Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 15.10.2022 15:45
<b>Ein charmantes Holzhaus</b> auf Rädern: das erste „Tiny House“ Altomünster. (Foto: Horst Kramer)
Ein charmantes Holzhaus auf Rädern: das erste „Tiny House“ Altomünster. (Foto: Horst Kramer)
Ein charmantes Holzhaus auf Rädern: das erste „Tiny House“ Altomünster. (Foto: Horst Kramer)
Ein charmantes Holzhaus auf Rädern: das erste „Tiny House“ Altomünster. (Foto: Horst Kramer)
Ein charmantes Holzhaus auf Rädern: das erste „Tiny House“ Altomünster. (Foto: Horst Kramer)

Was braucht man für ein gutes Leben? Wenig, meint Tanja Lademann, die in Altomünster ein Tiny House aufgestellt hat. Es steht auf einer Anhöhe im Nordwesten Altomünsters, mitten in einer Siedlung von geräumigen Einfamilienhäusern. Dennoch wirkt es nicht wie ein Fremdkörper. Das mag am Holz liegen, vielleicht auch an der Form, vielleicht liegt es auch am Auge des neugierigen Betrachters.
Schon im Frühsommer hat dieses erste Altomünsterer „Tiny House“ hier seine Heimat gefunden, im August ist Tanja Lademann hier eingezogen. Später als erhofft, doch jetzt wirkt sie glücklich. „Ich fühle mich hier rundum wohl“, erklärt sie und zeigt stolz ihr kleines Reich. Das Haus steht auf einem Lkw-Anhänger, ist rund zehn Meter lang und mit seinem Erker 3,30 Meter breit. Mit Fahrgestell ist es fast vier Meter hoch, die Raumhöhe beträgt 2,40 Meter. Die eigentliche Wohnfläche liegt bei 27 Quadratmetern. Auf einer Seite das Hauptraumes erstreckt sich ein breites Bett, in das Wäschekästen integriert sind. Auf der anderen Seite findet sich eine Küchenzeile mit Spüle, Herd und Waschmaschine sowie gegenüber eine Schrankwand und ein Holzofen. Hinter einer Schiebetür verbirgt sich ein kleines Badezimmer. Im Erker stehen ein Tisch mit zwei Stühlen und ein Schränkchen.
Der Raum ist hell und freundlich dank einer großen Fensterfront (mit Glastür) und drei aparten Bullaugen im Erker (und einigen weiteren schmalen Fensterchen). Innen wie außen strahlt das Gebäude einen gewissen Charme aus und erinnert ein wenig an einen Studenten-Bungalow im Münchner Olympiapark. Alles, was man zum Leben benötigt, immer in Griffweite. Allerdings wirkt Lademanns Tiny House wesentlich hochwertiger als die „Schuhkartons“, die zu den Olympischen Spielen aufgestellt und dann mehr als drei Jahrzehnte genutzt wurden (inzwischen sind sie durch Neubauten ersetzt).
Schon vor drei oder vier Jahren hatte sich Lademann die Frage gestellt: „Was brauche ich eigentlich zu einem guten nachhaltigen Leben?“ „Auf jeden Fall nicht das soundsovielte T-Shirt“, stellte sie schnell fest. Damals stieß die frühere CSU-Gemeinderätin, die mittlerweile im Dachauer Kreisvorstand der Regierungspartei politisch aktiv ist, auf die „Tiny House“-Bewegung (deutsch: „winziges Haus“), die in den USA entstanden ist und dort seit der Jahrtausendwende nachhaltiges Wohnen auf kleinster Fläche propagiert. Mit Haustypen, die sogar mobil sein können.

Vor gut zwei Jahren stand Lademanns Entschluss fest: Sie wollte ein eigenes Minihaus haben. „Das eigentliche Problem ist, ein geeignetes Grundstück zu finden“, erzählt die Unternehmensberaterin und Trainerin. Baugrund ist in der Metropolregion bekanntlich rar und teuer. Doch gerade deshalb hoffen manche Grundstückseigentümer auf weiter steigende Preise, andere warten mit der Bebauung, bis ihre Kinder oder Enkel erwachsen geworden sind. Lademann hatte Glück und traf auf eine derartige Familie mit einer unbebauten, allerdings auch unerschlossenen Fläche.
Mit der Unterstützung des Altomünsterer Architekten Stefan Gailer gab sie einen Bauantrag bei der Marktgemeinde ab – und lief mit der Projektidee offene Türen ein. Im Februar 2021 wurde es im Altomünsterer Bauausschuss behandelt und einmütig durchgewunken (wir berichteten). Bürgermeister Michael Reiter (FWG) lobte Lademanns Vorhaben: "Damit können temporär Baulücken geschlossen werden!“ Der CSU-Fraktionschef Roland Schweiger sah in Tiny Häusern sogar eine Chance, den allgemeinen Wohnungsmangel zu lindern: Auf unbebauten Grundstücken könnten auf diese Weise drei bis vier Wohneinheiten entstehen, statt des üblichen Einfamilienhauses: „Der Bedarf an kleinen Wohnungen wächst ständig!“
Lademanns Kleinstgebäude überzeugte nicht nur wegen seines geringen Flächenbedarfs sondern auch wegen seines nachhaltigen Konzepts. Es ist ein Vollholzgebäude, mit Wänden von einer Stärke von 26 Zentimetern, die sich zusammensetzen aus zehn Zentimeter dicken Massivholzwänden aus heimischer Fichte, einer 16 Zentimeter dicken Dämmschicht aus Schafwolle sowie einer Lärchenholzfassade. „Heimisch“ heißt in diesem Fall „österreichisch“, denn Lademann hatte sich für einen Hersteller aus unserem Nachbarland entschieden.
Im bisher kühlen Oktober hat Lademann noch kein einziges Mal gefroren. Ihr Holzofen sorge binnen kürzester Zeit für eine wohlige Wärme, erzählt die stolze Eigentümerin. Im heißen Spätsommer öffnete sie einfach Fenster und Tür oder ließ die Plissees herunter.
Bis zum Happy End – also dem Bezug ihres Häuschens – war indes noch einiges zu tun. Zum einen mussten die Österreicher das mobile Bauwerk erst einmal errichten. Zum anderen musste Lademann das Grundstück für die Aufstellung vorbereiten, also die Fläche ebnen und die Versorger animieren, ihr die Anschlüsse für Wasser, Abwasser und Strom auf das Grundstück, das sie gepachtet hat, zu legen. Vorgänge, die mehr als ein Jahr in Anspruch nahmen und sich auf rund 30 000 Euro addierten. Zu den genauen Kosten des Gebäudes äußert sich Lademann nicht. Der Hersteller spricht von 120 000 Euro bis 250 000 Euro „je nach Größe, Eigenleistung, Autarkie-Ausstattung“. Ein stolzer Preis zweifelsohne, allerdings nur ein Bruchteil der Baukosten eines gängigen Einfamilienhauses.
Lademann ist der Nachhaltigkeitsaspekt sehr wichtig. „Fast alle Materialien sind wiederverwendbar. Zudem ist mein Energiebedarf äußerst gering.“ Tatsächlich findet sich außer einer Kaffeemaschine nur noch Radio, die Waschmaschine und ein Warmwasserboiler in dem mobilen Gebäude. Dazu Anschlüsse für ihr Notebook und Smartphone. „Weil ich wenig Stauraum habe, kaufe ich einfach weniger ein als früher“, berichtet sie. „Denn jedes Mal, wenn mir etwas gefällt, stelle ich mir die Frage: Brauche ich das wirklich?“ Ihre Antwort lautet meistens: „Nein!“
„Ich möchte Mut machen , diesen Weg zu begehen“, betont Tanja Lademann, „auch wenn er manchmal schwierig ist.“

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