Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 30.12.2016 12:00

Ricarda Walkling lebt ihren Traum

Zu Hause in Obergriesbach:    Ricarda Walkling in ihrem Kinderzimmer. Die Fußballerin verbringt ihre vierwöchigen Semesterferien in der Heimat, ehe es wieder zurück an die North Carolina State University in Raleigh geht. 	Foto: Tanja Marsal (Foto: Tanja Marsal)
Zu Hause in Obergriesbach: Ricarda Walkling in ihrem Kinderzimmer. Die Fußballerin verbringt ihre vierwöchigen Semesterferien in der Heimat, ehe es wieder zurück an die North Carolina State University in Raleigh geht. Foto: Tanja Marsal (Foto: Tanja Marsal)
Zu Hause in Obergriesbach: Ricarda Walkling in ihrem Kinderzimmer. Die Fußballerin verbringt ihre vierwöchigen Semesterferien in der Heimat, ehe es wieder zurück an die North Carolina State University in Raleigh geht. Foto: Tanja Marsal (Foto: Tanja Marsal)
Zu Hause in Obergriesbach: Ricarda Walkling in ihrem Kinderzimmer. Die Fußballerin verbringt ihre vierwöchigen Semesterferien in der Heimat, ehe es wieder zurück an die North Carolina State University in Raleigh geht. Foto: Tanja Marsal (Foto: Tanja Marsal)
Zu Hause in Obergriesbach: Ricarda Walkling in ihrem Kinderzimmer. Die Fußballerin verbringt ihre vierwöchigen Semesterferien in der Heimat, ehe es wieder zurück an die North Carolina State University in Raleigh geht. Foto: Tanja Marsal (Foto: Tanja Marsal)

Dass sie von Gleichaltrigen um ihr Leben beneidet wird, weiß die Studentin, die ihr Abitur am Gymnasium in Schrobenhausen gemacht hat. Die Abschlussnote will sie nicht öffentlich machen, obwohl sie sich wegen ihres Schnitts nicht grämen muss. Doch Walkling hat hohe Ansprüche, und das in allen Lebensbereichen. „Ich habe auf vieles verzichten müssen, und sehe das Stipendium nun als eine Art Lohn für die harte Arbeit”, erklärt sie. Während ihre Freunde nach der Schule zum Baden oder einfach in die Stadt gegangen sind, musste sie ihre Hausaufgaben erledigen, um abends pünktlich im Training beim FC Bayern München zu sein, wo sie bis zuletzt dem Bundesligakader angehörte.

Für ihre 19 Jahre wirkt die gebürtige Hannoveranerin sehr reif und selbstbewusst. Ihren Besuch von der Zeitung empfängt sie in legerer, sportlicher Kleidung. Sie trägt Leggings und einen schwarzen Kapuzenpullover, die Nägel sind rot lackiert, die Haare locker zum Dutt gebunden. Während des Gesprächs sitzt sie entspannt auf ihrem Bett im Kinderzimmer des Elternhauses und erzählt von ihren Erlebnissen rund um den neuen Lebensabschnitt. Sie weiß, was sie will. Während viele andere Jugendliche in ihrem Alter keine oder täglich wechselnde Zukunftspläne haben, geht Ricarda Walkling ihren Weg. Dieser führte im Sommer nach Amerika. Dank eines Stipendiums darf Walkling an der North Carolina State University Hotel- und Tourismusmanagement studieren. Und das Besondere - gleichzeitig Fußball spielen.

Jeden Tag stehen ein bis zwei Trainingseinheiten auf dem Programm. Der Campus ist riesengroß. Die Uni in Raleigh, der Hauptstadt North Carolinas (430 000 Einwohner), besuchen über 30 000 Studenten. Zum Vergleich: Aichach hat 20 000 Einwohner. Hinzukommen 2068 wissenschaftliche und 5554 administrative Mitarbeiter an der Hochschule. „Am Anfang war es schon schwer, sich zurechtzufinden, aber nach ein paar Wochen war alles gut”, berichtet Walkling, die inzwischen auch die sprachlichen Schwierigkeiten überwunden hat.

Walklings Wecker klingelt um 7.15 Uhr, um 7.45 Uhr müssen die Fußballerinnen auf dem Platz stehen. Ein neunköpfiges Team, bestehend aus Chefcoach, Co-, Athletik- und Torwarttrainern sowie zwei Physiotherapeuten und einem Zeugwart, kümmert sich um die jungen Sportlerinnen. Frühstück gibt es in der Kabine. Gegen elf Uhr geht es unter die Dusche, danach in die Vorlesung. Gegessen wird gemeinsam in der Mensa, mittags und abends gegen 18 Uhr. Der Tag ist getaktet und durchgeplant. Sogar die Lernzeit ist vorgeschrieben. Acht Stunden wöchentlich sollen die Studenten den vermittelten Stoff vertiefen. Zur Kontrolle wird in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten, dem so genannten „academic center”, gestempelt. Meistens heißt das für Ricarda Walkling, nach dem Abendessen nochmal dorthin zu gehen. Danach ist Feierabend. Auch diesen verbringen die College-Studentinnen gemeinsam. Ihr Zimmer teilt sich die Obergriesbacherin mit der Deutschen Christina Schuster, die sie bereits aus gemeinsamen Zeiten beim FC Bayern kennt.

Mit Problemen und Fragen können sich die Studenten an „academic advisors” wenden. Das sind hauptamtliche Tutoren, die sich um die Belange der jungen Leute kümmern. Die amerikanische Mentalität gefällt Walkling. „Die Menschen sind total nett, offen und freundlich und irgendwie gelassener als die Deutschen.”

Zu ihrem Stipendium kam Walkling fast durch Zufall. Eine Freundin, Franziska Jaser aus Burgau, war zwei Jahre lang an der selben Universität und stellte den Kontakt zum Frauenfußball-Trainer Tim Santoro her. „Ein Jahr an der Uni kostet 40 000 Euro”, weiß die jüngste von drei Töchtern im Hause Walkling. Dass das sehr viel Geld ist, und nicht viele in den Genuss kommen, an einem amerikanischen College ihrer Sportart zu frönen und gleichzeitig eine gute Hochschulausbildung zu genießen, ist der bald 20-Jährigen bewusst. So sei es ihr „eine Ehre”, für ihre Uni Fußball spielen zu dürfen. Das wiederum ist nicht nur Spaß und Gaudi. „In vier Monaten USA-Aufenthalt habe ich so viele Spiele absolviert wie in Deutschland in einem Jahr”, verdeutlicht die inzwischen ehemalige U19-Nationalspielerin - als Nächstes peilt sie den Sprung in die DFB-Frauenauswahl an. In der „round of 16” war für ihre Collegemannschaft Schluss. 354 Teams waren angetreten zu dem Wettbewerb der Universitäten, dessen Modus Walkling als „sehr kompliziert” bezeichnet. Gespielt wird jedenfalls gegen andere amerikanische Colleges, was weite Anreisen mit sich bringt. Über 30 Flüge trat Walkling mit ihrer Truppe bereits an.

Der Frauenfußball in den Vereinigten Staaten sei angesehener als in Europa, findet Walkling. Die Trainingsbedingungen seien ebenfalls besser. Auch die Methoden unterscheiden sich. „In Deutschland wird mehr Wert auf Taktik und das Spielerische gelegt, während die Amerikaner athletischer sind”, vergleicht die Mittelfeldspielerin, die ihren aktuellen Trainingszustand hoch einschätzt: „Ich fühle mich sehr fit.” Um während der Weihnachtszeit körperlich nicht abzubauen, geht Ricarda Walkling jeden Tag in ein Ecknacher Fitnessstudio, macht dort Kraft- und Ausdauerübungen. Woher nimmt eine junge Frau diese Disziplin und Energie? „Ich brauche das einfach, sonst fehlt mir was”, sagt sie lachend. Zusätzlich hat sie sich während ihres Heimataufenthaltes bereits mehrmals zum Fußballspielen mit Freunden in Schrobenhausen getroffen. Dafür konnte sie sich an Weihnachten auch ohne Reue das Raclette und die Gans schmecken lassen. Die Feiertage verbrachte sie mit der Familie, zu der Mama Regine, Vater Christian sowie die Schwestern Sabrina (21) und Anne Katrin (25) gehören. Silvester will Walkling mit Freunden feiern, ehe es am 7. Januar wieder zurück nach North Carolina geht. Bis dahin will sich die junge Fußballerin darüber im Klaren sein, ob sie ein weiteres Jahr in Amerika bleibt oder zurückkehrt nach Good Old Germany.

Wie auch immer die Entscheidung ausfallen wird, ein Traum war es allemal . . . Ein College-Jahr kostet 40 000 Euro „Die Amerikaner sind total nett, offen und freundlich”


Von Tanja Marsal
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