Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Cooler Auftritt in Lederjacke, Jeans und Trainingsanzug: Sonderausstellung im Tim

Trainingsanzüge aus den 1960er bis 2020er Jahren: Hip-Hop-Legenden wie Run DMC machten die Sportklamotten zum coolen Outfit. (Foto: Frauke Wichmann)
Trainingsanzüge aus den 1960er bis 2020er Jahren: Hip-Hop-Legenden wie Run DMC machten die Sportklamotten zum coolen Outfit. (Foto: Frauke Wichmann)
Trainingsanzüge aus den 1960er bis 2020er Jahren: Hip-Hop-Legenden wie Run DMC machten die Sportklamotten zum coolen Outfit. (Foto: Frauke Wichmann)
Trainingsanzüge aus den 1960er bis 2020er Jahren: Hip-Hop-Legenden wie Run DMC machten die Sportklamotten zum coolen Outfit. (Foto: Frauke Wichmann)
Trainingsanzüge aus den 1960er bis 2020er Jahren: Hip-Hop-Legenden wie Run DMC machten die Sportklamotten zum coolen Outfit. (Foto: Frauke Wichmann)

Im alltäglichen Leben taucht der Begriff „cool” immer wieder auf. Was genau er meint, ist nicht immer ganz klar. Der Duden allein listet vier verschiedene Bedeutungen auf: Von „kühl und gelassen”, über „sicher”, „annehmbar” bis hin zu „den Idealvorstellungen entsprechend” reicht hier die Bandbreite – und gewiss kommen in der Jugendsprache ständig neue Bedeutungen und Anwendungsmöglichkeiten hinzu. Das staatliche Textil- und Industriemuseum (Tim) in Augsburg will in seiner aktuellen Sonderausstellung dem Phänomen der Coolness als einem Leitmotiv der Mode im 20. Jahrhundert nachspüren.

„Menschen haben ihre kühl und distanziert wirkende und oft rebellische Haltung besonders durch das Tragen entsprechender Kleidung ausgedrückt”, erklärt Tim-Museumsdirektor Karl Borromäus Murr. Als „coole” Vorbilder ihrer Zeit hätten beispielsweise Filmstars wie Marlene Dietrich im schwarzen Anzug mit Zylinder und Zigarette oder James Dean in T-Shirt, Jeans und Lederjacke gedient. „Ihnen und vielen weiteren spannenden Ikonen der Zeitgeschichte begegnen Besucherinnen und Besucher der Ausstellung in etwa 300 Exponaten. Diese reichen von den 1910er-Jahren bis in die Gegenwart, darunter viele zeitgenössische Kleidungsstücke und Accessoires”, lädt Murr in die Ausstellung ein.

Er erklärt „Coolness” als „einen Habitus, einen Lebensstil, eine sozio-kulturelle Strategie, die in bildender Kunst, Mode, Musik, Film sowie in zahlreichen weiteren Handlungsfeldern Ausdruckfindet. Coolness fungiert hier zuallererst als eine Form der Kommunikation, deren wandelbare Codes je neu zu entschlüsseln sind”. Zu den Ursprüngen der „Coolness” gebe es viele verschiedene Ansätze, wie Murr ausführt. Je nachdem, wie eng oder weit man den Begriff fassen will. Für manche seien die Stoiker des antiken Griechenlands bereits „cool”, andere sehen in der westafrikanischen Geisteshaltung von „itutu” ein „verwandtes Konzept augenscheinlicher Selbstbeherrschung”, wie Murr erklärt. Daran anschließend könne die moderne Coolness im Zusammenhang gesehen werden „mit der Sklaverei in den USA, die die schwarze Bevölkerung auf inhumane Weise unterjocht hat”, so Murr. „In einer solch prekären Lebenssituationen kühl die Contenance zu wahren, bedeutete gegenüber der weißen Gesellschaft eine pure Überlebensstrategie.” Von diesen Wurzeln sei die „Coolness” in die Musik gewandert, in Blues und Jazz.

„Brando mit der Lederjacke oder Dean im weißen T-Shirt avancierten zu stilprägenden Ikonen der Coolness”

Demgegenüber gibt es die Meinung, dass die Entstehung der „Coolness” in den 1950er Jahren anzusetzen wäre – „eine desillusionierte Epoche, die im Aufziehen des Kalten Krieges den Holocaust und Atombombenabwurf emotional zu bewältigen hatte”, beschreibt Murr. Der Einfluss aus den USA habe dazu beigetragen, „die coole Attitüde in weite Kreise der Populärkultur vor allem der Jugend hineinzutragen”. Transportmittel waren Musik, Literatur und Film. Als Beispiel nennt Murr den Jazz eines Miles Davis oder den Rock‚n‘Roll von Little Richard und Elvis Presley. Auch Schauspieler wie Marlon Brando, James Dean oder Montgomery Clift trugen durch ihre Rebellenrollen in Kinofilmen dazu bei, dass „Coolness” weltweit cool wurde.

„Brando mit der Lederjacke oder Dean im weißen T-Shirt avancierten zu stilprägenden Ikonen der Coolness, die aufgrund medial massenhafter Verbreitung einen tiefgreifenden Einfluss auf die Populärkultur vor allem der Jugend ausüben sollten”, erklärt Museumsdirektor Murr. Jede Zeit hat freilich eigene Vorbilder. Mit dem Genre Musikvideos sei seit den 1980er Jahren ein weiteres filmisches Medium dazugekommen – mit immer neuen Ikonen und neuen Varianten von Coolness. „Man denke etwa an die US-amerikanische Hip-Hop Band Run-DMC, die Sportkleidung, Trainingsanzüge und Sportschuhe von Adidas in den vestimentären Olymp der Coolness beförderten”, so Murr.

Und so zeigt die Ausstellung neben „coolen” Jeans von Marken wie Levi's, Lee und Wrangler auch Anzüge von Jean Paul Gaultier und Giorgio Armani sowie Haute-Couture-Kleider von Dior. Da ist ebenso die Lederjacke des Grünen-Politikers und früheren Bundesaußenministers Joschka Fischer zu sehen, eben auch das Debütkleid der Opernsängerin Diana Damrau. Und natürlich darf eine Auswahl an Trainingsanzügen, von den 1960ern bis heute, nicht fehlen. Das Museum verspricht den Besuchern nicht zuletzt mithilfe von Fotos, Filmmaterial, Literatur der Beat-Generation und Musik von Jazz bis Hip-Hop „eine faszinierende Zeitreise”, auf der sie Haltung und Emotionen von „Coolness” – damals wie heute – erkunden können.

Die Ausstellung spannt den Bogen in die unmittelbare Gegenwart: Augsburger Jugendliche dürfen im Rahmen der Schau zeigen, was für sie coole Kleidung heutzutage bedeutet. Ausgestattet mit einem kleinen Budget, hatten sie im Vorfeld während eines partizipativen Projekts ihre persönlichen Coolness-Outfits zusammengestellt.

Die Ausstellung ist noch bis 22. Oktober zu sehen. Öffentliche Führungen durch die Sonderausstellung finden an allen geöffneten Sonn- und Feiertagen statt. Beginn ist jeweils 14 Uhr. Eine Anmeldung unter Telefon 0821/81 00 15 26 oder per E-Mail an timbayern.de" class="auto-detected-link" target="_blank">kasse@timbayern.de ist notwendig. Informationen zum umfangreichen Begleitprogramm gibt es auf timbayern.de.


Markus Höck
Markus Höck

Redakteur Augsburg-Redaktion

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