Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 31.07.2017 12:00

Hymnen an die Melancholie

Sänger, Schriftsteller und genialer Liedtexter:   Sven Regener, Frontmann von Element of Crime.	Fotos: Theo Harzer (Fotos: Theo Harzer)
Sänger, Schriftsteller und genialer Liedtexter: Sven Regener, Frontmann von Element of Crime. Fotos: Theo Harzer (Fotos: Theo Harzer)
Sänger, Schriftsteller und genialer Liedtexter: Sven Regener, Frontmann von Element of Crime. Fotos: Theo Harzer (Fotos: Theo Harzer)
Sänger, Schriftsteller und genialer Liedtexter: Sven Regener, Frontmann von Element of Crime. Fotos: Theo Harzer (Fotos: Theo Harzer)
Sänger, Schriftsteller und genialer Liedtexter: Sven Regener, Frontmann von Element of Crime. Fotos: Theo Harzer (Fotos: Theo Harzer)

„Ganz egal, woran ich gerade denke, am Ende denk ich immer nur an dich”, diesen Refrain kennt man doch, und spätestens, wenn Sven Regener am Liedende höchstselbst diese Zeilen wiederholt, fällt es einem wieder ein. Wer „Element of Crime” nicht nur als Feature hören, sondern ein ganzes Konzert dieser mittlerweile legendären, seit über 30 Jahren bestehenden Band miterleben wollte, konnte das am Samstagabend auf Schloss Scherneck tun.

Vor gut 1200 Zuschauern erhebt dort Sven Regener seine rauchig-traurige Stimme, erzählt von schwerer See, melancholische Saxophonklänge im Hintergrund und in der Ferne die Wolkenwand über dem Augsburger Hotelturm, fast als wäre irgendwo dort schon die Nordsee, so fühlt es sich jedenfalls an.

Ja, schon nachdem die ersten Akkorde angeschlagen sind, ist man sofort in dieser Element-of-Crime-Stimmung, dieser leisen Verlorenheit von Bremer und Hamburger Hafenkneipen nachts um halb drei, gleichzeitig aufgehoben und verloren in den Weiten der Musik. Eine Musik, die sich auszeichnet durch die Gitarrenriffs von Jakob Ilja und die Trompeteneinlagen von Sven Regener, durch ihre tragende Eindringlichkeit und gleichzeitige Härte. „Wir waren mal der Meinung, ein Akkord reicht auch, um Musik zu machen”, erzählt Regener. „Dann kann man auch noch im Zustand fortgeschrittener Trunkenheit auftreten, das war wichtig für uns.” Am Samstagabend ist aufseiten der Band von Rauschzuständen nichts zu merken. Menschen um die 50 sind da, die diese Musik an ihre Jugend erinnert, an die 90er, als sie selber vielleicht einsam waren und ihre Nächte in den Kneipen von Kreuzberg oder Oberhausen mit Tanzen und Biertrinken verbracht haben, an die Zeit, bevor die Kinder kamen und man angefangen hat, abends Nachrichten zu schauen, um einschlafen zu können.

Element of Crime schafft es, all die Hoffnungen und Träume und die Offenheit, die man als junger Mensch hatte, wieder aufleben zu lassen, und die Gefühle, die einem heute wahrscheinlich belanglos und blass erscheinen, die damals aber das Leben bestimmt haben, wieder zu spüren.

Sven Regener ist selbst nicht mehr der junge Künstler, den man von so manchem YouTube-Video noch kennt und der witzigerweise sogar eine gewisse Ähnlichkeit zu Kraftklub-Sänger Till Brummer aufweist. Aber er hat nichts von seinem Charme eingebüßt.

Egal ob beim Singen, Trompetespielen oder wenn er eine seiner humorvollen Ansprachen hält: „Und hier kommt ein echter Element of Crime-Klassiker, das ist ja wie im Sonntagsradio jetzt, wenn ich das ankündige, aber das Publikum will sie ja hören, die Klassiker: Wahr und gut und schön.”

Neben den eigenen Klassikern wird auch ein Lied eines ganz Großen gespielt. „Bob Dylan hat den Nobelpreis gewonnen. Ist zwar selber nicht zur Verleihung erschienen, hat aber Patti Smith geschickt. Wir wären auch vorbereitet gewesen, naja müssen wir das Lied eben hier spielen!” Und wenn man dann Regener „It's all over now, Baby Blue” singen hört, könnte man fast meinen, er hätte auch einen Nobelpreis verdient, für Zeilen wie diese: „Ihr Herz ist kalt wie ein gefrorenes Hühnchen/Ihre Schönheit überzuckert mit Gewalt”. Man treibt durch die Element of Crime-Geschichten, von dem verzweifelten Liebeslied „Mehr als sie erlaubt” über das tränentreibende „Vier Stunden vor Elbe 1” bis zum trotzigen „Am Ende denk ich immer nur an dich!”


Von Thomas Winter
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