Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 13.01.2023 10:25

105 Austritte hat Harald Baude, Pfarrer der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Aichach-Altomünster, in der Statistik seiner Kirchengemeinde gefunden. Sie umfasst derzeit etwa 3700 Mitglieder. Die Zahl der Austritte sei gegenüber den vergangenen Jahren gestiegen. Dafür könne man viele Gründe finden "und vorschieben", meinte der evangelische Pfarrer am Telefon. "Was ich höre und sehe" sei, dass junge Menschen, die zum ersten Mal Geld verdienen, feststellen, dass da ein Betrag für die Kirchensteuer abgezogen wird, den man sich sparen könne. Daneben habe seiner Meinung nach eine Entwicklung in der Gesellschaft stattgefunden. Es sei nicht mehr selbstverständlich, in die Kirche zu gehen. Viele seien mit ihr nurmehr lose verbunden, so Baude. Die steigende Zahl an Austritten bedauere er zwar, sehe das aber gleichzeitig als "Auftrag und Motivation". Man müsse deutlich machen, welche "Lebensrelevanz" Kirche habe für den Ort und für die Gesellschaft. Er denke hier daran, das "diakonisch-soziale" Engagement zu stärken, so Baude. Er meinte auch, dass man klar machen müsse, welche gesamtgesellschaftliche Bedeutung die Kirchen haben. Erfreut zeigte er sich darüber, dass Menschen auch in die Kirche zurückkehren, weil sie wieder Teil der Gemeinschaft sein wollten. Zudem gewinne das Thema Taufe an Bedeutung. Für die Kirche sei es Zeit, sich jetzt (neu) zu positionieren; in Aichach wolle man sich bemühen, auch konfessionsübergreifend Kräfte zu bündeln, so Baude.

Zu einer ähnlichen Einsicht kommt auch Herbert Gugler, Pfarrer der Stadtpfarrei Mariä Himmelfahrt. Neben finanziellen Gründen, gegen die man als Kirche nichts machen könne, habe er eine gewisse Entfremdung von der Kirche festgestellt, der man entgegensteuern könne. "Wir müssen als Kirche sichtbar werden", so Gugler. Das treibe man auf den Social-Media-Kanälen voran und auch mit "neuartigen Gottesdienst-Formaten". Hier nannte der Stadtpfarrer die "Nacht des Lichts" und den "Kinderlichterlauf" als Beispiele. Über positive Erfahrungen und Erinnerungen könne man Menschen an die Kirche binden, man müsse Gemeinschaft erlebbar machen und es sei wichtig, dass sich kenne, gute Kontakte pflege. Besonders freue er sich über Menschen, die zurückkehrten. Ein Wiedereintritt sei ganz einfach, rührte Gugler die Werbetrommel. Interessierte könnten einfach mit Taufschein und Austrittsbescheinigung in ein Pfarrbüro ihrer Wahl gehen, Kosten fallen keine an. Im Übrigen sei die Stadtpfarrei Aichach mit ihren Filialen nicht von einem krassen Anstieg der Austrittszahlen betroffen. Die Quote betrage seit Jahren etwa zwei Prozent, so Gugler. Er kenne Prognosen, dass sich bis 2060 die Zahl der Gläubigen auf etwa 30 Prozent reduzieren werde, die würden dabei bleiben. Aktuell gehörten der Stadtpfarrei mit ihren Filialen über 7300 Menschen an.

Dekan Stefan Gast, Pfarrer in Inchenhofen, stellte auch in seinen Pfarreien einen Anstieg der Austrittszahlen fest. Gründe könne man viele anführen, meinte er, finanzielle ebenso wie Ärger über aktuelle Themen, die die Kirche beschäftigten, die ganze Missbrauchsthematik etwa. Dazu kommt laut dem Leahader Wallfahrtspfarrer auch, dass bei vielen die "Anbindung an die Kirche gegen null" geht. "Gott sei Dank" gebe es "vereinzelt Wiedereintritte", die Zahl der Austritte aber sei im Dekanat noch nie so hoch gewesen. Wichtig sei es, Gottesdienste attraktiv zu gestalten, die Leute anzusprechen. Er sei zuweilen "schon überrascht, wer da austritt". Aber die meisten Austretenden seien mit der Kirche "nie sonderlich verbunden gewesen", so Gast. "Aktives Glaubensleben wird bei vielen nicht mehr groß geschrieben."

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