Die große Skulptur ganz hinten in der Ecke sieht bedrohlich und lustig zugleich aus. Wie eine Figur von Keith Haring, die beschlossen hat, in einem Horrorfilm mitzuspielen. Oder doch wie ein Relikt aus archaischer Zeit? Oder eher aus einer anderen Welt? Vielleicht hat dieser frühere Baum auch eine Metamorphose durchgemacht und gemahnt an die Zerstörung der Natur? Kunst gibt keine Antworten, sie gibt den Betrachtern, den Zuhörern oder Lesern Aufgaben auf, sie stellt Fragen. Je mehr, desto besser.
Die Ausstellung der Künstlergruppe „Quartett“ in der Aichacher Galerie Schiele tut das. Sie stellt viele Fragen, wobei sie eine doch beantwortet: Die, wie das alles zusammenpasst. Gut. Überraschend gut sogar, obwohl die Ansätze, Arbeiten und Positionen von Friederike Klotz (Fotografie), Elisabeth Röder (Malerei), Olli Marschall (Holzbildhauerei) und Eugen Keri (Grafik) höchst unterschiedlich sind. Aber in der Galerie von Goldschmiedin Uli Schiele finden sie gerade in ihren Kontrasten und Gegensätzlichkeiten zusammen.
Die Holzskulpturen von Olli Marschall, Gebilde mit organischen, weichen Formen aus hartem Material und verführerisch aussehenden Oberflächen, sind vielfach perforiert, Freunde des Lichts. Sie spielen mit den Effekten des sich verändernden Lichteinfalls – und verändern sich dabei selbst.
Das Licht ist auch ein Hauptthema in den fotografischen Stillleben von Friederike Klotz. Dort sieht man (zerbrochene) Glühbirnen, Glasobjekte, Insekten oder Fundstücke aus der Natur, vergänglich, aber eingeschlossen in Harz und festgehalten in dem Bild; wenn nicht für die Ewigkeit, so doch für lange Zeit. Friederike Klotz fotografiert ihre Stillleben nur in der Morgensonne, arrangiert die Objekte akribisch, bis das (seitlich) einfallende Licht in den Glühbirnen, dem Glas oder den Scherben flirrend-irreal bricht, sich spiegelt, die Schatten spielen lässt und doch alles erleuchtet ist; als würde der beginnenden Tag sich in die Objekte einbrennen und sie zu einer Komposition verschmelzen.
Wie Knalleffekte wirken daneben die auf den ersten Blick ausgreifenden, dynamischen Malereien von Elisabeth Röder in Neonfarben. Sie nimmt dabei Eindrücke von Reisen auf, etwa in „auf den Spuren der Maja“. Auf den zweiten Blick erinnern die Arbeiten an Luftbilder aus großer Höhe, vielleicht Satellitenaufnahmen, die sich ein Betrachter auf einem psychedelischen Drogentrip ansieht (zumindest so, wie diese Trips in zeitgenössischen Filmen, Büchern oder Bilder dargestellt wurden).
Das Expressive - abstrakte, dunkle Schraffuren und Hintergründe – ist auch ein Element in den grafischen Arbeiten von Eugen Keri. Aber das Wilde, Ausuferende wird bei ihm stets von mathematischer Klarheit eingefangen, von der Strenge geometrischer Formen stabilisiert. Bei den in Aichach gezeigten kleinformartigen Arbeiten ist diese Form das Quadrat. Der Rahmen ist quadratisch, die Bilder sind es, und in ihnen tauchen stets Quadrate auf. Ein rotes zum Beispiel, das zwischen den Schraffuren vorlaut „hier“ ruft, eines, das sich zwischen den Bleistiftstrichen verdichtet, mit offenen Rändern. Andere kippen ab oder ihnen fehlen rechte Winkel, als wären sie ein bisschen beschwipst oder hätten in dem Durcheinander um sie herum ein wenig die mathematische Ordnung verloren – was sie sehr sympathisch macht.
Für Galeristin Uli Schiele ist die Ausstellung der seit 2011 in wechselnder Besetzung bestehenden Künstlergruppe einmal mehr ein Beispiel dafür, dass – gerade in der Kunst – die Summe mehr die einzelnen Teile sein kann. Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen.
Ach ja: Die große Skulptur ganz hinten der Ecke heißt „Lochschalenwulsttürmchen“. Noch Fragen?

Die Ausstellung von „Quartett” ist in der Goldschmiedewerkstatt und Galerie Schiele in der Aichacher Bauerntanzgasse bis Ende Juli zu sehen. Geöffnet Dienstag bis Freitag 10 bis 12.30 Uhr und 14 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 12.30 Uhr.