Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 29.12.2016 12:00

Speedway-Weltmeister Tim Wunderer: „Wer nicht dagegenhält, hat schon verloren”

Im Mai 2016 sichert sich Tim Wunderer   im polnischen Torun die Junioren-Weltmeisterschaft in der 125er-Klasse. 	Archivfoto: privat (Archivfoto: privat)
Im Mai 2016 sichert sich Tim Wunderer im polnischen Torun die Junioren-Weltmeisterschaft in der 125er-Klasse. Archivfoto: privat (Archivfoto: privat)
Im Mai 2016 sichert sich Tim Wunderer im polnischen Torun die Junioren-Weltmeisterschaft in der 125er-Klasse. Archivfoto: privat (Archivfoto: privat)
Im Mai 2016 sichert sich Tim Wunderer im polnischen Torun die Junioren-Weltmeisterschaft in der 125er-Klasse. Archivfoto: privat (Archivfoto: privat)
Im Mai 2016 sichert sich Tim Wunderer im polnischen Torun die Junioren-Weltmeisterschaft in der 125er-Klasse. Archivfoto: privat (Archivfoto: privat)

2016 war für Tim Wunderer das erfolgreichste Jahr seiner Karriere. Im Mai raste er in seinem letzten Rennen in der 125-ccm-Klasse im polnischen Speedway-Mekka Torun zum Sieg in der Youth Gold Trophy, der inoffiziellen Weltmeisterschaft. Der 15-Jährige hat ob dieses Triumphs schon zwei Auszeichnungen entgegengenommen: in Fürstenfeldbruck die des ADAC Süddeutschland, im thüringischen Suhl jene des Deutschen Motorsport-Vereins als Junioren-Motorsportler des Jahres. „Weltmeister wird man halt nicht jeden Tag”, sagt Vater Stephan Wunderer, 43, zu dem schieren Ehrungsmarathon und ergänzt, die Auszeichnung durch den DMSB, der die Hoheit über den Motorsport in Deutschland hat, sei schon die „wertvollste”.

Dem Filius leuchten heute noch die Augen, wenn er von dieser „riesigen Sache” in Polen erzählt, bei der er die Konkurrenz in Grund und Boden fuhr. Seine Mitschüler in der 10. Klasse am Deutschherren-Gymnasium in Aichach hören dann fasziniert zu. „Sie haben sich alle mit mir gefreut”, sagt Tim Wunderer, dessen Lieblingsfächer Sport und Physik sind.

Auch zwischen den Jahren herrscht im Hause Wunderer in Griesbeckerzell Betriebsamkeit. „Wir bauen gerade die Motorräder für die nächste Saison auf”, sagt der Vater, der in Dasing eine Putz-Firma betreibt. In der Werkstatt im Keller steht auf einer erhöhten kleinen Arbeitsbühne das Gerippe einer Speedway-Maschine, hinten im Eck parkt eine 125-ccm-Enduro. Es ist Tims Geburtstagsgeschenk. Am 3. Januar wird er 16.

So erfolgreich 2016 für Tim Wunderer auch war - unter anderem gewann er mit seinen jüngeren Bruder Tobias, 10, für das Team des MSC Olching den Bayern-Cup -, er hat in diesem Jahr auch erkennen müssen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. „Tim hat geglaubt, der Wechsel in die Viertelliterklasse wäre leichter”, stellt Stephan Wunderer fest. Nach dem Umstieg habe sich der Sohnemann „schwer getan”. Die 250er sei schon eine „ganze andere Klasse”, hat Tim Wunderer in Erfahrung bringen müssen. Nicht nur, dass die Motoren 45 statt 20 PS haben, die auf dem in der Regel 400 Meter langen Sandoval für Spitzengeschwindigkeiten von 120 km/h sorgen. Es geht vor allem darum, dass in dieser Kategorie, in der die Fahrer 15 bis 18 Jahre alt sind, ungleich körperbetonter attackiert wird. „Da wird viel entschlossener auf die erste Kurve zugefahren. Wer nicht dagegenhält, hat schon verloren”, sagt Tim Wunderer. Das Feld von hinten aufzurollen, sei in der höchsten Juniorenklasse „viel schwieriger” als bei den 125ern.

Das zunächst überschaubare Abschneiden im neuen sportlichen Umfeld sei auch Kopfsache gewesen, räumt der Youngster ein. „Du denkst, was in der 125er geklappt hat, klappt in der 250er auch.” Ein Trugschluss. Die Viertelliterklasse dominierten in der abgelaufenen Saison die Dänen, für Wunderer reichte es immerhin zu einem Platz im vorderen Mittelfeld. Von seinem Idol Martin Smolinski hat er sich manchen Ratschlag geholt. Smolinski, 32, ein gebürtiger Olchinger, der in der Bundesliga für Landshut fährt, ist hierzulande im Speedway das Maß aller Dinge. Seine Tipps haben Tim Wunderer auch geholfen. Übers Jahr arbeitete er sich nach vorne. In den finalen Zügen der Saison hatte er den Anschluss an die Spitze gefunden. Da fuhr ihn Ende Oktober ausgerechnet in Torun, der Stätte seines bis dato größten Triumphs, ein allzu forscher Pole im Einzelrennen in der Kurve von hinten vom Motorrad. Tags zuvor war Wunderer im Mannschaftsbewerb (gegen Polen, Dänen und Tschechen) für den deutschen Juniorenkader nominiert worden. Tims tschechische Jawa hatte Totalschaden - bis auf den Motor. Vater Stephan zeigt gleichsam als Beweis für die Wucht des Zusammenstoßes die total verbogene Gabel. Für Tim ging die Karambolage glimpflich ab. Der Zeller erlitt nur einen Kapselriss im Sprunggelenk. Der hinderte ihn nicht, gleich wieder auf ein Ersatzmotorrad zu steigen und weiterzufahren.

Um für die im März beginnende Saison gerüstet zu sein, wird Tim Wunderer in den Faschingsferien zu einem Trainingslager ins italienische Lonigo bei Verona aufbrechen. Anschließend geht's noch für drei Tage nach Gorican in Kroatien. Tim dürfe sich nicht zu sehr unter Druck setzen, wird der Vater dem Filius mit auf den Weg geben. 2016 habe er einige Male einfach „zu viel gewollt”. Im nächsten Jahr werde es vorrangiges Ziel sein, „international zu Rande zu kommen”. Tim ist optimistischer: „Podiumsplätze sind drin, wenn auch nicht in jedem Rennen.” Als Erwachsener will er Speedway-Profi sein, das ist sein großes Ziel. Dann muss Tim Wunderer auf den Sandpisten eine 500-ccm-Maschine bändigen, die mit ihren 78 PS beschleunigt wie ein Formel-1-Bolide.

Wer weiß, vielleicht taucht Speedway dann auch wieder bei den großen TV-Sendern auf wie zu Zeiten des legendären Egon Müller, des einzigen deutschen Speedway-Weltmeisters (1983). Heute führt diese mitreißende Sportart ein kümmerliches Dasein in Nischenkanälen. Geldgeber aus Industrie und Wirtschaft sind so kaum aufzutreiben. „Natürlich wäre es für uns viel leichter, Sponsoren zu finden, wenn wir im Fernsehen präsenter wären”, sagt Stephan Wunderer. Was Mäzene angehe, habe sein Sohn „noch viel Luft nach oben”. Der Vater muss dessen Karriere fast ganz aus der eigenen Tasche finanzieren. Keine billige Angelegenheit. Eine Speedway-Maschine kostet etwa 10 000 Euro. Dazu kommen die Reisen zu den Sandbahnen des Kontinents im umgebauten Kombi. Früher hat sich der Vater als Bayern-Fan jedes Heimspiel angeschaut; das kann er sich inzwischen abschminken, so oft, wie er mit dem Filius an den Wochenenden unterwegs ist.

Stephan Wunderer wird sich 2017 auf jeden Fall wieder mehr um Tobias kümmern, das hat er seinem jüngeren Sohn versprochen. Den Zehnjährigen habe er in der vergangenen Saison auch aufgrund der Erfolge Tims etwas vernachlässigt, bekennt der Vater. Tobi, süddeutscher und bayerischer Meister in der 50-ccm-Kategorie, wechselt zur neuen Saison in die Achtelliterklasse. Bei den 250ern wird mit viel mehr Körpereinsatz gefahren Mangels TV-Präsenz sind kaum Sponsoren zu gewinnen


Von Heribert Oberhauser
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