Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 04.01.2023 10:36

Die Suche hat begonnen

Der Druck ist groß, das Thema Windkraft hat erwartungsgemäß auch im Aichacher Land wieder kräftig an Fahrt aufgenommen. Die Suche nach potenziellen Standorten für Windräder hat letztlich schon begonnen. Der Regionale Planungsverband Augsburg (RPV) jedenfalls hat im Dezember "die Fortschreibung des Windkraftkapitels vor dem Hintergrund der neuen gesetzlichen Vorgaben beschlossen", erklärte RPV-Geschäftsführerin Marion Koppe auf Nachfrage unserer Zeitung. Konkret bedeutet dies, dass der Verband zusätzliche potenzielle Flächen für die Windkraftnutzung braucht. Und zwar eine ganze Menge, will man die Forderungen des Bayerischen Ministerpräsidenten erfüllen. Am Dienstag, 10. Januar, berät der Bauausschuss des Aichacher Stadtrates über die neue Situation.

"Information aktuelle Rechtslage" und "Ausweisung von Konzentrationszonen" lautet der entsprechende Tagesordnungspunkt der Sitzung, die um 18 Uhr im Verwaltungsgebäude am Tandlmarkt beginnt. Erstmals wird dann öffentlich über den Weg gesprochen, den die Paarstadt einschlagen könnte und auch möchte. Details lassen sich die Verantwortlichen im Vorfeld nicht entlocken. Klar ist derweil, dass Investoren auch im Raum Aichach Interesse an weiteren Windrädern anmelden werden – und dies vermutlich ein Großteil der Bevölkerung auch begrüßen würde. Die kontrovers und erbittert geführten Debatten um die Windmühlen im Blumenthaler Forst sind längst Geschichte.

Im Wittelsbacher Land drehen sich derzeit elf Windräder – drei auf Aichacher Flur, eines in Dasing, zwei in Sielenbach, weitere zwei in Baar und drei in Friedberg-Bachern. Allein die sechs Stück der Energiebauern zwischen Aichach, Dasing und Sielenbach erzeugen im Jahresschnitt rund 34 Millionen Kilowattstunden regenerativen Strom. Beantragt wurden sie allesamt vor Horst Seehofers 10-H-Erlass, der besagte, dass ein Windrad mindestens das Zehnfache seiner Höhe vom nächsten Wohnort entfernt sein muss.

Der Aichacher Stadtrat hatte seinerzeit Konzentrationsflächen für Windräder ausgewiesen, um eine Verspargelung der Landschaft zu verhindern, hob sie dann aber wieder auf. Die Begründung: Als 2013 die entsprechende Änderung des Flächennutzungsplans angepackt wurde, gab es noch keine 10-H-Regelung. Der neue Mindestabstand gemäß Seehofer-Formel ließ sich in den Konzentrationsflächen nicht mehr einhalten, eine Spaltung der "Stadtfamilie" wurde befürchtet, wenn man Windräder trotzdem ermöglicht hätte.

Jetzt wird man sich erneut über mögliche Konzentrationsflächen unterhalten müssen. Noch gilt 10▎H zwar grundsätzlich, auch wenn die SPD in Bayern einen Volksentscheid dagegen angekündigt hat, gleichwohl gibt es mittlerweile eine Reihe von Ausnahmen, die den Mindestabstand abschmelzen (wir berichteten). Und: Laut Regionalplan für den Raum Augsburg befinden sich gleich mehrere der momentan existierenden potenziellen Windrad-Flächen im Stadtgebiet von Aichach. Ein echtes "Vorranggebiet", in dem Windräder "Vorrang gegenüber anderen raumbedeutsamen Nutzungsansprüchen" haben, liegt südwestlich von Blumenthal. Dort wird bereits von den Energiebauern Strom aus Wind gewonnen. Eine Stufe tiefer rangieren sogenannte "Vorbehaltsgebiete für Windenergienutzung" (VBW). In ihnen "ist der Windenergienutzung besonderes Gewicht beizumessen", so die Regeln. Auch dort sollten Anträge letztlich große Chancen auf Erfolg haben. Eines befindet sich nördlich von Hiesling, ein weiteres östlich von Untergriesbach.

Festgelegt wurden die Gebiete übrigens im Rahmen der letzten Fortschreibung des Regionalplanes auf der Grundlage der damals geltenden gesetzlichen Vorgaben, also mit 10▎H, durch den RPV Augsburg, wie Geschäftsführerin Marion Koppe erläutert. Dies und die dichte Besiedelung der Region, zu der neben der Fuggerstadt die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries gehören, haben letztlich dazu geführt, dass im aktuellen Windkraftkonzept lediglich rund 170 Hektar als Vorranggebiete ausgewiesen sind. Das sind gerade mal 0,04 Prozent des RPV-Gebietes. Zur Orientierung: In Bayern müssen bis Ende des Jahres 2027 bereits 1,1 Prozent und bis Ende des Jahres 2032 insgesamt 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen sein. So will es das Wind-an-Land-Gesetz. Und so will es auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als inzwischen bekennender Windrad-Fan. Werden die Ziele, die den Regionen durch Bund und Land bis zum 31. Dezember 2027 aufgetragen wurden, nicht erreicht, so setzt sich die baurechtliche Privilegierung überall im Außenbereich durch. Die Städte und Gemeinden wurden daher aufgerufen, sich "konstruktiv, ergebnisoffen und solidarisch" in den Planungsprozess der Regionalplanung einzubringen.

Der Regionale Planungsverband Augsburg hat bereits reagiert und beschlossen, sein Windkraftkonzept zu aktualisieren. Der Beschluss fiel schon am 7. Dezember im Planungsausschuss des Verbandes. Doch wie funktioniert denn nun die Suche nach geeigneten Flächen?

Wie dazu Marion Koppe ausführte, werde ein Regionsbeauftragter (RB), "ein fachlich kompetenter Mitarbeiter der Regierung von Schwaben", alle Flächen recherchieren, die für Windkraftnutzung geeignet sind, sprich für die keine anderweitige Nutzung, die der Windkraftnutzung entgegenstehen würde, festgelegt ist oder auf denen keine anderen Hinderungsgründe wie beispielsweise der Naturschutz bestehen. Dafür müsse allerdings zunächst ein einheitlicher Kriterienkatalog auf rein fachlicher Grundlage geschnürt werden, auf dessen Basis die Flächen dann regionsweit definiert werden können. "Die Festlegung von einheitlichen fachlichen Kriterien ist wichtig, weil andernfalls der neue Plan gerichtlich angreifbar wäre", betont die RPV-Geschäftsführerin. Deswegen könnten auch keine Flächen quasi „auf Zuruf“ von Gemeinden oder Grundstückseigentümern als Vorranggebiet ausgewiesen werden.

Sind die Flächen definiert, wird es einen Planungsentwurf geben – samt einem formalen Beteiligungsverfahren der Öffentlichkeit und aller Fachbehörden. Erst ganz am Ende des Verfahrens steht das neue Windkraftkonzept, das schlussendlich noch von der Regierung von Schwaben für verbindlich erklärt werden muss. Wann das sein wird, könne nicht vorhergesagt werden, unterstreicht Marion Koppe. Klar: Wer weiß heute schon, welche Einwendungen kommen werden. "Wir sind natürlich bemüht, es so schnell wie möglich durchzuziehen", verspricht die RPV-Geschäftsführerin. Klar ist schon jetzt, dass sich die Vorranggebiete ohne das Hemmnis 10▎H tatsächlich deutlich vergrößern werden. Auch die Sicherheitsabstände zu Drehfunkfeuern werden fast halbiert. Stichwort: Flugsicherung. Diese war bisher ein Ausschlusskriterium für Windräder im Umkreis von 15 Kilometern rund um das Funkfeuer "Walda" nördlich von Pertenau in der Gemeinde Pöttmes. Jetzt werden auch in diesem Bereich die Karten neu gemischt, der Schutzradius umfasst nur mehr sieben Kilometer.

Einen Zuwachs an Vorranggebieten für Windkraft würden auch die Energiebauern in Aichach durchaus begrüßen. Geschäftsführer Florian Bichler hat bekanntermaßen Erfahrung mit dem Bau von Windmühlen und dem damals noch damit verbundenen Sturm der Entrüstung in Teilen Bevölkerung. Allein deshalb ist er noch zurückhaltend und verweist unter anderem auf EU-Recht. Es werde sich erst herausstellen, ob der in Bayern jetzt propagierte Abbau der Genehmigungsbürokratie am Ende im Falle von Klagen tatsächlich juristisch Bestand hat. "Wir hoffen darauf und freuen uns über jedes Windrad", betont Bichler ausdrücklich. Eine Entscheidung, in welcher Form und wann die Energiebauern selbst wieder Rotoren montieren werden, sei noch nicht gefallen. Allein aus Gründen fehlender personeller Ressourcen. "Wir sind momentan mit unseren Solarpark-Projekten voll ausgelastet", sagt Florian Bichler. Anfragen gäbe es indes mehr als genug. Schon jetzt hätten sich zahlreiche Grundstücksbesitzer gemeldet, die ihre Flächen gerne für ein Windrad zur Verfügung stellen würden.

Zahlreiche Anfragen von Grundstückseigentümern bei den Energiebauern

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