Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 01.07.2016 12:00

TSV Aindling: Insolvenz ist vom Tisch

Flankiert von seinen Vorstandskollegen Anton Stollreiter   (links) und Josef Kigle (rechts), gab Präsident Ludwig Grammer am Mittwoch offiziell bekannt, dass der TSV Aindling die Insolvenz abgewendet hat. 	Foto: Heribert Oberhauser (Foto: Heribert Oberhauser)
Flankiert von seinen Vorstandskollegen Anton Stollreiter (links) und Josef Kigle (rechts), gab Präsident Ludwig Grammer am Mittwoch offiziell bekannt, dass der TSV Aindling die Insolvenz abgewendet hat. Foto: Heribert Oberhauser (Foto: Heribert Oberhauser)
Flankiert von seinen Vorstandskollegen Anton Stollreiter (links) und Josef Kigle (rechts), gab Präsident Ludwig Grammer am Mittwoch offiziell bekannt, dass der TSV Aindling die Insolvenz abgewendet hat. Foto: Heribert Oberhauser (Foto: Heribert Oberhauser)
Flankiert von seinen Vorstandskollegen Anton Stollreiter (links) und Josef Kigle (rechts), gab Präsident Ludwig Grammer am Mittwoch offiziell bekannt, dass der TSV Aindling die Insolvenz abgewendet hat. Foto: Heribert Oberhauser (Foto: Heribert Oberhauser)
Flankiert von seinen Vorstandskollegen Anton Stollreiter (links) und Josef Kigle (rechts), gab Präsident Ludwig Grammer am Mittwoch offiziell bekannt, dass der TSV Aindling die Insolvenz abgewendet hat. Foto: Heribert Oberhauser (Foto: Heribert Oberhauser)

Zum einen erleichtert, aber auch spürbar mitgenommen von einer schweren Zeit saß Grammer am Mittwochabend bei der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Tisch in der Gaststätte des Sportheims, flankiert von den Vorständen Anton Stollreiter (Geschäftsführung) und Josef Kigle (Spielbetrieb). Grammer hatte sich in den vergangenen Monaten schier aufgerieben, um den TSV vor dem Konkurs zu bewahren. 2016 verging kein Tag, an dem der 66-Jährige nicht mit dem leidigen Thema befasst war. „Ohne Grammers Engagement hätten wir es nie geschafft, dass der Kelch an uns vorübergeht”, sagte Stollreiter. Kigle ergänzte: „Dankesworte reichen nicht aus für das, was Grammer für den Verein getan hat. Dafür müssen wir ihm schon noch etwas zukommen lassen.”

Er könne seine Bücher schließen und die TSV-Führung wieder die Kontrolle über den Verein übernehmen, brachte der am 17. August 2015 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte Christian Plail seine Freude über den erfolgreichen Abschluss der langen Verhandlungen mit den Steuerbehörden und den Sozialversicherungsträgern zum Ausdruck. Grammer dankte Plail für eine „rechtlich wie menschlich angenehme Zusammenarbeit” und erinnerte an einen Satz des Augsburger Anwalts vom März 2016. Damals hatte Plail gesagt, sein Ziel sei es, „sich selbst abzuschaffen”. Grammer würdigte auch die großen Verdienste des TSV-Mitglieds Hannes Mertl. Den Wirtschaftsprüfer und Steuerberater hatte der TSV Anfang 2014 mit ins Boot genommen. Mertl arbeitete wesentlich an der Neuberechnung der Schadenssumme und am Vergleichsvorschlag mit, mit dem die Parteien letztendlich doch den Durchbruch schafften.

Die Folgen einer Insolvenz wären „fatal und nicht abzuschätzen” gewesen, machte sich Grammer nichts vor. Gerade bei ihm wäre in diesem Fall „viel abgestorben”, wo er den TSV doch über Jahrzehnte mit „Herzblut” unterstützt hätte.

Mit der Rücknahme des Insolvenzantrags sei auch die sportliche Zukunft des TSV gesichert, sagte Grammer. Die erste Mannschaft wird weiterhin in der Landesliga spielen. „Das haben uns etliche nicht mehr zugetraut”, schickte der Präsident eine Grußadresse an all die, die die Rot-Weißen längst totgesagt hatten. „Jetzt san s' g'richt”, war über die vergangenen Jahre in der Causa TSV Aindling zu einer gängigen Redewendung geworden.

So separat der Steuerprozess und das drohende Insolvenzverfahren einerseits abzuhandeln waren, so eng waren sie auf der anderen Seite miteinander verknüpft. Als der Prozess zu Ende gegangen und die im Vergleich ausgehandelten 550 000 Euro (bezahlt zu unterschiedlichen Anteilen von den vier Angeklagten und zwei ehemaligen, nicht angeklagten Vorständen) auf ein Treuhandkonto geflossen waren, war die Rettung des TSV ganz nahe, was auch Richterin Simone Hacker entsprechend bewertete.

Dennoch saß Grammer am 29. Juni in der Früh noch auf Kohlen. Bis 30. Juni wollte der Bayerische Fußballverband wissen, was Sache ist. Würde Aindling (bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens) fortan in der Bezirksliga spielen oder weiter in der Landesliga? Finanzamt, Rentenversicherung, Bahn BKK, AOK und BLSV hatten dem Vergleich schon zugestimmt, das Plazet der Bundesagentur für Arbeit indes stand noch aus (die Darlehen, die der Verein bei der Aindlinger Raiffeisenbank und der Schlossbrauerei Unterbaar laufen hat, waren in den Vergleichsvorschlag nicht eingebunden). Als dem TSV um halb zehn endlich auch das Okay aus Nürnberg ins Haus flatterte, fiel Grammer ein Stein vom Herzen. Bevor nicht auch der letzte Gläubiger das Angebot der Angeklagten zur Wiedergutmachung des Schadens akzeptiert hätte, habe er sich bei aller Zuversicht Zurückhaltung auferlegt, betonte Grammer, „denn wär's doch noch schiefgelaufen, hätte ich es allein verantworten müssen”.

Grammer blickte am Mittwoch auch noch einmal auf gut viereinhalb Jahre zurück, in denen das Damoklesschwert über dem Schüsselhauser Kreuz baumelte. Angefangen mit der Razzia durch die Zollfahnder am 30. November 2011, dem 62. Geburtstag des Präsidenten. Es seien Monate von quälender Ungewissheit gefolgt, sagte Grammer. Der Ermitlungsbericht über 1600 Seiten sei 2014 schon mal „niederschmetternd” gewesen. Die dort genannten Summen (die Rede war zunächst von 1,5 Millionen Euro, später wurden daraus sogar 2,1 Millionen) seien nicht zu bewältigen, das war klar.

Im Juli 2014 war die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft fertig. Von den acht aktuellen oder ehemaligen Vereinsfunktionären, gegen die ursprünglich ermittelt worden war, blieben vier Angeklagte übrig. Im Juni 2015 legte das Amtsgericht Augsburg drei Verhandlungstermine fest; dass daraus später 16 (tatsächlich waren es dann zwölf) wurden, sei der nächste Schock gewesen, bekannte Grammer.

Die Gespräche mit den Gläubigern gestalteten sich schwierig. Vor allem das Finanzamt habe sich beim Bestreben des Vereins nach einer gütlichen Einigung lange quergestellt, sagt Grammer. Dagegen seien die Sozialkassen, eigentlich als hartnäckigerer Verhandlungspartner eingeschätzt, eher zu Zugeständnissen bereit gewesen. Die Rentenversicherung stimmte dem Vergleichsvorschlag Anfang 2016 auch als Erste zu. Die verhärteten Fronten zur Steuerbehörde seien erst im Februar 2016 aufgeweicht worden, sagt Grammer, nachdem er mit Hannes Mertl in München endlich einmal ein fruchtbares Gespräch mit dem widerborstigen Fiskus gehabt hätte.

Als dem TSV jedenfalls am 30. Juli 2015 der erste Zahlungsbescheid des Finanzamts zur Umsatzsteuer zugestellt wurde, blieb Grammer nichts anderes mehr übrig, als am 17. August 2015 den vorläufigen Insolvenzantrag zu stellen.

Die Situation der vier Angeklagten und damit auch des TSV wesentlich gebessert hat schließlich der Antrag von Dr. Thorsten Junker, dem Anwalt des früheren Finanzvorstands. Junker forderte mit Erfolg, die Schadenssumme entsprechend eines Urteils des Landessozialgerichts Niedersachen-Bremen neu zu berechnen. So reduzierte sich der Betrag von 2,1 Millionen auf gut eine Million Euro.

„Wir sind zahlungsfähig”, ließ Grammer am Mittwochabend etwa zwanzig anwesende Mitglieder, darunter auch einige Fußballer, wissen, „wenn alles abgegolten ist, wird noch Geld da sein.” Der Präsident hofft, dass der TSV künftig bei Sponsoren wieder besser angesehen ist, nachdem er die vorübergehend aberkannte Gemeinnützigkeit zurückerhalten hat.

Ob er sich 2017 noch einmal zur Wahl stellt, darüber hielt sich der pensionierte Bauingenieur bedeckt. Er hatte in den letzten Jahren oft genug betont, seinen Verein in dessen schwerster Phase nicht im Stich zu lassen. „Jetzt müssen wir erst einmal wieder alles in normale Bahnen lenken, da haben wir einen Haufen Arbeit vor uns”, stellte Grammer fest. „Jetzt müssen wir erst einmal wieder alles in normale Bahnen lenken, da haben wir einen Haufen Arbeit vor uns”


Von Heribert Oberhauser
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