Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 17.08.2018 12:00

Zigarettenautomat gesprengt

Zahlreiche Zeugen, darunter mehrere Polizeibeamte, ließ das Gericht gestern aufmarschieren. Fest steht: In den frühen Morgenstunden des 12. Februar 2016 wurde ein Zigarettenautomat am Bahnhof Westendorf gesprengt. Die Trümmer flogen bis zu 70 Meter weit. Die Detonation schreckte Anwohner aus dem Schlaf. Zeugen beobachteten einen dunklen BMW, der ohne Licht davonfuhr. Einer meinte, zwei Männer hätten darin gesessen. Doch wer waren diese?

Monatelang tappten die Ermittler im Dunklen. Bis Mitte 2017 eine Frau zur Polizei ging und Anzeige gegen ihren Freund, einen 29-jährigen Tschechen, erstattete. Dieser habe sie geschlagen. Außerdem sei er es gewesen, der damals den Automaten in die Luft gejagt habe. Das wiederum habe ihr der 23-Jährige erzählt - und damit angegeben, er sei da auch dabei gewesen.

Die Polizei durchsuchte die Wohnung des 29-Jährigen, fand allerlei Chemikalien, die sich zur Herstellung von Sprengstoff eigneten. Die Ermittlungen gegen den 23-Jährigen hingegen wurden eingestellt. Es gebe nichts Handfestes, was auf dessen Mittäterschaft deute, vermerkte die Staatsanwaltschaft damals.

Dann begann im Dezember vergangenen Jahres der Prozess gegen den 29-Jährigen. Er hatte sich bislang nicht zur Sache geäußert. Die Polizei hatte festgestellt, dass sein Handy zur Tatzeit am Bahnhof Westendorf im Funk eingeloggt war. Dazu die gefundenen Chemikalien, die Zeugenaussage der geschlagenen Frau: Leugnen nutzte ihm nichts. Ob ihm sein Verteidiger klar machte, er könne auf mildere Strafe hoffen, wenn er gestehe? Jedenfalls packte er vor Gericht plötzlich aus. Mit seiner Aussage, er sei quasi nur ein Mitläufer gewesen, die Hauptschuld an der Sprengung des Automaten trage sein Cousin, sicherte er sich eine mildere Strafe. Der Gesetzgeber sieht das vor, wenn ein Täter zur Aufklärung einer Tat beiträgt, auch wenn er dabei einen anderen denunziert.

Als seine damalige Freundin, die Ex-Freundin seines Cousins, miterlebte, wie der Tscheche ins Gefängnis kam, wurde sie wütend. Wenn dieser für die Tat haften müsse, dann solle das auch der 23-Jährige, meinte sie. Und berichtete der Polizei, der Tscheche habe ihr gesagt, sein Cousin sei dabei gewesen.

Basierend auf diesen Aussagen sprach das Schöffengericht gestern den 23-Jährigen schuldig. Obwohl ein Polizeibeamter gesagt hatte: „Es gibt nichts, was daraufhin deutet, dass dieser sich am Tatort aufgehalten hat.” Der junge Mann selbst beteuerte, er habe mit der Sprengung des Automaten nichts zu tun. „Er war in seinem ganzen Leben noch nicht am Bahnhof Westendorf”, erklärte sein Verteidiger Stefan Radmacher.

Ein Zeuge schimpfte nach der Verkündung besonders laut über das Urteil. Dieses sei ungerecht, meinte er. Er hatte das Verhältnis zwischen den beiden Vettern als schwierig beschrieben. Der jüngere habe seinen tschechischen Cousin, als dieser aus der Haft entlassen worden sei, gutmütigerweise bei sich aufgenommen, obwohl er nur in einer Einzimmerwohnung lebte. „Dann wurde er ihn nicht mehr los. Der hat seine Wohnung regelrecht besetzt, ihm die Freundin ausgespannt und ihn dann noch mit einer Falschaussage in den Knast gebracht. Saubere Leistung, würde ich sagen.” Der 29-Jährige habe im Keller aus allerlei Chemikalien Sprengstoff zusammen gemixt und Rohrbomben gebastelt. „Der hat eine ganz merkwürdige Lebenseinstellung, Mit Arbeit hat er es nicht so, er meinte immer, da mache ich lieber schnell einen Bruch”, so der Zeuge.

Richter Müller-Froelich erklärte, es sei nicht nachzuvollziehen, warum die Frauen gelogen haben sollten. Wenngleich die eine sich abgesetzt hat, und sie deshalb nicht vom Gericht angehört werden konnte, und die andere die Ex des Angeklagten ist. Warum sollte diese, wie von der Verteidigung vorgetragen, einen Hass auf den 23-Jährigen schieben? Das leuchte nicht ein, schließlich habe sie sich von ihm getrennt, nicht er sich von ihr, argumentierte der Richter.

Die Mindeststrafe für die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion beträgt ein Jahr Freiheitsstrafe. Von einem minder schweren Fall sei nicht auszugehen, so Müller-Froelich. Und weil der Angeklagte nicht gestanden habe, lägen auch keine besonderen Umstände vor, die die Aussetzung der Strafe zur Bewährung rechtfertigen würden. Zudem hat der Angeklagte einige Vorstrafen auf dem Kerbholz wie etwa wegen Beleidigung und Drogenmissbrauchs.


Von Monika Grunert Glas
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