Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 26.09.2018 12:00

„...und wir haben versagt”

Durchzusehen waren für die Studie 1483 Personalakten von Klerikern, die zwischen 2000 und 2015 in der Diözese entweder eine Funktion ausübten oder sich im Ruhestand befanden. Auch zahlreiche Dokumente, die bis ins Jahr 1946 zurückreichen, wurden daraufhin gesichtet, ob diese irgendwelche Hinweise auf Missbrauch beinhalten. Zum Team, das die Daten für das Bistum recherchierte, gehörte Manfred Prexl, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München im Ruhestand. Er betonte, er habe selbst 329 Personalakten ausgewertet, dabei gänzlich ungehindert vorgehen können und Zutritt zum Geheimarchiv gehabt. Er habe keine Hinweise auf Manipulationen gefunden. Zwei Drittel der Opfer waren Jungen, ein Drittel Mädchen. Die Hälfte der Betroffenen war beim ersten Missbrauch jünger als 13 Jahre.

65 Betroffene haben bis Ende 2017 Anträge auf Entschädigung gestellt. „In Anerkennung erlittenen Leids”, so Generalvikar Harald Heinrich, habe das Bistum bereits 437 000 Euro ausgezahlt, zudem 40 000 Euro für Therapien.

Wichtigste Konsequenz der Studie sei, so der Generalvikar weiter, dass man alles dafür tun müsse, sexuellen Missbrauch und körperliche Gewalt unmöglich zu machen. Dafür wurden zum einen unabhängige Missbrauchsbeauftragte wie beispielsweise die Rechtsanwältin Brigitte Ketterle-Faber installiert, zum anderen startete man ein Präventionsprogramm. Alle, die für die Kirche hauptberuflich arbeiten, sowie Ehrenamtliche, die Kontakt zu Minderjährigen haben, müssen erweiterte Führungszeugnisse vorlegen - und zwar alle fünf Jahre. Hinzu kommen Selbstauskünfte und eine Verpflichtungserklärung, die beinhalte, nicht wegzuschauen. Jede kirchliche Veranstaltung werde außerdem im Vorfeld über eine Risikoanalyse „geradezu kriminalistisch”, so Heinrich, unter die Lupe genommen, wo es dabei Missbrauchsgefahr geben könnte. Eine „Kultur der Achtsamkeit” wolle man etablieren. Zu dieser gehört, dass, sobald Missbrauchsvorwürfe gegen Seelsorger bekannt werden, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet wird. Es gibt Infoveranstaltungen in Pfarreien und man bezieht die Medien ein. „Ich musste mir gelegentlich sogar erhebliche Vorwürfe gefallen lassen, Beschuldigten gegenüber zu hart und unbarmherzig zu sein”, sagte Harald Heinrich. Er werde aber an diesem Vorgehen festhalten.

„Die Ergebnisse der Studie sind erschütternd”, resümierte der Generalvikar. Seine eigene Stimmungslage beschrieb er als „ratlos, traurig und auch zornig, Schmerz über das, was Männer der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten Minderjährigen und Schutzbefohlenen angetan haben und noch tun.” Die Betroffenen hätten es verdient, nach oft vielen Jahrzehnten des stillen Leids gehört zu werden. „Es tut mir aufrichtig leid, dass es oft lange, zu lange, gedauert hat, bis Opfer ernst genommen wurden”, sagte Heinrich. Die Kirche habe über Jahrzehnte hinweg nicht die Opfer im Blick gehabt, sondern die Täter und den Schutz der Institution. Die Kirche habe in diesem Punkt immer wieder versagt - „und wir haben versagt”, betonte Heinrich ausdrücklich - und noch einen „langen und schmerzhaften Weg” vor sich.

Bischof Konrad Zdarsa wendet sich mit einem Brief an alle im Kirchendienst. Darin spricht er von „furchtbaren Vergehen von Jüngern Jesu an Schutzbefohlenen”. Die Studie mache sprachlos und tue ihm „in der Seele weh”. Zuständige hätten in der Vergangenheit bisweilen nicht angemessen geahndet und die Akten geführt und so „zur Verschleierung beigetragen”. Zdarsa schreibt: „Ich schäme mich für die Mitbrüder und unser Bistum.” Er schaue mit hohem Respekt auf die Betroffenen und ermutige alle, entsprechende Erfahrungen anzuzeigen. Bischof Konrad Zdarsa: „Ich schäme mich”


Von Monika Grunert Glas
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