Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 18.06.2018 12:00

Am Ziel der Träume: Tina Rupprecht ist Box-Weltmeisterin

Auf den Schultern ihres Trainers Alexander Haan   lässt sich Tina Rupprecht nach dem Urteil feiern.
Auf den Schultern ihres Trainers Alexander Haan lässt sich Tina Rupprecht nach dem Urteil feiern.
Auf den Schultern ihres Trainers Alexander Haan lässt sich Tina Rupprecht nach dem Urteil feiern.
Auf den Schultern ihres Trainers Alexander Haan lässt sich Tina Rupprecht nach dem Urteil feiern.
Auf den Schultern ihres Trainers Alexander Haan lässt sich Tina Rupprecht nach dem Urteil feiern.

„Es war knapp, aber ich habe verdient gewonnen”, sagte Tina Rupprecht am Ziel ihrer Träume mit Bestimmtheit. Sie trug neben der Titel-Insignie um die Hüften auch ein Veilchen am rechten Auge und eine kleine Platzwunde zwischen den blonden Zöpfchen. Der Cut rührte von einem Ellbogencheck Valles in der achten Runde. Als er seine Tochter am Kopf bluten sah, sei er „in Sorge” gewesen, sagte Vater Herbert Rupprecht, der neben Tinas Freund Tobias Wieland im Fanblock saß. Am Schluss sei er „unglaublich erleichtert” gewesen, gestand Rupprecht. Denn anders als die Tochter war er sich nicht sicher, dass sie gewonnen hat.

Der Zehn-Runden-Kampf war jedenfalls ganz eng für einen nicht als Box-Experte ausgewiesenen Betrachter. Für die drei Punktrichter war er das weniger. Die Herren aus Italien, Frankreich und Finnland werteten 98:95 und zwei Mal 97:94 für Tina Rupprecht. „Ich war bei allen Punktrichtern drei Runden vorne, das ist dann schon eindeutig”, meinte die Gewinnerin.

Yakosta Valle sah es ganz anders. Die Mittelamerikanerin rechnete nach dem finalen Gong ebenso fest mit einem Sieg wie Tina Rupprecht und war ob der Niederlage so frustriert, dass sie den Ring nach der Bekanntgabe des Urteils fluchtartig verließ, ohne ihrer Gegnerin zu gratulieren. Auch danach habe es keinen Kontakt mehr mit Valle gegeben, sagte Tina Rupprecht.

Tobias Wieland war überzeugt, dass seine Freundin gewinnen würde. Er wähnte sie „lockerer als das letzte Mal” in Kühbach. Überhaupt habe er von Anfang an ein „gutes Gefühl” gehabt, dass es mit der Weltmeisterschaft klappt.

Trainer Alexander Haan, der seinen Schützling nach dem Urteil auf den Schultern durch den Ring trug, war über die Zwischenstände informiert. Tina Rupprecht, mit rosa Röckchen und goldenem Oberteil, hatte die ersten vier Runden für sich entschieden, indem sie die Auseinandersetzung aus der Ringmitte diktierte; die Durchgänge fünf und sechs gingen an die gleichaltrige Yakosta Valle. Aber bevor der Kampf kippen konnte, ergriff Tina Rupprecht wieder die Initiative. Vor den letzten zwei Runden wusste sie, dass sie nur noch durch einen Knockout verlieren konnte. „Ich habe da noch einmal alles gegeben”, sagte die Augsburgerin. Tatsächlich hatten es die finalen vier Minuten in sich. Mit unglaublichem Tempo wirbelten die beiden Protagonistinnen durchs Seilgeviert, wobei es ihnen häufig gelang, den Schlägen der Rivalin auszuweichen. „Weil der Kampf taktisch geprägt war, gab es nicht so viele Treffer wie sonst”, bestätigte Tina Rupprecht. Wichtig war es für sie, dass die elf Zentimeter größere Costaricanerin aus ihren Reichweitenvorteilen kein Kapital schlagen konnte.

Die angehende Grundschullehrerin war von ihrem Trainer taktisch hervorragend eingestellt worden. Yakosta Valle aus der Hauptstadt San José konnte Alexander Haan nicht überraschen. „Sie hat geboxt, wie wir sie erwartet haben”, erklärte der Chef des Augsburger Boxclubs Haan, „mit guter Kondition zehn Runden Power.” Die Costaricanerin sei jedenfalls eine „höhere Stufe” gewesen als die bisherigen Widersacherinnen. Tina Rupprecht konnte sich nicht zu einem Superlativ durchringen; sie meinte, es sei „einer meiner schwersten Kämpfe” gewesen.

„Als sich Tina dem Boxen verschrieben hat, war es ihr Wunsch und Ziel, Weltmeisterin zu werden, das hat sie jetzt geschafft, ich bin stolz auf sie”, sagte Herbert Rupprecht, der zwei weitere Töchter (27, 22) hat, sichtlich ergriffen. Enttäuscht war der Vater, der früher Fußball gespielt hat, dass vor dem Kampf keine Hymnen vorgetragen wurden, wie bei WM-Kämpfen üblich. „Wahrscheinlich wegen Zeitmangels”, spielte Tina Rupprecht das Versäumnis herunter.

Was dem Vater außerdem missfiel, war die frühe Ansetzung. Tina Rupprecht war schon im sechsten von zwölf Kämpfen (um 19.20 Uhr) an der Reihe, als noch nicht einmal die Hälfte der am Ende knapp 2000 Zuschauer im nicht ausverkauften Saal war. Dabei war ihr Duell mit Valle doch von der Bedeutung her das höchstwertige. Aber Frauen haben es nicht leicht inmitten von Männern, die martialische Kampfnamen tragen wie „The Bavarian Sniper” (der bayerische Scharfschütze) oder „The Punch” (der Faustschlag). Als es später bei den Männern um eine Interkontinentale Meisterschaft ging, ertönten die deutsche und die argentinische Hymne.

Am Ring saß geballte Box-Prominenz. „Tiger” Dariusz Michalczewski, Ex-Weltmeister im Halbschwer, verfolgte Tina Rupprechts Kampf aus der ersten Reihe. Ehemalige Granden wie Axel Schulz und Graciano Rocchigiani waren wegen des Comebacks von Marco Huck im Schwergewicht ins BallhausForum gekommen. Der Ex-Cruiser-Weltmeister bezwang nach Mitternacht Yakup Saglam durch technischen K.o. in der vierten Runde.

Wie sich Tina Rupprechts achter Sieg im achten Kampf auf die Weltrangliste (bisher Platz sieben) auswirkt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Für Yakosta Valle war es im 15. Kampf die zweite Niederlage. Sie werde jetzt erst einmal Pause machen und vielleicht spontan in Urlaub fahren, sagte die neue Weltmeisterin zu ihren Plänen für die nahe Zukunft. Als Erstes stand in Unterschleißheim in der Nacht die After-Show-Party an. In den Ring will Tina Rupprecht Ende des Jahres wieder steigen - zur ersten Titelverteidigung.


Von Heribert Oberhauser
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