Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 07.02.2019 12:00

Aggressiv gegen Zivilcourage

Weil der 38-Jährige einschlägig vorbestraft ist und bisher keine Bewährung durchgestanden hat, entschied sich Amtsgerichtsdirektor Walter Hell nach der knapp einstündigen Verhandlung gegen eine Bewährung. Der 38-Jährige bringt es auf stolze elf Vorstrafen, unter anderem wegen Diebstahl und Sachbeschädigung. Letztere wurde gestern verhandelt. Um Diebstahl sollte es nicht gehen, nachdem der Aichacher bereits im September angegeben hatte, dass er das Fahrrad nicht gestohlen, sondern auf einem Flohmarkt erstanden hätte.

„Das hat man ihnen geglaubt”, wollte Hell den Angeklagten beschwichtigen, der mehrmals betonte, keine Aussagen zur Herkunft des Fahrrads machen zu wollen. Der Richter selbst war sichtlich bemüht, das Fahrrad nicht als gestohlen zu bewerten, wenngleich sich sein Verdacht darauf eher erhärtete.

Doch ob geklaut oder nicht: Der 38-Jährige gestand, am 25. September des vergangenen Jahres mit besagtem Fahrrad von Aichach nach Unterschneitbach unterwegs gewesen zu sein. Zwei 14-Jährige waren ihm gefolgt - ebenfalls auf dem Fahrrad. Er gab zu, ihre beiden Drahtesel umgeworfen und eines von ihnen damit beschädigt zu haben.

„Warum haben Sie das gemacht?”, wollte Hell wissen. „Ich mag nicht, dass mich jemand verfolgt”, erklärte daraufhin der Angeklagte. In seinem Blut wurden an jenem Abend 1,76 Promille Alkohol gemessen.

„Er war ein bisschen aggressiv”, berichtete gestern einer der 14-Jährigen im Zeugenstand. Mit einem Freund habe er sich an jenem Tag in einem Schnellimbiss auf dem Milchwerk-Gelände getroffen. Der Freund hätte dann ein herrenloses Fahrrad bemerkt, das er als das eines weiteren Freundes erkannt haben wollte.

Als er es sich näher ansehen wollte, sei der 38-Jährige bereits darauf gesessen und los gefahren. Das bestätigte der zweite 14-Jährige, der ebenfalls als Zeuge geladen war. „Das Fahrrad konnte man gut erkennen”, erklärte er. Für ihn und seinen Freund war völlig klar, dass der Angeklagte das Radl gestohlen hatte.

So beschlossen die beiden, sich ebenfalls auf ihre Sättel zu schwingen und dem Mann hinterher zu radeln. Der fuhr auf dem Schneitbacher Weg in Richtung Unterschneitbach. Im Ort hätte einer der beiden Buben den Angeklagten auf die Schulter getupft. „Wir haben ihm gesagt, dass das nicht sein Fahrrad ist”, sagten beide.

Daraufhin sei der Mann kurz stehen geblieben, hätte die beiden beleidigt und beiseite gedrängt, um seine Fahrt fortzusetzen. Einer der Buben verständigte die Polizei, während der andere den Mann weiter allein verfolgte. „Über 110, das habe ich vorher noch nie gemacht”, erinnert er sich. Der 14-Jährige sei eher aufgeregt als verängstigt gewesen.

Richter Hell war sichtlich beeindruckt von der „Zivilcourage”, die die beiden Buben bewiesen hatten. Auch Staatsanwalt Benjamin Rüdiger und Verteidiger Thomas Rick sprachen den beiden ihren Respekt aus. In Unterschneitbach nahmen die herbeieilenden Polizeibeamten den 38-Jährigen fest. Auch unsere Zeitung hatte damals berichtet. In der Meldung hieß es, dass sich der zum Tatzeitpunkt 37-jährige, stark alkoholisierte Radlfahrer wegen Trunkenheit im Straßenverkehr und Fahrraddiebstahls verantworten müsse. Verurteilt wurde er gestern wegen (versuchter) Sachbeschädigung sowie Trunkenheit im Straßenverkehr.

Sein „aggressives Verhalten” gegenüber „anständigen Kindern”, die ihn lediglich „angetupft” hätten, bestärkten Walter Hell darin, die sechsmonatige Haftstrafe nicht auf Bewährung auszusetzen. „Sie haben die Bewährung bisher jedes mal gebrochen”, meinte Hell. Ein wenig milder als die von der Staatsanwaltschaft geforderten acht Monate ohne Bewährung fiel die Strafe aber letztlich dennoch aus. Immerhin hatte der rechtmäßige Eigentümer des Fahrrads sein Gefährt längst zurückerhalten. Ein Bube verfolgt den Mann, sein Kumpel alarmiert die Aichacher Polizei


Von Bastian Brummer
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