Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 07.12.2018 12:00

Ein Mord im Milieu

Stefan E. wird von den Rechtsanwälten   Klaus Rödl (links) und Michael Zapf verteidigt. 	Foto: Monika Grunert Glas (Foto: Monika Grunert Glas)
Stefan E. wird von den Rechtsanwälten Klaus Rödl (links) und Michael Zapf verteidigt. Foto: Monika Grunert Glas (Foto: Monika Grunert Glas)
Stefan E. wird von den Rechtsanwälten Klaus Rödl (links) und Michael Zapf verteidigt. Foto: Monika Grunert Glas (Foto: Monika Grunert Glas)
Stefan E. wird von den Rechtsanwälten Klaus Rödl (links) und Michael Zapf verteidigt. Foto: Monika Grunert Glas (Foto: Monika Grunert Glas)
Stefan E. wird von den Rechtsanwälten Klaus Rödl (links) und Michael Zapf verteidigt. Foto: Monika Grunert Glas (Foto: Monika Grunert Glas)

Seit mehr als einem Jahr sitzt der schmächtige Angeklagte nun schon in Untersuchungshaft. Als er, gekleidet in ein graues Sweatshirt und Jeans, kurz vor 13 Uhr auf der langen, hölzernen Anklagebank Platz nimmt, klicken die Kameras. Zahlreiche TV- und Presseleute sind gekommen, um den Prozessauftakt mitzuerleben. Anders als die meisten Angeklagten, verbirgt Stefan E. sein Gesicht nicht. Harmlos sieht er aus, könnte man sagen. Unauffällig. Wer ihn sieht, ohne Näheres zu wissen, würde ihn ohne zu zögern engagieren. Er ist gelernter Maler und Lackierer.

Allerdings hat der 50-Jährige, soviel kann man auch vor einem Urteil schon sagen, eine gewisse Vergangenheit. Drogen und Alkohol prägten sein Leben. Seine Freundschaften pflegte er im Milieu am Oberhauser Bahnhof. Zur Clique dort gehörte auch Sabine K.* Die 42-Jährige kannte den Angeklagten seit Jahren, als es schließlich, laut Staatsanwältin Martina Neuhierl, irgendwann im April vergangenen Jahres zum Sex kam. Zuerst einvernehmlich, dann aber, als Sabine K. eigentlich schon gehen wollte, soll Stefan E. sie zurück aufs Bett geworfen haben, um sie in Bauchlage zu vergewaltigen.

Die Zeugin wollte zunächst nichts darüber sagen. Die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser hatte Mühe, ihr eine Aussage zu entlocken. „Ich kann's nicht sagen und fertig”, meinte die 42-Jährige. „Nehmen Sie mich in Haft, ist mir wurscht”, erklärte sie, als sie erfuhr, sie müsse aussagen, andernfalls drohe Beugehaft. Als besonders belastend empfand die Frau die Situation im großen Schwurgerichtssaal, den zahlreiche Zuschauer bevölkerten. „Sie müssen da jetzt durch. Was ist passiert?”, insistierte jedoch die Richterin. Und schließlich gab die 42-Jährige stockend zu Protokoll, Stefan E. habe sie damals anal vergewaltigt, alle Gegenwehr habe ihr aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit nichts genutzt. Danach sei sie wieder tiefer in die Alkohol- und Drogensucht gerutscht.

Anzeige erstattete Sabine K. wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung nie. Die Polizei erfuhr auf anderem Weg davon. Irgendwann soll Stefan E. mit dem Sex im Freundeskreis geprahlt haben. Einige seiner Bekannten meinten gestern, als Sabine K. das mitbekommen habe, habe sie sich wohl geschämt und deshalb von Vergewaltigung gesprochen, auch, um sich vor ihrem langjährigen Freund zu rechtfertigen.

Erst, wenn der Vorwurf der Vergewaltigung verhandelt wurde, will sich das Gericht dem Mord an der Prostituierten Angelika Baron widmen. Die 36-Jährige wurde am 25. September 1993 erwürgt an einem Flutgraben bei Gessertshausen neben der Bahnline Augsburg-Ulm gefunden. In der Nacht davor soll sie an der südlichen Auffahrtsschleife zur Bürgermeister-Ackermannstraße in ihrem Mitsubishi auf Freier gewartet haben. Stefan E., ist Staatsanwältin Neuhierl überzeugt, war ihr letzter Kunde. Laut Anklage stieg sie zu ihm in dessen BMW, er gab ihr 100 D-Mark. Den Schein versteckte sie in ihren Socken. Er wollte angeblich Sex auf eine Art, von der er wusste, die Dirne würde sich verweigern. Außerdem habe er sie berauben wollen - er habe Geld für Alkohol und Drogen gebraucht. So soll Stefan E. der Frau zunächst mit einem 22 Zentimeter langen Möbelfuß auf den Kopf geschlagen und sie anschließend erwürgt haben. Bevor er die Tote am Bahndamm ablegte, soll er sich mit dem hölzernen Pflock an ihr vergangen haben.

Mehr als 120 Zeugen will das Gericht hören. Mangels Geständnis wird es ein Indizienprozess, der bis ins Frühjahr dauern könnte.

*Name geändert


Von Laura Türk
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