Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 26.01.2016 12:00

AIndling-Prozess: Fußballer mit Gedächtnislücken

Der Vormittag hat Richterin Simone Hacker vermutlich kaum weitergebracht bei ihrer Aufgabe, Licht ins Dunkel des Systems TSV Aindling zu bringen, bei dem nur ein Teil der Steuern und Sozialabgaben entrichtet wurde.

Ein Kicker, der vor knapp acht Jahren eine Saison in Diensten der Rot-Weißen stand, konnte sich bei den Fragen der Richterin an so gut wie gar nichts erinnern. Weder daran, wieviel er konkret als Salär erhielt („Es ist mir nie ums Geld gegangen, sondern nur um den Spaß”), ob der Betrag bar ausbezahlt oder überwiesen worden sei. Erst als Hacker nachhakte und auf eine Vernehmung durch den Zoll aus dem August 2012 verwies, dämmerte es dem Friedberger wieder, dass ein Teil überwiesen und der Rest (Prämien und Aufwandsentschädigung über den Amateurvertrag von 180 Euro hinaus) vom Vorstand Finanzen oder Spielbetrieb bar ausbezahlt worden sei - die gängige Praxis beim TSV.

Bei ihren Einlassungen am ersten Prozesstag vor zwei Wochen hatten die vier Angeklagten betont, nie Verhandlungen mit Spielern geführt zu haben. Das bestätigten die Zeugen nur zum Teil. Ein Spieler erinnerte sich, mit den drei angeklagten Präsidenten (zwei frühere und der aktuelle) Verträge ausgehandelt zu haben. Allerdings nicht mit dem Vorstand Finanzen. Der sei für die Abrechnung zuständig gewesen. Für die Gespräche, in denen die (pekuniären) Modalitäten für eine Verpflichtung festgezurrt wurden, sei in der Mehrzahl der Fälle der Spielbetriebsvorsitzende zuständig gewesen, stellten die Fußballer klar. Ein Spieler gab an, nur mit dem damaligen Trainer über seine Verpflichtung gesprochen zu haben.

Die Gage für Aindlings gehobene Ballgesellschaft teilte sich in den Amateurvertrag (Festbetrag von 250 Euro), Punkt- und Auflaufprämien (in einem speziellen Fall 25 und 70 Euro) sowie eine Aufwandsentschädigung, wobei letztere zwei Posten am Fiskus und an den Sozialkassen vorbeigeschleust wurden. Mancher Spieler aus dem Bayernligakader kassierte eine Übungsleiterpauschale, firmierte damit offiziell als Jugendtrainer, ohne jemals ein Nachwuchsteam des TSV trainiert zu haben. Er sei nie gefragt worden, ob er denn auch als Übungsleiter tätig sei, bekannte ein Zeuge.

Nach der Razzia vom 30. November 2011 sei das kickende Personal angehalten worden, die Fahrten zum Training und zu den Spielen genau zu dokumentieren; vorher hätte es diese konkreten Aufzeichnungen nicht gegeben, sagte ein Spieler, der in der Saison 2011/12 den rot-weißen Dress trug. Staatsanwalt Dr. Andreas Breitschaft interessierte, wer damals mit der Mannschaft gesprochen habe. Der Präsident und der Vorstand Spielbetrieb, bekam er als Antwort.

Den meisten Spielern wurde ein Teil ihres Entgelts überwiesen, der Rest in bar ausbezahlt. Zahltag sei immer an einem vereinbarten Termin gewesen. Dann ist ihnen im Geschäftszimmer des Sportheims das Geld vom Präsidenten oder dem Finanzvorstand ausgehändigt worden.

Damit es sich rentiere, wolle er seinen Lohn netto, meinte ein Spieler gegenüber dem Vorstand Spielbetrieb. „Kein Problem”, hätte der entgegnet, „der Verein hat ein Steuerbüro.”

Während es sich bei den vier Zeugen des Vormittags um „Leichtgewichte” in der Aindlinger Bayernliga-Historie handelte, waren nach der Mittagspause zwei „Schwergewichte” geladen. Gegen die beiden war in dieser Sache auch ein Verfahren anhängig, das gegen eine Geldauflage im niedrigen fünfstelligen Bereich inzwischen eingestellt worden ist.

Die Aufwandsentschädigung hätte die Fahrten sowie ein „Bonus-System” (Punkt- und Einsatzprämien) beinhaltet, erklärte der am längsten beim TSV unter Vertrag stehende Spieler (2003 bis 2015). Er habe über all seine Fahrten Buch geführt und diese Aufzeichnungen auch dem Finanzamt und der Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) zukommen lassen. Hinter der Barauszahlung vermutete er „abrechnungstechnische Gründe”. Da er dabei jedes Mal eine Quittung unterschrieb, habe er gedacht, die Sache sei „offiziell”. Außerdem habe er festgestellt, dass sich der Verein nach der Razzia eingehender mit der Finanzthematik beschäftigt habe.

Simone Hacker wollte von allen sechs Zeugen wissen, wie viel sie aus eigener Tasche in den Fußball investierten, konkret etwa, wie viele Fußballschuhe sie sich im Jahr kaufen mussten. Vier oder fünf Paar war die Antwort. Die junge Richterin versuchte damit in Erfahrung zu bringen, in welcher Relation der Kickerlohn zu den Ausgaben stand. Dabei räumten alle ein, dass ihnen durchaus etwas übrig blieb.

Der letzte Zeuge am Montag (insgesamt sind für die Hauptverhandlung dreißig vorgesehen) hielt seine Knochen für den TSV von 2004 bis 2011 hin. Er war ein Spieler von höherer Klasse. Zwischendurch ist die Einsatzprämie seinem Wert für die Mannschaft angepasst worden. Für ein Unentschieden gab's in jener Zeit 50 Euro, für den Sieg 125. Seine Fahrten habe er nicht immer aufgeschrieben, beschied der 35-Jährige der Richterin, da er glaubte, der Verein werde schon darüber Buch führen.

Selbstredend habe er sich in seiner Anfangszeit beim TSV Gedanken darüber gemacht, ob es mit der Entlohnung „richtig läuft” und darob den Finanzvorstand angesprochen. Der Schatzmeister, im Beruf Steuerberater, habe ihm daraufhin erklärt, alles sei korrekt, er brauche sich keine Sorgen zu machen. Vorstand Finanzen versichert Spieler, bei der Entlohnung sei alles korrekt


Von AZ-Notebook AZ-Notebook
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