Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 28.11.2017 12:00

Jenseits der TV-Bauernhof-Idylle

Autorin Ulrike Siegel   (links) las in Pöttmes, organisiert wurde der Abend unter anderem von der stellvertretenden Kreisbäuerin Stephanie Kopold-Keis.	Foto: Tina Blum (Foto: Tina Blum)
Autorin Ulrike Siegel (links) las in Pöttmes, organisiert wurde der Abend unter anderem von der stellvertretenden Kreisbäuerin Stephanie Kopold-Keis. Foto: Tina Blum (Foto: Tina Blum)
Autorin Ulrike Siegel (links) las in Pöttmes, organisiert wurde der Abend unter anderem von der stellvertretenden Kreisbäuerin Stephanie Kopold-Keis. Foto: Tina Blum (Foto: Tina Blum)
Autorin Ulrike Siegel (links) las in Pöttmes, organisiert wurde der Abend unter anderem von der stellvertretenden Kreisbäuerin Stephanie Kopold-Keis. Foto: Tina Blum (Foto: Tina Blum)
Autorin Ulrike Siegel (links) las in Pöttmes, organisiert wurde der Abend unter anderem von der stellvertretenden Kreisbäuerin Stephanie Kopold-Keis. Foto: Tina Blum (Foto: Tina Blum)

Das Leben auf dem Land liegt wieder im Trend. Idyllische goldglänzende Weizenfelder, süße Tierchen überall und Seelenruhe... Das Bild vom Leben auf dem Bauernhof, was viele Landmagazine sowie die bekannte Fernsehsendung „Bauer sucht Frau” propagieren, stößt Ulrike Siegel sauer auf.

Sie selbst ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und kennt die Realität. Das Spiel mit den Klischees gab ihr den Anstoß für ihre Bücher, in denen sie Geschichten von Bauerntöchtern - und später auch von Bauernsöhnen - sammelte und in ihren Bestsellern veröffentlichte.

Kürzlich las Ulrike Siegel einige Passagen aus ihren Büchern vor den Landfrauen im Kultursaal Pöttmes. Bis auf einige Ausnahmen seien alle Anwesenden selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, einige der Frauen arbeiten und leben sogar noch heute auf einem Hof. Mit ihnen begab sich die 56-Jährige auf die Reise in die Kindheitserinnerungen auf einem Bauernhof. „Jeder hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Gründe, den Bauernhof zu verlassen oder für immer dort zu bleiben. Das landwirtschaftliche Leben hat seine harten, als auch schönen Seiten, die sich in den Geschichten jedes Einzelnen wiederspiegeln”, berichtet die Autorin. Insgesamt elf Titel hat die Württembergerin verfasst, die sich mit dem Thema Landwirtschaft und dem Leben auf einem Bauernhof beschäftigen.

Sie selbst ist 1961 als älteste von vier Töchtern auf einem Bauernhof in Brackenheim in Baden-Württemberg geboren worden, und lebte und arbeitete lange Zeit in dem elterlichen Betrieb mit. Da ihre Mutter sehr früh verstarb, hatte sie als älteste Tochter viel Verantwortung zu tragen und erlebte als Kind die 60er Jahre, die Veränderungen in der Gesellschaft als auch in der Landwirtschaft, besonders intensiv: „Ich kann mich an einige Arbeiten, wie das Waschen der Wäsche im Halbautomaten noch sehr genau erinnern, meine jüngste Schwester gar nicht mehr”, erzählte Siegel. Besonders in der Schule habe sie den Unterschied zu anderen Kindern, deren Eltern außerhalb der Landwirtschaft tätig waren, gespürt: Die Ordnung in den neuerbauten Einfamilienhäusern, Urlaub mit den Eltern am Meer, Zoobesuche und andere Freizeitaktivitäten habe es in ihrer Kindheit nicht gegeben.

Dass die Bezeichnung „Du Bauer” zum Schimpfwort wurde, habe einige der auf dem Bauernhof aufwachsenden Kinder belastet. Doch die Erinnerungen sind nicht nur negativ. Ulrike Siegel versuchte in ihren gesammelten Erzählungen auch hervorzustellen, was die Bauernkindern für ihr weiteres Leben besonders geprägt hat: Das familiäre Umfeld und der Zusammenhalt, die Ruhe bei der Arbeit an der frischen Luft und besonders die Achtung und der Respekt für Mensch, Tier und Umwelt seien positive Erkenntnisse und Erlebnisse der Bauernkinder. Auch die Erinnerung an die Eltern und Großeltern, die bei ihrer Arbeit ihr eigener Herr waren und Befriedigung aus getaner Arbeit ohne zu klagen ziehen konnten, empfanden viele, auch diejenigen, die den Hof verließen, als besonders schön.

Daher habe nicht jeder dem Leben auf dem Bauernhof den Rücken gekehrt, einige der Erzählenden aus Siegels Büchern übernahmen den Hof und arbeiten noch heute dort. Siegel fasste vier Faktoren zusammen, die ausschlaggebend dafür waren, ob die Erinnerungen eher negativ, beziehungsweise positiv ausfielen: Maßgebend sei demnach die Stellung in der Geschwisterfolge, auch ob Großeltern mit auf dem Hof lebten, da diese mitarbeiteten und den Kindern einige Aufgaben abnahmen. Ebenfalls ausschlaggebend für die Frauen sei, ob ein Sohn unter den Kindern war, der die Frage nach der Hofübernahme erleichterte, als auch die Größe des Hofes und die Spezialisierung des Betriebs.

Alles in allem, ob die Erinnerungen nun eher schön oder schlecht waren, sei das Aufwachsen auf einem Hof für die Berichtenden als auch für Ulrike Siegel selbst, nicht nur eine Bürde, sondern auch eine Basis für das Leben gewesen. Auch die Veranstalterin und dreifache Mutter Stephanie Kopold-Keis lebt und arbeitet heute noch auf einem landwirtschaftlichen Betrieb. Ihre Kinder müssten heute natürlich nicht mehr so anpacken: „Wenn wir die Kartoffeln einlagern, hüpfen sie auf dem Wagen rum und wollen dabei sein, wenn wir arbeiten”, berichtet die stellvertretende Kreisbäuerin. Früher war das anders. Aufwachsen auf dem Hof als Basis für das Leben


Von Monika Grunert Glas
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