Christiane Kruck erinnert sich, dass sie überrascht und aufgeregt gewesen sei, als sie die Kontaktanfrage über die DKMS erhielt. Sie schickte die ausgefüllten Formulare zurück und ein paar Wochen später, Anfang November 2021, zufällig an Mikes 30. Geburtstag, erhielt er einen Anruf von seinem medizinischen Team, in dem ihm ihr Name und ihre Kontaktdaten mitgeteilt wurden. „Es war ziemlich überwältigend”, sagt Mike. „Zwei Jahre lang wusste ich, dass sie irgendwo da draußen war, wusste aber nichts über sie. Dann plötzlich stellt sich heraus, dass mein genetischer Zwilling in Deutschland ist. Dies herauszufinden, war das beste Geburtstagsgeschenk, das ich mir vorstellen konnte” - und der Beginn einer einzigartigen internationalen Freundschaft. Wenn es die Pandemie zulässt, wollen die beiden sich persönlich treffen. Mike Wark erinnert sich noch an den Tag der Transplantation: „Er war ein bisschen surreal. Die Stammzellen kamen in einer Box an, die aussah wie eine sehr teure Brotzeitdose, und ich durfte den Beutel in meinen Händen halten, bevor er wie eine Infusion angeschlossen wurde. Es ist ein unglaubliches Gefühl, etwas in den Händen zu halten, von dem man weiß, dass es die Kraft hat, sein Leben zu retten.”